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Werkstattbericht Auf die Haltung kommt es an

Lena Sargalski schreibt über Strategie & Change Management.
Lena Sargalski schreibt über Strategie & Change Management. Foto: Bad Salzuflen

Nur auf Grundlage einer gemeinsamen Wertebasis können Kommunen digital resilient werden, schreibt Lena Sargalski. Um die Herausforderungen bestmöglich zu bewältigen, müsse die Verwaltung auch die Stadtgesellschaft systematisch mit in Prozesse einbeziehen.

von Lena Sargalski

veröffentlicht am 31.10.2023

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Am heutigen Dienstag findet in Nordrhein-Westfalen der eNRW-Kongress statt, zu dem traditionell Vertreterinnen und Vertreter der politischen Landesebene, Stadtoberhäupter und kommunale Digitalisierungsexpertinnen und -experten sowie IT-Dienstleister nach Neuss reisen. Unsere Stadt Bad Salzuflen hat nach der offiziellen Eröffnung die Ehre, eine Keynote an das Fachpublikum zu richten. Thematisch dreht sich in diesem Jahr alles um digitale Resilienz für Kommunen.

Der Begriff bedeutet, dass kritische Entwicklungen oder neue Herausforderungen mithilfe digitaler Prozesse, Produkte und Dienstleistungen abgefedert werden und im optimalen Fall eine Chance zur souveränen Weiterentwicklung von Kommunen darstellen. Digitalisierung – und ich spreche hier bewusst nicht von der Verwaltungsdigitalisierung – muss in Kommunen so verankert sein, dass sie sich an den gesellschaftlichen, organisationalen und individuellen Bedarfen orientiert. Doch wie können wir im digitalen Zeitalter resilient werden? Und welche Strategien und Strukturen werden konkret benötigt? Um das zu beantworten, werfe ich einen Blick in die Mittelstadt Bad Salzuflen.

Digitale Resilienz erfordert eine Haltung und verlässliche Strukturen

Der Stellenwert der Digitalisierung in Bad Salzuflen wird dadurch sichtbar, dass das Thema in der Verwaltungsspitze verankert ist. Strategische Überlegungen zur Ausrichtung der Digitalisierung werden im Schulterschluss mit der Verwaltungsspitze abgestimmt. Unser Stab für Strategie, Innovation und Digitalisierung agiert im Querschnitt, als Vermittler zwischen dem Verwaltungsvorstand und den Dienststellen. Dieser Stab existiert unabhängig vom IT-Stab und verfügt über ein eigenes Budget.

Digitalisierungsprojekte und -maßnahmen werden seit unserer Digitalstrategie von den verantwortlichen Fachexpertinnen und -experten der jeweiligen Fachbereiche vorangetrieben, da sie ihre Herausforderungen, Prioritäten und Netzwerke in der Stadtgesellschaft am besten kennen. Durch diese Struktur kombinieren wir einen Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz, um die Vorteile der Digitalisierung tatsächlich bis in die Stadtgesellschaft hinein zu entfalten.

Digitale Resilienz erfordert Führung und ein Mindset

Digitalisierung muss auf der Führungsebene verankert und vorgelebt werden. Nicht nur im Verwaltungsvorstand, sondern auch auf Verwaltungskonferenzen setzen sich unsere Führungskräfte mit Digitalisierungstrends, Tools und digitalen Kompetenzen auseinander. Bei neuen Anwendungen wie der aktuellen Einführung eines Raumbuchungstools wird neben den technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen geklärt, welche Rolle unsere Führungskräfte im Prozess einnehmen und welche Vorteile das Tool für sie bietet, um souverän im digitalen Zeitalter führen zu können.

Es geht auch darum, welche Erwartungen Mitarbeitende in der heutigen Zeit gegenüber ihren Vorgesetzten haben und wie die Kommunikation, Organisation und Kooperation mithilfe digitaler Anwendungen verbessert werden kann. In Bad Salzuflen wird Digitalisierung auf der Führungsebene als Chance verstanden, um Mehrwerte für Mitarbeitende zu schaffen und optimale Arbeitsbedingungen herzustellen, von denen in der Prozesskette auch die Menschen in unserer Stadt profitieren.

Digitale Resilienz erfordert Strategien

Mit der in 2021 verabschiedeten Stadtstrategie wurde in Bad Salzuflen die Basis zwischen Politik und Verwaltung geschaffen, um ein zukunftsfähiges Bad Salzuflen zu entwickeln. Aus der Stadtstrategie leitet sich ab, dass die Digitalisierung im Querschnitt verankert ist und ganzheitlich auf alle fünf Handlungsfelder wirken soll. Als logische Konsequenz ist seitens der Verwaltungsspitze der Bedarf gewachsen, eine Digitalstrategie zu entwickeln. Mit unserer Digitalstrategie wird sichtbar, inwieweit ausgewählte Digitalisierungsprojekte und -maßnahmen unsere Stadtziele fördern. Strategien bieten einen Orientierungsrahmen, der insbesondere in herausfordernden Zeiten hilfreich ist.

