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Smart City

Standpunkte Städte müssen widerstandsfähig sein

Jack Dangermond, Mitgründer und CEO von Esri, und Jürgen Schomakers, Deutschland-Chef von Esri
Jack Dangermond, Mitgründer und CEO von Esri, und Jürgen Schomakers, Deutschland-Chef von Esri

Informationen über Verkehr, Bürger:innen, Gelände, Gebäude und Wetter auf ein und derselben Karte darstellen und virtuell erlebbar machen – das ermöglichen digitale Zwillinge. Jack Dangermond und Jürgen Schomakers vom Softwareunternehmen Esri schreiben darüber, warum Digital Twins so wichtig sind, welche Vorreiter es bereits gibt und welche Abhilfe sie in einer Smart City hinsichtlich globaler Erwärmung schaffen können.

von Jack Dangermond und Jürgen Schomakers

veröffentlicht am 13.12.2022

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Es ist an der Zeit, dass wir unsere Prioritäten für die Stadtplanung überdenken. COP 27 hat gezeigt, dass wir die uns zugestandenen Emissionen überschreiten und die globale Erwärmung um mehr als 1,5 Grad Celsius ansteigen wird. Das bisherige Ausmaß der Extremwetterereignisse hat bereits jetzt in erschütternden Details aufgezeigt, wie dramatisch die kommenden Jahre werden. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben extreme Temperaturen, Dürren und Überschwemmungen Deutschland jährlich mindestens 6,6 Milliarden Euro Schäden gekostet.

Jetzt, wo Städte und Kommunen ihre Digitalisierungsstrategien auf den Weg bringen und ihre Smart-City-Initiativen starten, ist es zwingend notwendig über Schutz nachzudenken. Schutz vor diesen neuen und immer größer werdenden Bedrohungen. Wir müssen also unsere Städte entsprechend anpassen, da sie größeren und schwereren Wetterbedingungen ausgesetzt sein werden und ihre Bevölkerung vor diesen wachsenden Gefahren schützen müssen. Dieser Schutz muss auch digital mitgedacht werden.

Technologie, Geografie und Menschen kommen zusammen, um sichere Städte zu schaffen

Unsere Situation ist nicht ohne Hoffnung. Kluge Köpfe und Technologien haben bereits bewiesen, dass es Maßnahmen gibt, die sowohl Städte als auch ihre Regierungen ergreifen können. Zum ersten Mal in der Geschichte können wir Informationen über Verkehr, Bürger:innen, Gelände, Gebäude und Wetter auf ein und derselben Karte oder einem Bildschirm darstellen oder sogar virtuell erlebbar machen. Dies ermöglicht es den Verwaltungen, Zusammenhänge, Trends und Gefahren zu erkennen, die zuvor unbemerkt blieben. Ausschlaggebend sind hier digitale Zwillinge, denn sie ermöglichen eine ausgefeilte Modellierung und bieten dennoch eine leicht verständliche Darstellung.

Digitale Zwillinge sind virtuelle Abbilder der realen Welt, einschließlich physischer Objekte, Prozesse, Beziehungen und Verhaltensweisen. Sie nutzen Informationsmodelle, um die gesamte Komplexität aller Prozesse, Abhängigkeiten und auch Zustände von Objekten aus der realen Welt so abzubilden, dass anschließend konkrete Auswertungen, Berichte, Analysen, Planungen und Simulationen möglich sind.

Nehmen wir das Beispiel von Prag, einer Stadt, die stark von extremen Hitzewellen bedroht ist. Die Prager Stadtplaner:innen nutzen digitale Zwillinge für alle Ebenen der Erforschung extremer Hitze, von der Mikro- bis zur Makroebene. Überall in der Stadt messen Sensoren Variablen wie Temperaturschwankungen, Sonneneinstrahlung und Luftfeuchtigkeit. Die Zusammenführung all dieser Datenpunkte und Informationen in einem virtuellen Modell zeigt Stadtplaner:innen, wo Handlung notwendig ist und bessere Strategien für Schadensbegrenzung entwickelt werden müssen.

