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Smart City

Standpunkte Eine Smart City kommt am Metaverse nicht vorbei

Markus Weinberger, Professor für das Internet der Dinge an der Hochschule Aalen
Markus Weinberger, Professor für das Internet der Dinge an der Hochschule Aalen Foto: privat

Das Metaverse wird als eine der nächsten großen Internet-Wellen gehandelt, die Wirtschaft und Gesellschaft ebenso radikal verändern könnte, wie es soziale Medien bereits getan haben. Kommunen sollten schon jetzt damit beginnen, die Möglichkeiten des Metaverse für sich zu entdecken, argumentiert der Forscher Markus Weinberger.

von Markus Weinberger

veröffentlicht am 11.04.2023

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Seit Marc Zuckerberg im Oktober 2021 seine Firma von Facebook in Meta umbenannt hat, ist die Idee des Metaverse einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Unternehmen wie Nike, Samsung oder auch die zum Volkswagen-Konzern gehörende Automarke Cupra sind bereits im Metaverse aktiv, ebenso Künstler und Musiker. Sie alle wollen die Chancen und Möglichkeiten nutzen, die eine immersive virtuelle Welt parallel zur physischen Welt bieten wird.

Die Idee ist also, dass man künftig nicht mehr kleine Fenster in Form von Handy- oder Computerbildschirmen nutzt, um in das Internet einzutauchen, sondern dass wir in dreidimensionalen Welten, durch Avatare repräsentiert, miteinander interagieren und dass die Grenzen zwischen virtueller und physischer Welt immer weiter verschwimmen. Die weit verbreiteten Sprachassistenten von Amazon und Co. umgeben uns schon heute permanent und reagieren auf Zuruf.

Menschen, Kunden, Zuschauer, die in einer virtuelle Welt agieren, sind freilich auch für die Modebranche, die Konsumgüter- oder Unterhaltungsindustrie sehr interessant. Sie alle sehen das große Potenzial von virtuellen Shoppingtouren, Konzerten oder Freizeiterlebnissen. Viele Vertreter der Branchen, die besonders stark durch das Internet und soziale Medien verändert wurden, haben erkannt, dass in den virtuellen Welten des Metaverse schlechtes Wetter, Betonwüsten oder Verkehrslärm nicht existieren.

Digitale Gegenstände, etwa die digitalen Zwillinge der Sneaker, die ich gerade gekauft habe, lassen sich ohne zusätzliche Kosten beliebig oft herstellen und verkaufen. Dass der Avatar, der mich in der digitalen Welt repräsentiert, gut gekleidet ist, ist bestimmten Nutzergruppen bereits heute wichtiger als der eigene Auftritt in der physischen Welt.

Kommunen müssen sich mit dem Metaverse beschäftigen

Doch das Ganze ist nicht nur für die Wirtschaft spannend, auch für Kommunen ist es unerlässlich, sich bereits heute mit der Vision eines kommenden Metaverse zu beschäftigen. Dafür gibt es zwei zentrale Gründe. Erstens müssen die Infrastruktur und Randbedingungen müssen vorausgedacht werden. Experten sind sich einig darin, dass virtuelle Welten, in denen sich gleichzeitig unzählige Nutzer tummeln, sehr hohe technische Anforderungen stellen. Dabei geht es neben der Rechenleistung und Hardware wie beispielsweise Virtual-Reality-Brillen insbesondere auch um sehr leistungsfähige Internetverbindungen. Diese Infrastruktur bereitzustellen wird künftig noch größere Bedeutung haben als dies heute ohnehin schon der Fall ist.

Neben der technischen Infrastruktur müssen aber auch andere, zum Beispiel rechtliche Rahmenbedingungen für Bürger und Unternehmen geschaffen werden. Ähnlich wie die zunehmende Popularität von Kryptowährungen und NFTs wird auch das Metaverse völlig neue Geschäfts- und Ertragsmodelle und auch Industrien hervorbringen. Kompetente Ansprechpartner in der kommunalen Verwaltung und Klarheit in der Behandlung dieser neuen ökonomischen Welt werden signifikante Standortvorteile sein.

