Am vergangenen Dienstag, während der Pressekonferenz nach dem G7-Finanzministertreffen, machte Gastgeber Christian Lindner eine große und wichtige internationale Zusage, die meines Erachtens mehr Aufmerksamkeit und Applaus verdient hat: Der Finanzminister kündigte an, die Arbeit des Access-to-COVID-19-Tools Accelerator (ACT-A) mit weiteren 1,5 Milliarden US-Dollar zu fördern. In dieser Initiative haben sich viele Akteure im Bereich globaler Gesundheit zusammengeschlossen, um die Entwicklung, Produktion und gerechte Verteilung neuer Impfstoffe, Medikamente und Diagnosemittel zu beschleunigen. Das macht den ACT-A zum wichtigsten und besten Instrument, um die aktuelle Pandemie endlich und für alle zu beenden – denn nein, die Pandemie ist noch nicht vorbei, auch wenn es sich angesichts zunehmender Lockerungen manchmal fast so anfühlt. Denn die weltweit noch niedrige Impfrate, vor allem in Ländern mit niedrigen Einkommen, und die damit verbundenen hohen Infektionszahlen, sind der perfekte Nährboden für neue Mutationen und Varianten. Es muss uns daher endlich gelingen Impfstoffe weltweit gerecht zu verteilen und dafür zu sorgen, dass sie auch bei den Menschen ankommen, die sie dringend brauchen – denn es ist auch in unserem eigenen Interesse, die Pandemie endlich und für alle zu beenden.
Mit den neuen deutschen Mitteln zur weltweiten Eindämmung von Corona gelingt der Bundesregierung aber noch etwas anderes: Deutschland ist das erste Land überhaupt, dass seinen fairen Anteil (fair share) an der Finanzierung der internationalen Initiative leistet. Dieser bemisst sich an der Wirtschaftsstärke eines Landes. Lindners Ankündigung ist darum in mehrfacher Hinsicht ein wichtiges und richtiges Signal und andere G7-Staaten sollten nun zügig folgen.
Neue Erreger im Blick behalten
Gleichzeitig müssen wir schon jetzt nach vorne schauen und die Welt besser auf künftige Pandemien vorbereiten. In unserer immer stärker vernetzten Welt, aufgrund des engen Beisammenseins von Mensch und Tier und des voranschreitenden Klimawandels sollten wir damit rechnen, dass häufiger neue Viren auftauchen – und wir müssen darauf gefasst sein, dass sie noch gefährlicher sind. Der erste und wichtigste Schutzschild vor neuen, möglicherweise weltweiten Krankheitsausbrüchen, heißt Früherkennung. Nur wenn wir neu auftretende Erreger und ihre Verbreitung rund um den Globus rechtzeitig erkennen, und ihre Entwicklung genau verfolgen, wird es uns gelingen, gezielt auf sie zu reagieren und den Ausbruch einzudämmen. Hierfür ist es unabdingbar, ein globales Netzwerk aufzubauen – und zwar jetzt und nicht erst, wenn das nächste gefährliche Virus bereits da ist.
Gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation hat die Bundesregierung letztes Jahr in Berlin den „WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence“, ein Pandemie-Frühwarnzentrum, eröffnet. Das ist ein sehr guter erster Schritt. Im Rahmen seiner aktuellen G7-Präsidentschaft muss Deutschland nun dafür sorgen, diesen wichtigen Bereich weiter nach vorne zu bringen – innerhalb der der G7 und G20 aber auch darüber hinaus. Damit ein Pandemie-Frühwarnsystem funktioniert, müssen auch Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen eingebunden werden. Deutschland kann und sollte hier vorangehen und unterstützen.
Jetzt in die Mittel investieren, die uns in Zukunft schützen
Aber es reicht natürlich nicht, neue Erreger schnell zu erkennen. Man braucht auch die Mittel, um sie schnellstmöglich zurückzudrängen. Und wir brauchen diese Mittel für alle möglichen Arten von Krankheitserregern, damit sie im Krisenfall sofort produziert werden können. Darum ist es wichtig, weiterhin in die Erforschung und Entwicklung von Tests, Impfstoffen und Medikamenten zu investieren. Heute und morgen findet in London und virtuell die Finanzierungskonferenz der Allianz für Impfstoffentwicklung CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations) statt, eine sehr gute Gelegenheit, um in Pandemievorsorge und damit in Gesundheitssicherheit weltweit zu investieren. Die Bundesregierung sollte auch hier ein deutliches Zeichen setzen.
Weiterhin ist es dringend erforderlich, die Produktion von Impfstoffen, Medikamenten und Tests überall auf der Welt zu ermöglichen. Nur so kann es im nächsten Pandemiefall gelingen, alle Menschen zu schützen und neue Krisen schnell zu beenden.
Deutschland ist bereits einer der größten Geber im Bereich globaler Gesundheit. Während seiner G7-Präsidentschaft fällt der Bundesregierung allerdings eine besondere Rolle zu: In dieser sollte sie die multilateralen Organisationen, die sich für die Eindämmung von COVID-19 engagieren – neben dem ACT-Accelerator und CEPI insbesondere die Impfallianz Gavi und der Globale Fonds – weiter unterstützen und sich darüber hinaus aktiv dafür einsetzen, dass andere G7 (und G20) Länder ihrem Beispiel folgen.
Es wäre gefährlich, die Sicherheitsbedrohungen, die von der akuten und von künftigen Pandemien ausgehen, zu unterschätzen oder aus dem Blick zu verlieren. Wenn wir nicht stärker in Pandemievorsorge investieren, laufen wir Gefahr, erneut in den Teufelskreis zwischen Panik und Nachlässigkeit zu rutschen, der unseren Umgang mit Gesundheitsgefahren vor COVID-19 geprägt hat: Jahrelang haben politisch Verantwortliche auf der ganzen Welt die Lehren aus früheren Krankheitsausbrüchen ignoriert, und Expert:innenberichten, die eine bessere Vorsorge forderten, wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn sich dann, wie 2020, ein neuer, bedrohlicher Erreger breit macht, stellen wir fest, dass wir alles andere als vorbereitet sind. Das muss sich dringend ändern. Zu wenig in Pandemievorsorge zu investieren, ist eine Rechnung, die nicht aufgeht – und nur auf die Lage und die Menschen im eigenen Land zu schauen, wird dem „Pan“ in Pandemie ganz sicher nicht gerecht.
Caroline Schmutte leitet das Europa-Büro des Wellcome Trust in Berlin.