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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte So verändert Corona die urbane Mobilität

Erdem Ovacik, Gründer und CEO von Donkey Republic
Erdem Ovacik, Gründer und CEO von Donkey Republic Foto: Erdem Ovacik

Die Pandemie hat in den Städten die Verkehrswende beschleunigt, das Fahrrad gewinnt an Bedeutung. Um dauerhaft mehr Menschen zum Radfahren zu bewegen, braucht es aber mehr als Pop-Up-Radwege. Auch das Bikesharing muss stärker in den Mobility-Mix integriert und mit dem Nahverkehr vernetzt werden, schreibt Erdem Ovacik, Gründer von Donkey Republic.

von Erdem Ovacik

veröffentlicht am 28.07.2020

aktualisiert am 29.07.2020

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Vielleicht gelingt gerade der Corona-Pandemie, was jahrelangen politischen Bemühungen wie dem eigentlich wegweisenden Berliner Mobilitätsgesetz nicht vergönnt war: die Verkehrswende mit großen Schritten und unwiderruflich voranzutreiben.

Plötzlich scheint vieles möglich: Fußgänger und Radfahrer reklamierten die leeren Straßen für sich. Das Fahrrad erlebte und erlebt einen ungeahnten Boom und löste kurzzeitig sogar das Auto als am meisten genutztes Verkehrsmittel ab. Fast wöchentlich entstanden neue Pop-up-Radwege. Aus der autogerechten Stadt wurde – wenn auch zunächst nur vorübergehend – in Rekordgeschwindigkeit eine, die den Bedürfnissen aller Verkehrsteilnehmer deutlich besser entspricht.

Auch wenn so mancher noch die Rückkehr zur „alten Normalität“ erträumt, wenn die Pandemie vorüber ist – eines muss klar sein: Ein Zurück wird und darf es nicht geben. Eine Stadt mit weniger Autos ist menschenfreundlicher. Raum für Fußgänger und Radfahrer, ein Ende des Primats des Autoverkehrs: Nicht nur Berlin hat erlebt, wie eine Stadt aussehen kann, in der nicht mehr ein Verkehrsmittel alle anderen dominiert und die Bürger werden es nicht erlauben, zum alten Status quo zurückkehren. 

Einzelfahrscheine und Abos auch für das Fahrrad

Zum Beispiel die verbesserte Rad-Infrastruktur: Sie wird bleiben. Die meisten, wenn nicht alle Pop-up-Radwege werden zu permanenten Einrichtungen werden. Die Pandemie hat die Vorteile des Radfahrens in den Mittelpunkt gerückt, die Notwendigkeit einer radgerechteren Stadt greifbar gemacht und gezeigt, wie es gehen kann. Der Radverkehr wird daher seine gewachsene Bedeutung behalten und auf absehbare Zeit auf kürzeren Strecken eine ernsthafte Alternative zum ÖPNV darstellen. 

Das bedeutet auch, dass der Zugang zum Fahrrad einfacher werden muss. Wenn es eine Alternative und Ergänzung zu Bus oder Bahn sein soll, muss es sich ähnlich spontan und flexibel nutzen lassen. Dabei wird Bikesharing eine zunehmende Rolle spielen, ermöglicht es doch, Fahrräder ähnlich kurzentschlossen zu nutzen wie öffentliche Verkehrsmittel. 

Das bedeutet aber, dass sich auch das Bikesharing verändern muss. Mehr Wahlfreiheit ist vonnöten und eine Anpassung an ein Nutzungsverhalten, das dem öffentlicher Verkehrsmittel näher kommt. Ähnlich wie beim ÖPNV muss es daher künftig möglich sein, „Einzelfahrscheine“ und „Abos“ zu buchen – je nachdem, ob man das Rad für eine einmalige Fahrt oder regelmäßig braucht. Und vielleicht will man ja auch nur in den wärmeren Monaten per Rad pendeln. Da lohnt sich ein gut gewartetes Leasing-Rad womöglich mehr als die Investition in ein eigenes. 

Es wird daher sicher auch einen Trend geben hin zu längeren Mietzeiten. Es muss einfacher werden, geteilte Räder über einen längeren Zeitraum zu behalten und zu nutzen, beispielsweise durch die Kombination von Leasing- und Sharing-Modellen. Bloßes Mieten für einzelne Fahrten löst für viele nicht die Aufgaben, die sie an innerstädtische Mobilität stellen. Auch E-Bikes werden an Bedeutung gewinnen. Die Menschen wünschen sich auch für mittellange Strecken eine gesündere und umweltfreundlichere Alternative zum Auto. Diese Funktion können E-Bikes erfüllen. 

Das Fahrrad ergänzt Bus und Bahn im Nahverker

Überhaupt werden wir in Folge der Pandemie mehr Integration unterschiedlicher Verkehrsträger erleben. Mit dem Rad zum Bahnhof, weiter via S-Bahn oder per ÖPNV in die Stadt und schließlich „die letzte Meile“ per Bikesharing zur Arbeit: Gerade für Pendler sind neue, flexiblere Formen der Mobilität gefragt. Das heißt aber nicht nur, dass Sharing-Angebote, wie oben beschrieben, ähnlich nutzbar sein müssen wie der ÖPNV, sondern dass man sie auch ähnlich und in Verbindung mit dem ÖPNV buchen kann. So wird Bikesharing auch auf anderen Plattformen angeboten werden – perspektivisch muss es dann auch kombinierte Ticketangebote geben. Shared Mobility wird so zunehmend zu einem Partner und einer Ergänzung des ÖPNV.

Eins ist klar: Corona hat die innerstädtische Mobilität verändert und die Verkehrswende beschleunigt. Dieser Wandel wird von Dauer sein. In dieser neuen Mobilitätswelt spielt das Fahrrad eine wesentliche Rolle. Im Mittelpunkt stehen zukünftig die Mobilitätsbedürfnisse. Um diese zu erfüllen, sind flexible Modelle gefragt, welche die alten Trennlinien zwischen den unterschiedlichen Mobilitätskonzepten aufheben. Hier wird geteilter Mobilität eine besondere Bedeutung zukommen.

Erdem Ovacik hat den dänischen Bikesharing-Anbieter Donkey Republic gegründet und ist dort CEO. Das Unternehmen ist in 13 europäischen Ländern vertreten, darunter Deutschland.

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