Auch wenn wir vermutlich alle gerne auf Corona verzichtet hätten, hat die Pandemie auch positive Effekte mit sich gebracht. Um dem oft überfüllten ÖPNV zu entgehen, haben sich viele Leute für das Fahrrad entschieden und der ohnehin wachsenden Branche einen wahren Booster beschert. Doch trotz sehr hoher Nachfrage konnte die Branche 2021 nicht den Vorjahresrekord überbieten: Grund waren Probleme in der Lieferkette. Ich glaube aber fest daran, dass es 2022 wieder bergauf gehen wird.
Materialknappheit, steigende Rohstoffpreise, ein blockierter Suez-Kanal: 2021 hat es dem Weltmarkt nicht einfach gemacht, und auch die Fahrradwelt wurde nicht verschont. Die steigende Nachfrage stellte Hersteller und Händler vor Herausforderungen, vor allem bei den zahlreichen Komponenten eines Fahrrads. Egal ob Bremsen, Sattel oder Zubehör – wer nicht am Ball blieb, stand oft mit leeren Händen da. Besonders die elektronischen Bauteile eines E-Bikes wie Halbleiter im Motor oder Akkus waren knapp und zeigten die Abhängigkeit vom asiatischen Markt.
Wir haben es hier mit einem sehr komplexen Problem zu tun, das sich aus der Pandemie ergeben hat. Im Homeoffice haben sich viele Menschen neue Computer und Laptops angeschafft. Und durch die verschiedenen Lockdowns, die die Freizeitgestaltung im öffentlichen Raum fast unmöglich machten, ist auch die Nachfrage nach Unterhaltungselektronik stark gestiegen. Zuerst kamen die Produzenten nicht mehr hinterher, und dann die Lieferanten der Rohstoffe, die natürlich auch vom Herunterfahren des öffentlichen Lebens betroffen waren. So traf es dann schließlich auch die Radler: Die für E-Bikes nötigen Rohstoffe, wie Kupfer, Kobalt oder Lithium, wurden zur Mangelware.
Teures Jahr mit zum Teil langen Wartezeiten
Viele Unternehmen suchten nach alternativen Produkten, dann musste es zum Beispiel nicht mehr der Original-Sattel sein, oder beauftragten neue Lieferanten. Doch der Kampf um die Komponenten war kompliziert und viele Firmen horteten alles, was sie bekommen konnten. Häufig mussten schließlich doch die Preise für die Endkunden erhöht werden. Alleine Kunststoffgranulat ist 2021 innerhalb eines Quartals um knapp 70 Prozent teurer geworden. Steigende Frachtpreise und Preiserhöhungen bei Zulieferern wirkten sich auch auf die Verbraucherpreise aus. Für Leute, die sich ein neues Fahrrad zulegen wollten, war es also ein teures Jahr mit zum Teil langen Wartezeiten.
Ganz anders sah es im Leasing-Bereich aus, wie unsere Erfahrungen in den letzten Monaten gezeigt haben. Durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Händlern in ganz Deutschland konnten wir fast allen Kunden ihr Wunschrad vermitteln – sogar ohne größere Wartezeiten. Und auch weiterhin konnten sich zum Beispiel Menschen ein E-Bike leisten, für die ein Kauf unerschwinglich gewesen wäre. Immer mehr Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitern deshalb dieses Modell an, und auch Selbstständige und Freiberufler greifen vermehrt darauf zurück.
Wie entwickelt sich der Markt bisher und in den nächsten Monaten? Der Verband des Deutschen Zweiradhandels hatte im August 2021 die Prognose abgegeben, dass erst Ende 2024 mit einer Normalisierung zu rechnen ist. Ganz so kritisch sehe ich es nicht. Trotz punktueller Störungen der Lieferkette hat es die Fahrradindustrie geschafft, Engpässe auszugleichen. Das bedeutet, dass die Krise nicht so stark bei den Verbrauchern ankommt, wie zunächst befürchtet. Wartezeiten gibt es höchstens für Kunden, die auf der Suche nach einem Spezialrad sind. Bei Gesprächen mit unseren Partnern hören wir sonst immer wieder, dass die Lager und Verkaufsräume gut gefüllt sind. Wer also ein neues Fahrrad kaufen oder leasen möchte, wird es auch bekommen.
Bedeutung des Leasings nimmt weiter zu
E-Bikes bleiben dabei der große Trend – sie machten 2020 ja bereits 70 Prozent des gesamten Marktes aus. Die Preise dafür liegen momentan noch bei 2.900 bis 3.000 Euro im Durchschnitt. Durch die Lieferprobleme bei den Rohstoffen müssen wir aber Glück haben, dass die Preise konstant bleiben. Sie werden vermutlich eher ansteigen, weshalb die Bedeutung des Leasing-Sektors weiter zunehmen wird.
Im Sommer 2021 hatte der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer das Ziel ausgegeben, dass Deutschland bis 2030 ein Fahrradland werden solle. Daran sollte die neue Bundesregierung festhalten – und zwar mehr, als es bisher im Koalitionsvertrag angekündigt wurde. Der Bundesverband Zukunft Fahrrad, bei dem wir Gründungsmitglied sind, hat hierzu für die Regierung einen Forderungskatalog zur Verkehrswende veröffentlicht. Dort geht es vor allem um mehr Mobilität und weniger CO2-Emissionen. Beispielsweise durch eine fahrradfreundliche Infrastruktur und Förderprogramme, die etwa „Bike Sharing“ unterstützen.
Das Fahrrad ist und bleibt das Verkehrsmittel der Zukunft. Im Moment hilft es uns dabei, Abstand zu wahren und nicht dicht an dicht in U-Bahn und Bus zur Arbeit zu fahren. Und auf längere Sicht ist es ein entscheidender Faktor, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Immer mehr Menschen fahren bereits mit dem Dienstrad zur Arbeit, tun damit etwas für ihre Gesundheit, die Natur und den Geldbeutel. Es ist also eine Fortbewegung, die allen Seiten hilft.