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Werkstattbericht Die Mitarbeitenden sollen erzählen III

Stefan Kraus von der Stadt Herrenberg schreibt über New Work in seinem Amt.
Stefan Kraus von der Stadt Herrenberg schreibt über New Work in seinem Amt. Foto: Ulrike Klumpp

Stefan Kraus fragt in dieser Rubrik aktuell seine Mitarbeitenden, wie sie das selbstorganisierte Arbeiten im Bauhof erleben. Diesmal berichtet der Baumkontrolleur Tobias Geysel und erzählt, weshalb die Selbstorganisation ein Anreiz für ihn war, in die Kommunalverwaltung zu wechseln.

von Stefan Kraus

veröffentlicht am 05.09.2023

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Der nächste Dominostein ist gefallen. Nachdem wir in der Abteilung Bauhof im von mir geleiteten Amt für Technik und Grün (TuG) der Stadt Herrenberg schon vor mehr als fünf Jahren das selbstorganisierte Arbeiten eingeführt haben, hat nun auch die Abteilung „Grün“ nachgezogen. Im Zusammenspiel mit dem damaligen Abteilungsleiter wurde geschnuppert, nach dessen Verabschiedung in den Ruhestand haben die Mitarbeitenden ihr Herz (und das Zepter) in die Hand genommen.

Natürlich läuft noch nicht alles rund. Vieles wird sich erst mit der Zeit und im alltäglichen Schaffen zurechtruckeln. Dass das „Ja“ zur Selbstorga dennoch die richtige Entscheidung war, das möchte ich durch meinen heutigen Werkstattbericht deutlich machen. Denn durch die Selbstorganisation gelingt es uns, auch in Zeiten des Fachkräftemangels, hochmotivierte und –qualifizierte Fachkräfte für den öffentlichen Dienst zu begeistern.

Bestes Beispiel dafür ist Tobias Geysel. Der 35-Jährige ist studierter Forstingenieur und seit rund eineinhalb Jahren im TuG. Er ist einer von zwei Baumkontrolleuren und übernimmt als „Vier-Wochen-Verantwortlicher“ einen Teil der Führungsarbeit in der Abteilung Grün. Das selbstorganisierte Arbeiten war für ihn letztendlich das Zünglein an der Waage beim Wechsel von der freien Wirtschaft in die Kommunalverwaltung.

Tobias Geysel ist Baumkontrolleur im Amt für Technik und Grün der Stadt Herrenberg. (Foto: Stadt Herrenberg)

Tobias Geysel: Wechsel in den öffentlichen Dienst bedeutet Sicherheit

Ich habe geregelte Arbeitszeiten und muss nicht mehr Akkord arbeiten. Das waren für mich entscheidende Gründe, warum ich mich nach einem Job in der kommunalen Verwaltung umgeschaut habe. Aber ich wollte auch nicht tagein, tagaus nur in der Grünflächenpflege arbeiten und mir jeden Arbeitsschritt von einem Vorgesetzten diktieren lassen. Ich war und bin es gewohnt, meine Arbeit selbst einzuteilen und eigene Entscheidungen zu treffen – das wollte ich nicht aufgeben.

Selbstorganisation als positiver Stolperstein

In einem Stellenportal bin ich über die Selbstorga gestolpert und sage ganz deutlich, dass mich das dazu bewogen hat, mich zu bewerben – die absolut richtige Entscheidung für mich – und ich weiß, dass die Selbstorganisation auch für andere, jüngere Kollegen ausschlaggebend dafür war, dass Sie zu uns ins Amt gekommen sind.

Natürlich ist der Wechsel in den öffentlichen Dienst mit gewissen finanziellen Einbußen verbunden. Aber für mich, wie für viele andere der Generation Y und Z, ist der Faktor Geld nicht allein entscheidend. Wenn die Arbeit keinen Spaß macht, kann das mit Geld nur bedingt ausgeglichen werden. Doch auch hier schafft die Selbstorga einen guten Ausgleich. Alle Mitarbeitenden partizipieren finanziell und wir, die Führungsaufgaben übernehmen, auch zusätzlich noch einmal. Doch wie ich schon gesagt habe: Geld allein macht nicht glücklich.

Die Mischung macht´s

Wo sonst im Arbeitsleben hat man es mit so vielen und oft auch ganz verschiedenen Themen zu tun, wie in einer kommunalen Verwaltung? Natürlich ist die Baumpflege und Baumkontrolle meine Hauptaufgabe, nimmt die fachliche Arbeit die meiste Arbeitszeit in Anspruch. Doch da gibt es noch so viele andere Aufgaben und durch die Führungsarbeit verstärkt sich dies auch ganz enorm. Wir kümmern uns um Blumenbeete, Friedhöfe, Spielplätze und Kindergarten-Gärten. Wir sind im Austausch mit Bürgern, Interessensgruppen, externen Dienstleistern und verwaltungsintern mit vielen anderen Fachämtern. Wir müssen Angebote einholen, uns um Ausschreibungen und Vergaben kümmern und – der Werkstattbericht ist das beste Beispiel dafür – wir dürfen ab und an auch Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

Wir sind gerade oft im Overflow unterwegs

An sich hatten wir den Umstieg in die Selbstorganisation ganz gut vorbereitet. Durch die Teilnahme am städtischen Führungskräfteentwicklungsprogramm haben wir uns zusätzliches Rüstzeug an die Hand bekommen und auch die externe Begleitung durch Professor Schneider hilft uns sehr. Dennoch kämpfen wir immer noch mit einem dauerhaften Overflow. In den Sommermonaten haben wir im Grün ohnehin unheimlich viel Arbeit, die große Urlaubswelle ist angelaufen. Dazu haben wir derzeit auch eine Fülle an Projekten zu bearbeiten, wie das ökologische Pflegekonzept, das Grünflächen- und das Baumkataster.

Zur vielen Arbeit kommen andere Schwierigkeiten. Wie überall, gibt es auch bei uns persönliche Befindlichkeiten. Innerhalb der Führungsgruppe, innerhalb der Abteilung. Da knirscht es schon auch. Wir alle müssen uns erst noch an die neuen Strukturen gewöhnen. Unsere Mitarbeitenden, die es teilweise seit Jahren und Jahrzehnten gewohnt sind, dass ihnen alles vorgebetet wird, sollen, dürfen und müssen nun auf einmal weitaus selbstständiger arbeiten, als dies bislang der Fall war. Andererseits müssen wir aus der Führungsgruppe nun auch unbequeme Themen, wie beispielsweise kritische Personalgespräche, selbst anpacken. Dem einen liegt das, dem anderen nicht so sehr.

Kommunikation ist extrem wichtig

Was sich schon jetzt zeigt: Die Kommunikation ist extrem wichtig. Ganz allgemein, ganz besonders aber in der Selbstorganisation. Zudem müssen Zuständigkeiten verteilt, Absprachen getroffen und – auch das fällt uns mitunter noch schwer – auch eingehalten werden. Nur so erreichen wir, was erst durch die Selbstorganisation möglich geworden ist: Wir bekommen das Meisterwissen gleich dreimal auf die Fläche und sind in vielen verschiedenen Bereichen fachlich auf einem sehr hohen Niveau unterwegs.

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