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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Mit dem Fuß auf der Bremse

Wolfram Krohn, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Dentons Europe LLP in Berlin
Wolfram Krohn, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Dentons Europe LLP in Berlin Foto: PR

Eigentlich sollte das Herbstpaket der Bundesregierung Planung und Bau von Straßen, Brücken und Schienen beschleunigen. Doch es ist eine Minimallösung. Eine große Hürde ist zudem die Langsamkeit der Verwaltung, die Vorhaben ausbremst. Mehr Effizienz ist gefragt.

von Wolfram Krohn

veröffentlicht am 06.12.2022

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Die Bundesregierung möchte den Ausbau der Infrastruktur beschleunigen. Im Blickfeld stehen nicht nur akute Krisen-Bedarfe wie die Energieversorgung, sondern vor allem auch die Verkehrsinfrastruktur. Fernstraßen, Brücken, Schienennetz – für den Wirtschaftsstandort Deutschland kaum zu überschätzende Faktoren. Bei Flüssiggas-Terminals und der Bundeswehr machte der Ukraine-Krieg im Frühjahr auf einmal möglich, was lange undenkbar schien: Durch schnell verabschiedete Beschleunigungsgesetze wurden Planungs- und Genehmigungsverfahren gestrafft und die Vergaberegeln für Beschaffungen vereinfacht.

Mit einem Herbstpaket hatte die Bundesregierung eigentlich beabsichtigt, den Schwung zu nutzen, um auch für andere Infrastrukturbereiche Vereinfachungen einzuführen. Derzeit steht die Bundesregierung bei ihrem Beschleunigungsvorhaben jedoch gleich mit mehreren Füßen auf der Bremse. Der vom FDP-geführten Verkehrsministerium gewollte schnellere Ausbau von Fernstraßen, Brücken und Flughäfen passt nicht ins Klimakonzept des grün-geführten Umweltministeriums. Der daraus entstandenen Ampel-internen Blockade ist nicht nur die Beschleunigung des Ausbaus der Energieversorgungsinfrastruktur zum Opfer gefallen, sondern auch die längst überfällige Erneuerung maroder Fernstraßen und Brücken.

Das Paket, auf das die Regierung sich Ende November verständigt hat, beschränkt sich erst einmal auf eine Minimallösung, nämlich eine punktuelle Straffung und Verkürzung des Rechtsschutzes gegen die Planung und Genehmigung von Energie- und Verkehrsinfrastrukturvorhaben. Vor allem sollen die Gerichte wichtige Vorhaben bei Fehlern im Planungs- und Genehmigungsprozess künftig seltener stoppen. Eilrechtsschutz kann insbesondere dann versagt werden, wenn der Fehler offensichtlich „in absehbarer Zeit behoben sein wird“. Diese Regelung ist unter rechtsstaatlichen Aspekten auf heftige Kritik gestoßen. Ob sie zu einer wesentlichen Beschleunigung führen wird, bleibt abzuwarten. Für Fehler bei der Umweltverträglichkeitsprüfung soll sie aus EU-rechtlichen Gründen ohnehin nicht gelten.

Ein Hebel liegt in der Verwaltung 

Doch sind es nicht nur Gerichtsverfahren, die Planungs- und Genehmigungsprozesse in die Länge ziehen. Das Problem ist vor allem die Langsamkeit der Verwaltung. Erfolgsgeschichten wie die Fast-Track-Genehmigung der Tesla-Fabrik in Brandenburg erwecken so viel Aufmerksamkeit, weil sie zeigen, wie schnell es gehen kann, wenn die Verwaltung wirklich will. Hier anzusetzen und die Verwaltungsabläufe effizienter zu machen, wäre nicht nur der erfolgversprechendere Weg. Schnellere Verwaltungsabläufe würden der Wirtschaft auch helfen, Investitionsprojekte außerhalb des Infrastrukturbereichs zügiger umzusetzen. Hierfür braucht es jedoch nicht nur politischen Willen, sondern auch und vor allem mehr qualifiziertes und motiviertes Verwaltungspersonal.

Bei der öffentlichen Auftragsvergabe sind überhaupt keine Fortschritte zu verzeichnen, außer den punktuellen Erleichterungen bei der LNG-Infrastruktur und der Bundeswehrbeschaffung aus dem Frühjahr. Ob diese Regelungen viel bringen und ob sie als Vorbild auch für die sonstige Energie- und Verkehrsinfrastruktur taugen, ist alles andere als sicher.

