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Werkstattbericht Die Mitarbeitenden sollen erzählen II

Stefan Kraus von der Stadt Herrenberg schreibt über New Work in seinem Amt.
Stefan Kraus von der Stadt Herrenberg schreibt über New Work in seinem Amt. Foto: Ulrike Klumpp

Stefan Kraus fragt in dieser Rubrik aktuell seine Mitarbeitenden, wie sie das selbstorganisierte Arbeiten im Bauhof erleben. Diesmal berichtet der Schreiner und Spielplatzkontrolleur Klaus Hanke von seinen Erfahrungen und auch von dem ein oder anderen Problem.

von Stefan Kraus

veröffentlicht am 16.05.2023

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Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, dass wir beim Amt für Technik und Grün (TuG) der Stadt Herrenberg den wirklich weitreichenden Grundsatzbeschluss fassten: Wir überführen die Abteilung Bauhof in die Selbstorganisation. Was im Mai 2018 als Abenteuer begann, nämlich das selbstorganisierte Arbeiten ohne direkte Führungskraft, gehört für die Mitarbeitenden längst zum TuG-Alltag und ich habe mehrfach – auch an dieser Stelle – über unser Tun berichtet.

Doch nun wage ich einen Perspektivwechsel, frage die Mitarbeitenden nach ihren Erfahrungen. Wie bewerten sie die vergangenen fünf Jahre? Wo liegen für sie die Chancen, aber auch die Schwierigkeiten des New-Work-Ansatzes? Hat sich für sie die Arbeit verändert und haben sie sich selbst durch das Arbeiten „der anderen Art“ verändert?

Diese und andere Fragen habe ich Klaus Hanke gestellt. Der 42-Jährige hat nicht nur die Zusatzqualifikation eines Spielplatzkontrolleurs, sondern geschickter Weise auch ein Händchen für Holz und eine abgeschlossene Schreinerausbildung. Naheliegend, dass in seiner Schreinerei alles landet, was aus Holz ist und repariert oder ausgebessert werden muss. Neben dem Alltagsgeschäft baut Klaus Hanke aber auch Himmelsliegen oder Lounge-Möbel für den Strandsommer auf dem Herrenberger Marktplatz, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen.

Klaus Hanke ist Schreiner und Spielplatzkontrolleur im Amt für Technik und Grün der Stadt Herrenberg. (Foto: Stadt Herrenberg)

Klaus Hanke: „Kann mehr Ideen einbringen“

Aus dem Bauch heraus würde ich mich auch heute wieder für die Selbst-Orga entscheiden. Im Gegensatz zum Arbeiten von vor fünf Jahren kann ich nämlich heute selbst Entscheidungen treffen, meine eigenen Ideen einbringen und diese letztendlich auch umsetzen. Früher war das nicht möglich, schlimmer noch: Der Meister hat unsere Vorschläge oft nicht einmal angehört, geschweige denn sie aufgegriffen. Das ist jetzt anders, wobei ich ganz ehrlich zugeben muss, dass auch bei uns nicht alles nur eitel Sonnenschein ist. Es gibt immer wieder kleinere Konflikte und es kann durchaus vorkommen, dass einer von uns glaubt, es besser zu wissen oder besser zu können als der andere. Inzwischen können wir solche Konflikte aber einfacher und schneller aus der Welt schaffen, als das noch zu Beginn unserer Selbst-Orga-Zeit der Fall war.

Eine unserer ersten Aufgaben bei der Einführung der Selbst-Orga war, jeweils einen Zuständigen für die einzelnen Arbeitsbereiche zu benennen. Dabei war einerseits die Fachlichkeit das ausschlaggebende Kriterium, andererseits aber auch die persönlichen Interessen der einzelnen Mitarbeitenden. So gibt es für alle – innerhalb des Amtes aber auch innerhalb der Stadtverwaltung – jeweils einen bekannten, zentralen Ansprechpartner.

