Die Pharmastrategie der Bundesregierung hat im vergangenen Jahr den Weg für konkrete Maßnahmen geebnet, um Deutschland als Forschungs- und Produktionsstandort für die Pharmabranche zu stärken. Das neue Medizinforschungsgesetz (MFG), dessen Entwurf seit Januar vorliegt, ist hierbei ohne Zweifel ein erster wichtiger und begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung. Deutschland soll damit für Forschung und Produktion von Pharmaunternehmen wieder attraktiver und eine zuverlässige Versorgung sichergestellt werden.
Seit Wochen werden einzelne Punkte des Entwurfs aus unterschiedlicher Perspektive zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Allen voran geht es dabei um die geplante Einführung vertraulicher Erstattungsbeträge, die von vielen Stakeholdern im Gesundheitssystem kritisch gesehen werden. Auch aus unserer Sicht enthält der aktuelle Vorschlag bedenkliche Elemente und stellt keinen realistischen Ansatz dar, um den Zugang zu innovativen Arzneimitteln langfristig zu gewährleisten. Neben den erheblichen Mehrkosten, die für die pharmazeutischen Unternehmer durch die Abwicklung entstehen, schafft das Konzept Informationsasymmetrien, die eine faire Verhandlung der Erstattungsbeträge beeinträchtigen. Wünschenswert wäre stattdessen eine Rückbesinnung auf den ursprünglich im AMNOG angelegten Gedanken, auf Basis eines hochwertigen Nutzennachweises einen nutzenadjustierten Preis zu verhandeln.
Leitplankenregelung des GKV-FinStG entzieht Gestaltungsspielraum
Die Leitplankenregelung des GKV-FinStG hat den Spielraum für Verhandlungslösungen und somit eine sinnvolle Vertragsgestaltung zwischen Industrie und Krankenkassen im AMNOG massiv eingeschränkt. Sie bricht mit dem etablierten Prinzip, dass ein nachgewiesener Zusatznutzen zu einem höheren Erstattungsbetrag im Vergleich zu einer weniger wirksamen Vergleichstherapie führt. Durch diese Änderung wurden die Nutzenkategorien „gering“ und „nicht quantifizierbar“ so stark abgewertet, dass bei den meisten Verfahren echte Verhandlungen nicht mehr durchführbar sind. Hiervon sind Arzneimittel zur Behandlung chronischer Erkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes, die vor allem darauf abzielen, Spätfolgen zu mindern, besonders betroffen. Der Nachweis hierfür kann nur über teilweise sehr langlaufende Studien erbracht werden, die naturgemäß zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht vorliegen. Die Fokussierung auf die höchsten Zusatznutzenkategorien stellt für diese Arzneimittel eine kaum überwindbare Hürde dar. Es braucht daher ein AMNOG-System, das den Besonderheiten chronischer Erkrankungen Rechnung trägt, Planbarkeit und Verlässlichkeit des Verfahrens erhöht und den Vertragspartnern maximalen Spielraum für Einigung ermöglicht.
Im Fazit stehen die Regelungen des GKV-FinStG im offensichtlichen und unauflösbaren Widerspruch zum nun erklärten Ziel der Bundesregierung. Die momentan vorgeschlagenen Maßnahmen des MFG – im Speziellen die vertraulichen Erstattungsbeträge – beheben dies nicht. Um verlässliche Rahmenbedingungen für Innovationen zu schaffen, ist die Abschaffung der Leitplankenregelung daher zwingende Voraussetzung und sollte im Medizinforschungsgesetz korrigiert werden.
Jesper Wenzel Larsen ist Geschäftsführer von Novo Nordisk Deutschland.