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Smart City

Werkstattbericht Mit Daten zur klimafesten Stadtentwicklung

Beate Ginzel, Leiterin des Referats Digitale Stadt Leipzig
Beate Ginzel, Leiterin des Referats Digitale Stadt Leipzig Foto: Olaf Martens

Wie können Kommunen neue Stadtteile planen und gleichzeitig Klimaveränderungen berücksichtigen? In Leipzig soll ein digitaler Zwilling den Fachämtern helfen, klimatische Einflussfaktoren zu bewerten. Wie ein solcher Zwilling als Fachanwendung entstehen kann, schreiben Beate Ginzel und Mirko Mühlpfort vom Referat Digitale Stadt Leipzig in ihrem Werkstattbericht.

von Beate Ginzel

veröffentlicht am 26.06.2024

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Die rasante Wachstumsdynamik in Leipzig verlangt eine koordinierte Stadt- und Freiraumentwicklung, die den unterschiedlichen Ansprüchen an begrenzte Flächen gerecht wird. Dabei zentral ist die multifunktionale Siedlungs-, Infrastruktur- und Grünraumplanung, auch als dreifache Innenentwicklung bekannt. Dieser Ansatz zielt darauf ab, den Flächendruck bei der nachhaltigen Quartiersentwicklung und dem Bau neuer Stadtteile zu mindern und gleichzeitig den Anforderungen der Klimaanpassung zu entsprechen.

Die planenden Ämter in der Stadtverwaltung Leipzig stehen vor der Herausforderung, komplexe Verfahren zur Flächenverteilung unter Berücksichtigung konkurrierender Ziele (Wohnen, Wirtschaft, Soziales, Verkehr, Klima) zu bewerten. Dabei müssen verschiedene Interessen erklärt, verglichen und abgewogen werden. Diese Prozesse erfordern es, Ziele zu priorisieren und konkrete Handlungsempfehlungen auf Basis statischer und dynamischer Datenquellen, Kennziffern, Gutachten und fachlicher Stellungnahmen abzuleiten.

Derzeit erschwert die Vielfalt und Menge der Eingangsdaten es, fundiert und schnell Entscheidungen zu treffen. Die bisher eingesetzten Werkzeuge und Verfahren der Stadtverwaltung sollen weiterentwickelt werden, besonders Daten verschiedener Fachdisziplinen zu integrieren und zu simulieren. Wir brauchen Lösungen, die eine kombinierte, KI-unterstützte Analyse erlauben und klimatische Parameter verständlich aufbereiten, um in Modellen die Folgen klimatischer Einflussfaktoren wie Hitze, Frischluft und Regen darzustellen.

Urbane digitale Zwillinge lassen sich zu Fachzwillingen der Klimaanpassung erweitern

Hier können schon vorhandene urbane digitale Zwillinge zu echten Fachzwillingen der Klimaanpassung erweitert werden, um die Fachämter darin zu bestärken, klimatische Einflussfaktoren zu bewerten. Die Basis dafür bildet der bereits genutzte Leipziger urbane digitale Zwilling, der schon jetzt in der kommunalen Wärmeplanung, der Planung sozialer Infrastruktur und der Quartiersgestaltung etwa beim städtebaulichen Wettbewerb Matthäikirchhof eingesetzt wird. Erste Simulationsmodelle in der Leipziger Stadtentwicklung haben den Mehrwert digitaler Werkzeuge gezeigt. Doch wesentliche Aspekte der Klimaanpassung wie Hitze, Dürre, Starkregen und Luftbelastung sowie deren Risiken für die Umweltgesundheit werden noch nicht ausreichend berücksichtigt.

Für einen Fachzwilling Klimaanpassung müssen wir weitere Datenquellen integrieren und die bestehenden digitalen Planungstools um neue Bewertungsansätze ergänzen. Im Projekt Urban Green Eye des Amtes für Stadtgrün und Gewässer haben wir bereits Expertise bei der Nutzung von Informationen aus Erdbeobachtungsdaten im Rahmen des Copernicus-Programms gewonnen.

Diese sollen erweitert werden durch beispielsweise Sensordaten, Informationen zu Flächen wie Versickerungsdaten, statistische Daten zur Bevölkerungsentwicklung und Straßenbefahrungsdaten. Durch einen Fachzwilling Klimaanpassung wollen unsere Fachämter praxisrelevante Fragen der Klimaanpassung leichter beantworten können:

  • Wie können Flächen über Bebauungspläne gestaltet werden, um die Erfordernisse des Klimaschutzes und der Klimaanpassung zu berücksichtigen?
  • Welche Auswirkungen haben Bau- und Gestaltungsmaßnahmen vor Ort auf das Mikroklima, die Bildung von Hitzeinseln, Luftverschmutzung und Flächenversiegelung?
  • Wie lassen sich finanzielle Auswirkungen von Klimaanpassungsmaßnahmen besser ermitteln und langfristig kostengünstigere Unterhaltungskosten berücksichtigen?

Der Aufbau solcher Fachzwillinge erfordert, die verschiedenen Perspektiven unserer Fachämter einzubeziehen. Gleichzeitig benötigen wir bei Klimafragen Forschungspartner, die uns mit ihrem Wissen über Wechselwirkungen und Wirkungsketten dabei begleiten, valide KI-unterstützte Simulationsmodelle zu entwickeln. Daten und digitale Werkzeuge werden damit zur treibenden Kraft für eine nachhaltige und klimafeste Stadtentwicklung in Leipzig.

Dieser Text ist im Autorenteam mit Mirko Mühlpfort, Teamleiter im Referat Digitale Stadt Leipzig entstanden. Beate Ginzel leitet das Referat seit dem Jahr 2019. Zuvor war sie Abteilungsleiterin im Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbau. Ginzel war zehn Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft an der Universität Leipzig und als Architektin in Deutschland, den Niederlanden und Tansania tätig.

Bisher von ihr in dieser Rubrik erschienen: „Von der Strategie zum Tagesgeschäft“, „Wie wir das digitale Leipzig organisieren“, „Wettbewerbe als Win-Win-Situation“, „Die Zivilgesellschaft als Fundament der resistenten Stadt“, „Klimaschutz und Digitalisierung: ein (fast) perfektes Tandem“, „Eine Woche voller Daten“, „Digitale Identitäten: Leuchtturmprojekt des Bundes und Pilotprojekt in Kommunen“, „Digitale Identitäten: Wie Leipzig testet“ sowie „Digitalstrategien und Stadtplanung bedingen einander“, „Energiewende ohne hitzige Diskussionen?“ und „Wie wir unsere Stadtverwaltung KI-fit machen“ und „Wie gelingen Replikation und Wissenstransfer in Smart Cities?“

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