Deutschland hat alle Instrumente – es wird Zeit, sie zu nutzen

Auch unsere deutschsprachigen Nachbarn haben mit der Zürich 4D-Initiative bereits Erfolge erzielt. Ihr digitaler Zwilling dient als zentrales Planungs- und Kommunikationsinstrument, das dabei hilft, alle wichtigen Informationsebenen zu berücksichtigen und den vorhandenen Raum optimal zu nutzen. So kann beispielsweise der Abfluss von Wassermassen simuliert werden, falls ein Starkregenereignis eintritt. Auch Temperaturentwicklungen auf großen Plätzen können so prognostiziert und neue Bauprojekte dementsprechend direkt mit passenden Gegenmaßnahmen geplant werden.

Alle wichtigen Dimensionen manuell im Überblick zu behalten, ist nahezu unmöglich. Deshalb bildet ein Digital Twin für Planer:innen und Architekt:innen das ideale Werkzeug. Da sich mithilfe eines solchen digitalen Abbildes nicht nur bestehende, sondern auch mögliche Szenarien durchplanen lassen, kann bereits im Vorfeld überprüft werden, welche Auswirkungen beispielsweise eine neue Parkanlage auf das Klima einer Nachbarschaft hätte. So können etwaige Schwachstellen frühzeitig erkannt und die verfügbaren Flächen und finanziellen Ressourcen bestmöglich geplant werden, um eine lebenswerte und vor allem zukunftsfähige Stadt zu planen und umzusetzen. Zürich ist dafür das beste Beispiel.

Deutschlands Städte haben besonders in den letzten Jahren mit den Folgen von vermehrten Niederschlägen und Hitzewellen zu kämpfen. Eine nachhaltige und resiliente Smart City wird extreme Wetterszenarien nie vermeiden können, aber sie wird die Auswirkungen solcher Katastrophen reduzieren können und Regionen dabei helfen, schneller wieder auf die Beine zu kommen. Städte setzen strategisch auf Freiflächen und grüne Infrastrukturen, die nicht nur die Lebensqualität verbessern, sondern auch das Risiko von Überschwemmungen und Hitzeinseln verringern.

Technologie ist auf unserer Seite, die Zeit nicht

In Deutschland gibt es reichlich Quellen für Modelle und Daten, wie die des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie. In Zeiten preiswerter Sensoren stehen die notwendigen Daten zur Verfügung, um die Realitäten für jede Stadt zu messen, zu analysieren und zu verstehen. Jetzt ist es an der Zeit, sie nicht nur für die digitale Planung von Radwegen und Ampeln zu nutzen, sondern auch für die Vermeidung von Hitzestaus in Innenstädten und für Grünflächen, die in der Lage sind, Niederschläge zu absorbieren und die Überflutung von Städten oder Feldern in der Nähe zu vermeiden. Wir haben mittlerweile die richtigen Instrumente und die wissenschaftliche Grundlage für ein besseres Verständnis. Jetzt, da wir so viel sehen können, wie es uns möglich ist, müssen wir handeln!

Jack Dangermond ist der Gründer und Präsident von Esri, einem Softwareunternehmen in den Bereichen GIS und Location Intelligence. Mit einem Hintergrund in Landschaftsarchitektur und Stadtplanung gründeten er und seine Frau Laura das Unternehmen im Jahr 1969 mit der Idee, dass computergestützte Kartierung und Analyse einen wichtigen Beitrag zur geografischen Planung und Umweltwissenschaft leisten könnten.

Jürgen Schomakers studierte Wirtschaftsgeographie mit dem Schwerpunkt Geoinformatik und ist heute bei Esri tätig. In seiner aktuellen Position als Deutschlad-CEO ist er vor allem für die technologische Strategie des Unternehmens verantwortlich und hat einen Fokus auf interkulturelles Management, IT-Strategie für Unternehmen, Geschäftsumwandlung und Change Management.

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