Zu begrüßen ist immerhin der in den beiden Beschleunigungsgesetzen geregelte Verzicht auf die Pflicht zur Auftragsvergabe in Einzellosen. Hierbei handelt es sich um ein traditionelles Instrument der deutschen Mittelstandsförderung. Es verpflichtet die öffentliche Hand, Großaufträge nicht einem einzelnen Unternehmen oder Konsortium zu übertragen, das sich um alles weitere kümmert, sondern jeden Auftrag in kleine mittelstandsfreundliche Päckchen zu teilen. Um die Koordination der (oft zahlreichen) Einzel-Auftragnehmer muss sich der Auftraggeber dann selbst kümmern. Wohin das führt, konnte man bei der unendlichen Geschichte des Berliner Flughafenbaus sehen.

Den alten Zopf der Einzellos-Vergabe abzuschneiden, würde auch den Ausbau der Energie- und Verkehrsinfrastruktur erleichtern. Die Sorge, der Mittelstand würde dabei auf der Strecke bleiben, ist unbegründet. Denn auch Generalunternehmer setzen bei der Projektrealisierung auf den Mittelstand, der dann als Subunternehmer zum Zuge kommt.

Mehr Personal und Ressourcen sind nötig

Ob die weiteren Vorschläge, die bisher auf dem Tisch liegen, auch für den Bereich Energie- und Verkehrsinfrastruktur taugen und ein echter Schritt voran sind, scheint dagegen fraglich. Für LNG-Terminals und die Bundeswehrbeschaffung gab der Ukraine-Krieg dem Gesetzgeber die Möglichkeit, eine besondere Dringlichkeit zu konstatieren, die auch EU-rechtlich die Abkürzung von Verfahren und Fristen erlaubt. Der Clou dieser Ausnahmen ist jedoch, dass die Dringlichkeit – das verlangt das EU-Recht – dem Auftraggeber nicht zuzurechnen sein darf.

Der Infrastrukturstrukturausbau ist jedoch vor allem deshalb eilig, weil er über viele Jahre nur zögerlich betrieben und vor allem die Erneuerung maroder Straßen und Brücken lange versäumt wurde. Dass dies ein unverschuldetes Unglück ist, das Ausnahmen von den EU-Vergaberegeln gestattet, lässt sich kaum begründen und schon gar nicht einfach gesetzlich dekretieren.

Auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe liegen die Hürden für eine zügige Beschaffung weniger in den Verfahrensregeln oder dem Rechtsschutz. Diese Regeln sind zum großen Teil EU-rechtlich vorgegeben, sodass der deutsche Gesetzgeber nur wenig Spielraum hat. Zu einem fairen Verfahren gehören außerdem nun einmal Wettbewerb, angemessene Fristen und die Möglichkeit der rechtlichen Überprüfung. Die dafür geltenden Fristen sind bereits vergleichsweise kurz.

Handlungsbedarf besteht insoweit allenfalls bei den Vergabekammern einiger Länder, die für die Nachprüfung zuständig sind und dafür – auch aufgrund schlechter Personalausstattung – oft länger brauchen als die gesetzlich vorgegebenen fünf Wochen. Auch bei der Überprüfung von Vergabekammer-Entscheidungen durch die Oberlandesgerichte wäre eine (weitere) Priorisierung und Beschleunigung der Verfahren hilfreich. Auch eine Konzentration der Nachprüfung wichtiger Vorhaben direkt bei den Oberlandesgerichten könnte zur Beschleunigung beitragen.

Zu wenig Dialog mit den Anbietern

Eigentlicher Bremsklotz bei der Beschaffung sind – ähnlich wie bei der Planung und Genehmigung – die verwaltungsinternen Abläufe. Die Vorbereitung und Durchführung komplexer Vergaben leiden regelmäßig unter langwierigen Abstimmungsprozessen zwischen den internen Stakeholdern – Bedarfsträger, Fachseite, Personalvertretung, Vergabestelle, Politik und vieles mehr. Ein echter Dialog mit den Anbietern findet dagegen zu wenig statt. Eine stärkere Professionalisierung der Beschaffungsprozesse, eine Stärkung der personellen und fachlichen Ressourcen der Auftraggeberseite und ein intensiverer Austausch mit den Anbietern würden deutlich mehr zur Beschleunigung der öffentlichen Beschaffung beitragen als punktuelle Verfahrenserleichterungen.

Für Unternehmen, die im Infrastrukturausbau tätig sind, ob am Bau, in der Energieversorgung oder in der IT, werden die Auftragsbücher voraussichtlich so oder so gut gefüllt bleiben. Sie müssen sich nur auf wenige Verfahrensänderungen einstellen. Wann die aktuellen Beschleunigungsvorhaben auch für die Teile der Wirtschaft Früchte tragen werden, die auf eine stabile Energieversorgung und schnelle Verkehrswege angewiesen sind, bleibt abzuwarten.

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