Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant derzeit, durch Rechtsverordnung eine spezielle sektorengleichen Versorgung im Rahmen des ambulanten Operierens einzuführen und die Vergütung detailliert zu regeln. Beabsichtigt ist, den Terminus „Spezielle sektorengleiche Vergütung“ über einen §115f per Schnellverfahren ins Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) aufzunehmen. Das Ministerium strebt an, bereits ab 1. Januar einen einheitlichen Bereich abzurechnender Leistungen einzuführen. Der Erweiterungsvorschlag formt aber gezielt einen gesonderten zusätzlichen ambulanten Bereich nur im Krankenhaus: Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, insbesondere auch bereits sehr effizient arbeitende ambulante OP-Zentren, bleiben streng genommen außen vor, auch wenn in der Begründung zu diesem neuen § 115f SGBV auf eine Harmonisierung im Sinne von „gleicher Vergütung für gleiche Leistung“ hingewiesen wird.
Konkret geht es bei der geplanten Gesetzesänderung darum, höhere tatsächlich ambulant erbrachte Fallmengen zu erzielen. Das soll mit einer definierten Menge grundsätzlich ambulant durchführbarer Operationen aus dem für die Krankenhäuser bestehenden Katalog für ambulante Operationen (AOP-Katalog) gelingen. Für etliche dieser Operationen wird häufig immer noch ein nicht notwendiger tagelanger stationärer Aufenthalt gewählt und über die DRGs zu vergleichsweise hohen Vergütungssätzen abgerechnet.
IGES-Gutachten mit Schwächen
Für die Bestimmung dieser definierten Menge, müssten zunächst die Operationen- und Prozedurenschlüssel aus dem AOP-Katalog identifiziert und auf die DRG-Systematik übertragen werden. Nur so ließe sich feststellen, welche Leistungen dem neuen §115f SGB V entsprechend bislang überwiegend stationär erbracht werden, aber auch ambulant operiert werden könnten. Die exakte Abgrenzung und Fallzahlbemessung dürfte aufgrund unterschiedlicher Dokumentationspraxis und Abrechnungssystematik aber komplex werden. Tendenzen zu diesen Leistungen sind im IGES-Gutachten, das im April diesen Jahres mit einer Analyse zu einer Erweiterung des sogenannten AOP-Katalogs im Krankenhaus veröffentlicht wurde, enthalten. Wahrscheinlich ist, dass es als Grundlage für die Abgrenzung herangezogen werden soll.
Dieses Gutachten weist allerdings Schwächen für die hier abzugrenzenden Leistungen auf: So weist das IGES-Gutachten z.B. die Eingriffe entsprechend OPS 5-811 (arthroskopische Operationen an der Synovialis) als überwiegend stationär erbracht aus. In Realität müsste aber nochmals genau untersucht werden, ob sie nicht überwiegend stationär dokumentiert und keineswegs überwiegend stationär erbracht sind. Anhand bestehender Gutachten existieren keine überzeugenden Modelle, welche die entsprechenden „sektorengleichen Leistungsfelder“ identifizieren, noch weniger exakt quantifizieren könnten. Denn neben der Identifikation ist es auch wichtig, die aus dem DRG- und AOP-Katalog auszugrenzenden Leistungsbereiche zu quantifizieren: Der Strukturwandel wird nur gelingen, wenn diese Leistungen eine gewisse „kritische“ Masse erreichen, wenn also insbesondere die Kliniken verlässlich von einem gewissen Honorarvolumen ausgehen können.
Anreize für Verharren in alten Strukturen
Im Weiteren soll eine neue Vergütungshöhe für die identifizierten Leistungen gefunden werden. Das zeigt einen gewissen politischen Willen. Zur monetären Ausgestaltung dieser Vergütung, verhält sich aber der beabsichtigte §115f nur sehr zurückhaltend. Der Hinweis jedoch, dass die Regelung parallel zum bestehenden DRG-System etabliert werden soll, lässt darauf schließen, dass es die Kliniken dazu anhalten wird, weiter in den tradierten Strukturen zu bleiben, anstatt notwendige, organisatorische Veränderungen innerhalb der Versorgungseinheit zu initiieren.