Sie bündeln laufende oder geplante Vorhaben und schaffen Transparenz für Politik und Verwaltung. Strategien sind jedoch nicht starr, sondern müssen stetig weiterentwickelt werden. Das kann funktionieren, wenn die Haltung und die damit verbundenen Werte für alle Verantwortlichen klar sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir mitten in einer digitalen Transformation stecken, die wiederum zu neuen Herausforderungen, Bedarfen und Lösungen führen wird. Neue Projektideen oder -maßnahmen werden durch die Fachexpertinnen und -experten in die kommunalen Fachausschüsse getragen, sodass sich unser Verständnis zur Digitalisierung auch auf dieser Ebene widerspiegelt.

Digitale Resilienz erfordert ein Prozessmanagement

Mit der Einführung eines flächendeckenden Prozessmanagements im Jahr 2020 haben wir die Grundlage in der Stadtverwaltung geschaffen, um unsere Abläufe transparent zu erfassen und zu verbessern. Der Beschluss wurde damals im Verwaltungsvorstand gefasst, der weiterhin regelmäßig über den aktuellen Stand informiert wird. Aus meiner Sicht ist es essenziell, dass in Kommunen ein Prozessmanagement verankert und (!) gelebt wird. Wir kooperieren seit der Einführung mit 14 umliegenden Kommunen und tauschen Wissen und Prozesse untereinander aus. Prozesse bilden die Basis für Aufgabenkritik, Optimierung, Digitalisierung und Wissensmanagement. Wir können auf Grundlage des Prozessregisters ableiten, wo große Digitalisierungspotenziale bestehen, beispielsweise aufgrund hoher Fallzahlen oder eigener Regelungskompetenz wie im Bereich der Satzungshoheit.

Wir betrachten einen Prozess ganzheitlich – von der Beantragung bis zur Erstellung der Dienstleistung. Damit verknüpft sind Fragen, ob unsere Dienstleistungen gut auffindbar, verständlich und von ausreichender Qualität auf der Homepage beschrieben sind. Oder welche Form des Serviceangebotes hilfreich ist, um den Bedarf zu decken. Wo bietet es sich eher an, die Online-Terminvergabe auszubauen und eine Beratung zu implementieren, statt auf komplexe Onlinedienste oder Formulare zu verweisen, deren Zugang teilweise durch Authentifizierungsdienste oder fehlendes Responsive Design gehemmt werden? Allerdings erschweren die bestehenden rechtlichen und finanziellen Hürden eine effizientere Aufgabenerfüllung, sodass Ressourcen häufig falsch eingesetzt werden (müssen).

Digitale Resilienz ist die Grundlage, um auf gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren. Sie stärkt das Vertrauen in den Staat, wenn Wartezeiten gering sind, Steuermittel wirtschaftlich eingesetzt werden und Leistungen möglichst barrierefrei von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden können. Leider wird dies auf übergeordneter Ebene im politischen Diskurs oft übersehen. Anstatt über lebenswerte Städte zu sprechen, konzentriert man sich darauf, wie schnell Verwaltungsformulare oder EfA-Lösungen zur Verfügung stehen – die sich dann doch nicht an den lokalen Bedarfen orientieren. Digitalisierung im Kontext von Kommunen bedeutet aber viel mehr. Es zeichnet sich längst ab, dass der Krisenmodus in Kommunen nicht die Ausnahme, sondern künftig die Norm darstellt. Deswegen braucht es vor allem einen Dialog zwischen dem Land und den Kommunen – auch, um die gesellschaftlichen Vorbehalte hinsichtlich der Leistungs- und Handlungsfähigkeit des Staates abzubauen und eine gemeinsame Haltung angesichts der enormen Herausforderungen zu entwickeln.

Lena Sargalski arbeitet als Chief Digital Officer im Stab für Strategie, Innovation und Digitalisierung bei der Stadtverwaltung Bad Salzuflen in Ostwestfalen-Lippe. Neben den Aufgabenbereichen Strategieentwicklung, interne Digitalisierung und interkommunale Zusammenarbeit liegt ein Fokus auf der aktiven Ausgestaltung des digitalen Wandels in der Stadtgesellschaft. Die Grundlage bildet die in 2022 verabschiedete Digitalstrategie #wohlfühlen – Bad Salzuflen gemeinsam gesund und digitalVon ihr bisher in dieser Rubrik erschienen: „Mehr Mutausbrüche in der Verwaltung“, „Think smart: Silos aufbrechen, aber wie?“ sowie Digitale Kompetenzen brauchen Training“.

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