Zweitens müssen die Kommunen die Möglichkeiten des Metaverse zu ihrem eigenen und zum Vorteil ihrer Bürger nutzen. Bereits heute werden Anwendungen des Metaverse in einer Vielzahl von Industrien und Branchen diskutiert. Die Relevanz ist auch für Verwaltungen vor Ort große

Während etwa der Klärmeister des fortgeschrittenen Internetzeitalters im Büro an seinem PC auf Knopfdruck die Pläne, Konstruktionszeichnungen und Datenblätter aller Komponenten seiner Anlage aufrufen kann, wird der Klärmeister im Metaversezeitalter mit einer leichten Brille durch die Anlage laufen und in seinem Sichtfeld relevante Informationen zu Wartungsbedarf, Störungen oder Betriebsdaten erhalten. Er wird in die digitale Ebene eintauchen, ohne das „Fenster“ eines PC oder Tablets zu benötigen. Im Fall einer Störung kann der virtuell neben ihm stehende Techniker des Herstellers bei der Fehlerbehebung direkt an der Anlage unterstützen. Das reduziert Ausfallzeiten und Kosten.

Ein anderes Beispiel: Heute sind die Verwaltung und der Nachweis von Identitäten in der physischen Welt und der digitalen Welt voneinander getrennt: Während in der physischen Welt großteils noch immer Einwohnermeldeämter Identitäten verwalten und Bürger sie mit dem Personalausweis nachweisen, bieten immer mehr Tech-Konzerne mittlerweile die Option an, sich im Internet über digitale IDs wie die Apple-, Google-, oder Paypal-ID auszuweisen.

Im Metaverse kommt einer zweifelsfrei nachweisbaren Identität große Bedeutung zu, und physische und virtuelle Realität verschmelzen immer mehr. Hier wäre also eine neue, große Gelegenheit für kommunale Verwaltungen, ihre Fähigkeit, Identitäten festzustellen und zu verwalten, im Metaverse zu nutzen und sich als der ID-Dienst zu positionieren. Kommunen müssen aus den vergangenen Jahrzehnten lernen, die heute am Horizont erscheinende neue Metaverse-Welt als Chance verstehen und sich schon heute aktiv damit auseinandersetzen.

In der Gegenwart Vorausdenken statt in der Zukunft reagieren

Denn dann war da auch noch „Superworld“: Dabei handelt es sich um einen Versuch, einen digitalen Zwilling der Welt zu erschaffen. Hier verstanden als ein digitales Abbild der physischen Welt, in dem bereits heute jeder virtuelle Grundstücke erwerben kann – insgesamt sind auf der Plattform knapp 65 Milliarden Grundstücke virtuell erhältlich. Die Leserinnen und Leser sind also herzlich eingeladen, einmal zu schauen, ob das Rathaus ihres Wohnorts oder auch das Grundstück des eigenen Wohnhauses noch zu haben wären.

In diesem Sinne sind also alle Kommunen schon heute Teil des Metaverse. Ob die „Superworld“ in Zukunft relevant sein wird, ist heute noch nicht zu beantworten. Aber wer hatte im Jahr 1995 den Weitblick, eine Internetadresse wie beispielsweise www.berlin.de zu reservieren?

Markus Weinberger hat die Professur Internet der Dinge an der Hochschule Aalen inne und leitet Digital Expertise, ein Steinbeis Transferzentrum. Zuvor leitete Weinberger das Bosch IoT Lab der Universität St. Gallen und der ETH Zürich, wo er und sein Team zu IoT-Applikationen im Bereich Smart Home, Connected Mobility, IoT-Geschäftsmodelle und die Rolle der Blockchain-Technologie im IoT-Kontext forschten.

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