Es ist eher zu vermuten, dass ein neuer, paralleler und möglicherweise punktuell einrichtungsindividuell vorteilhafter Leistungsbereich entsteht.
Insgesamt steht zu befürchten, dass sich ein komplexes, teilweise ineinander verschwimmendes Tätigkeits- und Abrechnungsfeld öffnet aus stationärer Versorgung (Abrechnung: DRG), ambulanten Operationen nach bisheriger Vergütungssystematik (gemäß § 115b SGBV und Einheitlichem Bewertungsmaßstab) sowie den neuen sogenannten „sektorengleichen“ Operationsoptionen, abzurechnen über modifizierte DRG oder EBM – je nach neuem Vergütungsvorschlag.
Absehbar zusätzlich notwendige Regularien, zum Beispiel zur Aufklärung der Patienten, zur Vergütungskalkulation und insbesondere die weiterhin möglichen Prüfungen zur rechtmäßigen Anwendung dieses neuen Leistungsbereichs bedingen für die Umsetzung eine extreme Komplexität dieses Ansatzes gerade auch im Vergleich zu einem grundsätzlichen Neudenken ambulanter Operationen nach internationalem Vorbild.
Orientierung an internationalen Vorbildern
Dem Vorschlag der Wissenschaft und erfolgreichen internationalen Beispielen folgend, sollte ein echter sektorengleicher Versorgungsbereich aufgestellt werden. In diesen werden konkret definierte grundsätzlich auch ambulant erbringbare sinnvolle medizinische Eingriffe und Operationen mit geringerer Komplexität, zum Beispiel aus dem Orthopädiebereich, verlagert. Diese Eingriffe würden durch bundesweit gleiche finanzielle Abrechnungsoptionen pauschal vergütet und hierfür identische Rahmenbedingungen geschaffen. Das begünstigt perspektivisch eine nachhaltige Verlagerung der Leistungen aus dem vollstationären in den ambulanten Leistungsbereich.
Insbesondere schafft eine einheitliche Definition Anreize, die Leistungserbringung im Krankenhaus substanziell umzustrukturieren. Es bedarf hierzu eines Katalogs der Eingriffe der sektorengleichen Leistungen. Dieser wird teilweise andere Kataloge – vor allem DRG, AOP nach §115b SGB V und EBM – bereinigen. Hierzu müssen die Leistungen identifiziert und in einen eigenständigen Leistungsbereich überführt werden, der andere Abrechnungsoptionen ausschließt. Es sollte keine Rolle spielen, ob – gleiche Qualifikation vorausgesetzt – Ärztinnen und Ärzte am Krankenhaus oder in der niedergelassenen Praxis die Leistung erbringen. Erst recht sollten den Krankenhäusern für regelmäßig ambulant erbringbare Operationen keine Anreize und formale Möglichkeiten mehr geboten werden, diese Leistung auch stationär anzusetzen. Das beschreibt das international durchgängig beobachtbare Erfolgsmodell gerade auch zum Vorteil der betroffenen Patientinnen und Patienten.
Aufgrund der aufgezeigten Mängel hat der Änderungsantrag zu §115f SGB V nicht das Potenzial, dem ambulanten Operieren in Deutschland tatsächlich umfassend zum Durchbruch zu verhelfen. Die durch das BMG geplanten noch nicht breit öffentlich diskutierte Umsetzung höherer Fallzahlen bei ambulanten Operationen, lässt vermuten, die Ampel wolle quasi „sektorengleiche Vergütung“ als Transrapid und damit möglichst schnell lediglich einen Haken an die im Koalitionsvertrag verankerten „Hybrid-DRG“ machen.