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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Bei großen Verkehrsprojekten haben es sachliche Argumente oft schwer

Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Oberbürgermeisterin von Regensburg
Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Oberbürgermeisterin von Regensburg Foto: Stadt Regensburg/Stefan Effenhauser

Beim Bürgerentscheid am 9. Juni 2024 haben sich die Regensburgerinnen und Regensburger mehrheitlich gegen die Weiterplanung einer Stadtbahn ausgesprochen. Warum es so schwerfällt, für Verkehrsprojekte zu mobilisieren und wie es jetzt in Regensburg mit dem ÖPNV weitergehen kann.

von Gertrud Maltz-Schwarzfischer

veröffentlicht am 27.06.2024

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Für große Verkehrsprojekte zu mobilisieren und eine Mehrheit bei den Bürgerinnen und Bürgern zu finden, ist nicht einfach. Schon bei der Zielsetzung gehen die Meinungen oft diametral auseinander: Während die einen das Auto am liebsten ganz abschaffen möchten, würden andere gerne jeden kleinsten Winkel mit dem Pkw erreichen. Dies führt zwangsläufig zu Spannungen.

Dazu kommt, dass solche Entscheidungen in der Regel vor dem Hintergrund von Partikularinteressen getroffen werden und nicht in Bezug auf gesamtgesellschaftliche Belange. Gegenüber Veränderungen, die sich vermeintlich negativ auf eigene Interessen auswirken könnten, sind die Vorbehalte oft groß. Das „ich wäre ja grundsätzlich dafür, aber bitte nicht bei mir“ nimmt leider in allen Bereichen zu.

Fehlendes Vorstellungsvermögen

Großprojekte gehen mit komplexen Planungsprozessen einher, und diese lassen sich aus vielerlei Gründen schwer kommunizieren: Zwischen den ersten Planungen und der Fertigstellung liegen meist einige Jahre, die Kosten sind hoch und die Voraussetzungen für den Erhalt für Fördermitteln ebenso wie die Kosten-Nutzen-Abwägung höchst kompliziert.

Ein Projekt wie eine Stadtbahn ist eine Investition für künftige Generationen: der verringerte CO2-Ausstoß, der höhere Fahrkomfort, die Fahrtzeitverkürzungen – all das wirkt sich erst in der Zukunft aus und erfordert viel Vorstellungsvermögen. Negative Auswirkungen wie hohe Kosten und lange Baustellen betreffen die Menschen dagegen unmittelbar.

David gegen Goliath

Gegner eines Projektes können auch leichter argumentieren als Befürworter oder die Verwaltung, weil sie auf die Risiken (teilweise auch überspitzt und populistisch) hinweisen können, ohne selbst tragfähige Gegenvorschläge ausarbeiten zu müssen. Auf der Seite der Planer gilt es dagegen, ausschließlich faktenbasiert zu kommunizieren – und das benötigt deutlich mehr Zeit. Hinzu kommt, dass viele Menschen Neuerungen per se skeptisch gegenüberstehen.

Es fällt häufig leichter, das Altbekannte (also das „Nein“ zum Projekt) zu wählen als das Neue und Unbekannte. Der allgemeine Trend zur Skepsis gegenüber staatlichem Handeln, der sich im politischen Diskurs bemerken lässt, und mangelndes Vertrauen in „die da oben“ tun ihr Übriges.

Die Bürger, die sich als „David“ gegen den scheinbar übermächtigen „Goliath“ (Verwaltung und Politik) zur Wehr setzen, sind eine starke Erzählung, gegen die mit sachlichen Argumenten nur schwer Boden gutzumachen ist. Der Informationsgrad der Bürgerinnen und Bürger ist dabei oft individuell sehr unterschiedlich, sodass Entscheidungen auch aus dem Bauch heraus getroffen werden.

Bürgerbegehren brauchen Zahlen, Daten, Fakten

Bürgerbegehren sind seit einigen Jahren etablierter Teil der demokratischen Entscheidungsfindung – auch bei Verkehrsprojekten. In bestimmten Fällen ist eine Bürgerbeteiligung sicher sinnvoll und richtig, in anderen Fällen sogar gesetzlich vorgeschrieben.

Gerade bei infrastrukturellen Großprojekten, die nur schwer im Detail so vermittelbar sind, dass sie von Laien komplett durchdrungen werden können, könnte es aber durchaus sinnvoll sein, die Entscheidung bei den von den Bürgerinnen und Bürgern mehrheitlich gewählten Vertreterinnen und Vertretern zu belassen.

Dafür spricht auch, dass diese Großprojekte in aller Regel bereits wesentlicher Bestandteil der Wahlkämpfe sind. Es stellt sich zumindest die Frage, ab wann in einem Infrastrukturprojekt ein Bürgerentscheid stattfinden sollte. In anderen Bundesländern sind sie erst ab der Planfeststellungsreife zulässig. Dann liegen auch verbindliche Zahlen, Daten und Fakten vor.

Stadtbahnplanungen waren nicht umsonst

Dass die Regensburgerinnen und Regensburger sich mehrheitlich gegen einen höherwertigen ÖPNV mit Stadtbahn entschieden haben, ist außerordentlich bedauerlich. Es bedeutet aber nicht, dass wir jetzt den Kopf in den Sand stecken dürfen. Wir werden kurzfristig prüfen, wie wir uns in puncto Mobilitätswende personell und strategisch neu ausrichten.

Die Herausforderungen, die Verkehrswende in Regensburg voranzubringen, sind groß. Durch den negativen Bürgerentscheid ist nun ein neuer verkehrsplanerischer Ansatz notwendig. Dabei helfen aber auch die bisherigen Planungen für die Stadtbahn. Diese waren also alles andere als umsonst. Es gilt zu prüfen, was tragfähige Alternativen sein und wie diese in Regensburg umgesetzt werden könnten.

Konzepte wie unser regionaler Nahverkehrsplan, das Mobilitätskonzept für den Großraum Regensburg oder der derzeit in Erstellung befindliche SUMP (Sustainable Urban Mobility Plan) für Regensburg müssen jetzt ohne Stadtbahn fortgeschrieben werden. Eine wichtige Rolle wird sicher der Radverkehr spielen.

Mobilitätswende bewegt viele Menschen in Regensburg

Der ÖPNV wird künftig von einem Bussystem getragen, das beschleunigt und auch auf wesentlichen Linienabschnitten durch eigene Verkehrsflächen bevorrechtigt werden muss. Diese Hochleistungskorridore für den Busverkehr müssen nun erarbeitet werden. Es gilt unbedingt zu verhindern, dass sich der ÖPNV weiter verlangsamt, denn damit würde auch dessen Attraktivität maßgeblich sinken.

Eine weitere Herausforderung wird sein, das für die Entwicklungsschritte notwendige Personal zu gewinnen. Wir werden insgesamt deutlich mehr Fahrerinnen und Fahrer als heute brauchen.
Grundsätzlich haben uns der Bürgerentscheid, die Beteiligungsformate und die Nachfragen zu Stadtbahn deutlich gezeigt, dass die Mobilitätswende ein Thema ist, das in Regensburg viele bewegt. Dieses breite Interesse, diesen Schwung werden wir nun nutzen, um unseren ÖPNV – auch ohne Stadtbahn – voranzubringen.

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