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Cybersecurity

Standpunkte Technologische Abhängigkeit – was tun?

Teresa Ritter, Cyberagentur
Teresa Ritter, Cyberagentur Foto: Cyberagentur

Die „Zeitenwende“ beweist einmal mehr und sehr eindrücklich, wie riskant einseitige Abhängigkeiten für die souveräne Handlungsfähigkeit sein können. Um diese Handlungsfähigkeit zu schaffen, braucht es den Willen zur Gestaltung und unterschiedliche Stakeholder, kommentiert Teresa Ritter von der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit (Cyberagentur).

von Teresa Ritter

veröffentlicht am 22.09.2022

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Welchen Einfluss einseitige Abhängigkeiten von anderen Staaten auf die eigene souveräne Handlungsfähigkeit haben können, wird durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine schmerzlich vor Augen geführt. Dabei ist die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas längst nicht unser einziges Problem. Gerade im Bereich digitaler Technologien (Soft- und Hardware) hat Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten den Anschluss an Länder wie den USA und China verloren – wirtschaftliche wie staatliche Investitionen wurden versäumt. In einer Zeit, in der geostrategische Verhältnisse sich zunehmend in globalen Handels- und Technologiekonflikten äußern, kann das eine weitere bittere Erfahrung für uns werden.

Das prognostizieren mittlerweile auch Expert:innen der Außen- und Sicherheitspolitik. Insbesondere beim Blick auf den China-Taiwan-Konflikt und Taiwan als Weltmarktführer in der Chipproduktion läuten die Alarmglocken. Allein die wirtschaftlichen Konsequenzen wären fatal. Was das aber für unsere staatliche Souveränität und insbesondere für unsere außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit bedeuten würde, bleibt zu erahnen. Deshalb ist es von besonderem staatlichem Interesse, gerade in Bereichen, die für die unmittelbare Wahrung unserer nationalen Sicherheit von hoher Bedeutung sind, einseitige technologische Abhängigkeiten zu verringern.

Auftrag: High Risk – High Impact

Die Cyberagentur richtet dabei den Blick auf Forschungsvorhaben, die mit einem besonders hohen Risiko verbunden sind. Gleichzeitig bergen sie ein großes disruptives und Zukunft gestaltendes Potenzial. Der weite Blick in die Zukunft, ein Fokus auf Sicherheitsimplikationen von Technologien, die in zehn bis fünfzehn Jahren State of the Art sein könnten, ist ein weiteres Merkmal von förderungswürdigen Projekten. Dabei steht für die Agentur nicht der ökonomische Erfolg im Vordergrund, sondern vielmehr die Frage, welche Technologien und Fähigkeiten einen strategischen Vorteil für unsere innere und äußere Sicherheit bedeuten könnten. Sie springt also dort ein, wo der Markt heute noch versagt. Für diesen Auftrag stehen der Cyberagentur ca. 80 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Die Forschungsergebnisse fließen dem Bund zu.

Der thematische Rahmen

Im Sommer 2022 wurde eine Forschungsstrategie festgelegt, die einen thematische Rahmen vorgibt, innerhalb dessen Programme und Projekte vergeben werden können. So werden im Bereich „Sichere Gesellschaft“ Themen wie digitale Identitäten, cyberresiliente Gesellschaft sowie Mensch-Maschine-Interaktion näher angeschaut. Der Bereich „Schlüsseltechnologien“ umfasst u. a. Kommunikation der Zukunft, Kryptologie und Cybersicherheit durch Quantentechnologie. Themen wie Cybersicherheit der Bundesverwaltung, Schutz Kritischer Infrastrukturen sowie Cybersicherheit in schwierigen Umgebungen werden im Bereich „Sichere Infrastrukturen“ betrachtet. Bisher hat die Agentur sechs Projekte erfolgreich vergeben. Das größte steht mit einem Gesamtvolumen von 30 Millionen Euro kurz vor der Auftragsvergabe. Weitere drei umfangreiche Forschungsaufträge stehen vor der Ausschreibung. Zu einem Projekt liegt bereits ein erster Forschungsbericht vor.

Der Weg zur Forschungsfrage

Zur Identifizierung relevanter Forschungsfragen bedient sich die Cyberagentur zweier Informationsquellen. Auf der einen Seite nutzt sie das Know-how und die Erfahrungen der Akteure der inneren und äußeren Sicherheit. Regelmäßige Treffen und Workshops helfen, die Bedarfe zu identifizieren. Auf der anderen Seite setzt die Agentur auf eigene Trend- und Szenarioanalysen sowie Impulse aus dem nationalen und internationalen Forschung- und Innovationsökosystem. Interessant wird es dann, wenn sich aus dem Informationsgewinn der Trendanalysen Implikationen ableiten lassen, die von großer Relevanz für die gesamtstaatliche Sicherheitsversorgung sind. Dieser zweigliedrige Prozess stellt sicher, dass die Forschungsaufträge die bisherigen Erkenntnisse des Ökosystems berücksichtigen und gleichzeitig zielgenau den Bedarf derjenigen adressieren, die von den Ergebnissen profitieren sollen – die Nutzer:innen aus Sicherheitsbehörden und Bundeswehr.

Cyberagentur – was nun?

Mit der Gründung der Cyberagentur hat die Bundesregierung erkannt, dass es zur Förderung von digitalen Technologien und Innovationen in sicherheitskritischen Bereichen auch einer besonderen staatlichen Anstrengung bedarf. Durch den Auftrag, Projekte zu finanzieren, die ein besonders hohes Risiko bergen, verlässt die Bundesregierung dafür ihren bisherigen Weg der Fehlervermeidung und erkennt an, dass zu einem guten Innovationsklima auch die Idee des Ausprobierens und Scheiterns gehört. Je mehr risikoreiche Projekte gefördert werden, umso größer ist die Chance auf bahnbrechende Ergebnisse. Da sich die Cyberagentur aber auf Projekte der Grundlagenforschung fokussiert (Technologiereife 1–4), braucht es weitere Instrumente zur Förderung von Innovationen und digitalen Technologien in Deutschland. Das Agieren des Staates als Venture-Capital und damit die gezielte Investition in Start-ups und Scale-ups zum Beispiel, ist in anderen Ländern und auch auf Nato-Ebene (DIANA) bereits etabliert. Während für marktwirtschaftlich agierende Venture-Capital der Return on Invest die maßgebliche Kennzahl für Investitionen ist, kann sich der Staat auch hier auf die strategische Relevanz von Technologien für die innere und äußere Sicherheit fokussieren. Wenn dadurch neben der Wahrung unserer nationalen Sicherheit auch eine Vielzahl von in Deutschland agierenden Unicorns entstehen – umso besser!

Teresa Ritter arbeitet in der bundeseigenen Cyberagentur. Als Teil des Teams Innovationsmanagement konzentriert sie sich auf den Aufbau des Ökosystems und der Generierung von Projektimpulsen durch die Identifizierung von relevanten Trends und schwachen Signalen mit hohem Innovationspotential. Schon während ihrer früheren Tätigkeiten unter anderem beim Digitalverband Bitkom sowie bei Roderich Kiesewetter MdB, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und Nina Warken MdB, Mitglied des Innenausschusses, beschäftige sie sich mit der inneren und äußeren Sicherheit im Kontext der Digitalisierung.

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