Dieser fühlt sich verantwortlich, ihm ist diese Arbeit wichtig und entsprechend schnell und leicht geht sie ihm von der Hand. Das macht sich an der Anzahl der abgearbeiteten Aufträge bemerkbar, die mit der Einführung der Selbst-Orga zugenommen hat. Das spürt man aber auch an der Stimmung in der Gruppe, wir haben einfach mehr Spaß bei und mit der Arbeit.

Die klare Aufgabenverteilung erleichtert die Kommunikation. Wie schon gesagt, es gibt jetzt einen Ansprechpartner. Fragen können direkt geklärt, Aufgaben direkt zugeordnet werden. Doch die Aufteilung zwingt uns dazu, dass wir sehr viel miteinander reden. Viel mehr, als uns das vor fünf Jahren überhaupt bewusst war. Innerhalb der Führungsgruppe, aber auch innerhalb der Abteilung ist Kommunikation das A und O. Das wissen wir und doch fallen wir immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück und reden einfach viel zu wenig miteinander. Dann kommt es zu Streitereien, stellenweise lassen wir uns dadurch von Dritten gegeneinander ausspielen oder geben nach außen hin einfach ein schlechtes Bild ab.

Lernprozess – auch für den Amtsleiter

In solchen Situationen braucht es einen Ansprechpartner, brauchen wir unseren Amtsleiter. Auch hier musste ein gewisser Lernprozess durchlaufen werden. Denn aus meiner Sicht hatte unser Amtsleiter nach der Einführung der Selbst-Orga das Alltagsgeschäft viel zu oft komplett ausgeblendet und war viel zu häufig mit der Außendarstellung beschäftigt. Immer wieder gab es Situationen, in denen ich mich allein gefühlt habe, in denen ich überfordert war und die Arbeit wirklich überhaupt keinen Spaß mehr gemacht. Doch wir haben das geklärt – wieder sind wir beim Thema Kommunikation – er ist jetzt präsenter im Amt und greifbar, wann immer wir ihn brauchen.

Wobei diese Situationen längst nicht mehr so oft vorkommen, wie das noch bis vor ein, zwei Jahren der Fall war. Wir alle haben uns durch die Selbst-Orga verändert, daran gibt es keinen Zweifel. Wir sind in unsere Aufgaben hineingewachsen und mit ihnen gewachsen. Wobei für mich selbst dafür vor allem die Zeit im Führungskräfteentwicklungsprogramm innerhalb der Stadtverwaltung sehr wertvoll war. Seither fällt es mir leichter, mich in meine Kollegen hineinzuversetzen. Sie zu fragen und mit ihnen darüber zu reden, warum sie etwas so und nicht anders entschieden oder gemacht haben. Früher habe ich längst nicht so gelassen reagiert, sondern bin schon auch mal richtig explodiert. Doch das hat sich gebessert und ich bin davon überzeugt, dass dies ganz entscheidend mit den Erfahrungen der vergangenen fünf Jahren zusammenhängt.

Stefan Kraus übernahm im Jahr 2012 die Leitung der Technischen Dienste der Stadt Herrenberg. Unter seiner Federführung schuf die Stadt das neue Amt für Technik, Umwelt und Grün (TUG), das Kraus nun leitet. Das Amt gilt heute als Vorreiter für New Work in der Verwaltung. In Kooperation mit der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg erschien im Jahr 2019 „Start-Up Städtischer Bauhof“ bei Springer.

Bisher von ihm in dieser Rubrik erschienen: „Arbeiten ohne Chefinnen und Chefs“, „Das Blumenbeet ohne Meister?“, „Wenn die Mehrheit über die Bezahlung entscheidet“, „Neue Mitarbeitende: Auf das Onboarding kommt es an“, „Gemeinsam gegen den (wilden) Müll“, „Sprechende Mülleimer: Auf das Netz kommt es an“, „Von der Zettelwirtschaft zur Verwaltungssoftware“, „Von gelungener Inklusion profitieren alle“ und „Die Mitarbeitenden sollen erzählen I“.

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