Knapp zwei von drei Menschen in Deutschland (64 Prozent) fühlen sich mindestens manchmal gestresst. Mehr als ein Viertel sogar häufig. Stress lässt sich nicht aus unserem Leben verbannen. Allein schon, weil das, was uns Stress bereitet, meist durch äußere Einflüsse getriggert wird. Stress macht uns krank, wenn er chronisch wird.
Allein das erste Corona-Jahr hat laut WHO weltweit zu 25 Prozent mehr Angststörungen und Depressionen geführt. Auch die aktuelle Nachrichtenlage schürt hierzulande Ängste und kann Stress verstärken. Die Therapieplatz-Suche? Schon vor der Pandemie eine Herausforderung.
Dabei muss es gar nicht zwangsläufig so weit kommen, dass wir uns erst Unterstützung suchen, wenn therapeutische Begleitung notwendig ist. Der Schlüsselbegriff ist hier: Prävention – oder genauer gesagt, Stressprävention. Wenn es vornehmlich um körperliche Gesundheit geht, gehört die Vorsorge für viele Menschen zur Routine. Bei der mentalen Gesundheit und dem Umgang mit Stress sieht das noch anders aus. Viele Menschen in Deutschland wissen gar nicht, dass Krankenkassen neben klassischen Therapien, die bestehende Probleme behandeln, auch präventive Angebote unterstützen – häufig auch in Form von niedrigschwelligen digitalen Formaten.
7 Milliarden Euro Präventionsbudget ist ungenutzt
Alle gesetzlich Versicherten haben Zugang zu 150 Euro Präventionsbudget (je nach Krankenkasse). Das können sie einsetzen, um sich mit Themen rund um Stressmanagement, Resilienz oder auch Sport und gesunder Ernährung auseinanderzusetzen. Etwa die Hälfte von ihnen wissen allerdings nichts von dieser Möglichkeit. Das hat zur Folge, dass rund sieben Milliarden Euro an Präventionsbudget ungenutzt bleibt. Dieses Budget verfällt jährlich, während Berichte über Stress und Belastung überall zu finden sind.
Warum das Präventionsbudget bisher nicht annähernd ausgeschöpft wird, kann auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden. Wer unter Stress steht, hat womöglich nicht die Zeit und den Raum, um an wöchentlichen Kurs-Terminen teilzunehmen. In diesem Fall können zertifizierte, digitale Kurse hilfreich sein, weil sie leicht zugänglich sind und den Teilnehmenden eine größere Flexibilität ermöglichen. Im Anschluss an den absolvierten Kurs können die Kosten dann von der jeweiligen Krankenkasse erstattet werden.
Ein weiterer Grund ist das Bewusstsein für Präventionsthemen. Viele wissen einfach nicht, dass sie die Möglichkeit haben, die eigene mentale Gesundheit mit Hilfe von Präventionskursen nachhaltig zu fördern. Auch, dass das Ganze unabhängig vom eigenen Geldbeutel über die Krankenkassen finanziert beziehungsweise erstattet wird, ist häufig unklar.
Oft wird Stress auch einfach hingenommen und für etwas ganz Normales und Selbstverständliches gehalten. Gesundheitliche Risiken, die besonders von chronischem – also anhaltendem – Stress ausgehen, werden übersehen oder nicht ernst genommen. Die Selbsterkenntnis, dass der bisherige Umgang mit Stress nicht wirksam ist, kann außerdem Gefühle wie Scham oder Schuld auslösen. Vor allem dann, wenn Betroffene den Eindruck haben, gescheitert zu sein. Die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen hat daran einen wesentlichen Anteil.
Über Stressprävention muss gesprochen werden
Zertifizierte Präventionskurse bieten einen leichten Zugang, um sich mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen und sie langfristig zu stärken. Mit ihrer Hilfe können wir die Widerstandskraft unserer Psyche stärken, ohne hohe Kosten für private Einzel-Coachings aufwenden zu müssen. Damit der Kurs von der Krankenkasse erstattet wird, ist es wichtig, dass der gewählte Kurs von der Zentralen Prüfstelle Prävention (ZPP) offiziell zertifiziert ist und in eines der folgenden Themenfelder fällt: Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung und Suchtmittelkonsum. Ist das nicht ganz klar, kann man natürlich auch immer bei den Kursanbieter:innen selbst nachfragen. Es lohnt sich, einfach mal bei der eigenen Krankenkasse nachzufragen, welche Kurse oder auch welchen Anteil eines Kurses sie erstatten. Schließlich hat die Krankenkasse auch ein Interesse daran, Prävention zu fördern – denn vorbeugende Maßnahmen kosten in der Regel weniger als eine spätere Behandlung.
Deshalb sollten mehr gesetzlich versicherte Menschen von dem Präventionsbudget erfahren, das ihnen Jahr für Jahr zur Verfügung steht und mit dem sie an ein bis zwei Kursen pro Jahr teilnehmen könnten. Ob die Wahl auf ein Präsenz-Angebot oder einen digitalen Kurs fällt, kann dabei jede und jeder anhand der eigenen Präferenzen entscheiden. Die Hauptsache ist, dass über Stressprävention gesprochen wird und dass sie für alle zugänglich ist.
Siri Frericks ist Psychologin und Content Creatorin bei 7Mind. Sie verknüpft ihren Hintergrund in klinischer Psychologie und Psychotherapie mit einem ihrer Lieblingsthemen: Achtsamkeit.