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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Warum das Potenzial von Biokraftstoffen begrenzt ist

Horst Fehrenbach, Fachbereichsleiter Ressourcen, Biomasse und Ernährung am Ifeu-Institut
Horst Fehrenbach, Fachbereichsleiter Ressourcen, Biomasse und Ernährung am Ifeu-Institut Foto: privat

Der Anteil von Biokraftstoffen am Energiemix wird sich auch künftig in Grenzen halten, schreibt Horst Fehrenbach vom Ifeu-Institut. Im Gastbeitrag erläutert er, warum eine Steigerung der aktuellen Anteile nicht ohne Weiteres möglich ist und wie sich der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr stattdessen erhöhen lässt.

von Horst Fehrenbach

veröffentlicht am 10.12.2020

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Biokraftstoffe sind ein seit längerer Zeit etablierter Bestandteil des Kraftstoffbereichs. Dabei handelt es sich bislang vorwiegend um Biodiesel und Bioethanol auf Basis von Nahrungs- und Futtermitteln. Für den Kraftstoffmarkt in Deutschland spielen dabei Rapsöl, Palmöl und Getreide die größte Rolle.

Obwohl in Deutschland sieben Prozent der Ackerfläche der Biokraftstoffproduktion dienen, importieren wir den größten Teil unseres Biosprits – Bioethanol fast komplett, Palmöl sowieso und sogar Rapsdiesel. Bereits neun Prozent der Weltgetreideernte fließen in die Produktion von Biokraftstoffen. Dies wirft ein Licht darauf, dass eine weitere Steigerung des Anteils an Biokraftstoffen in Deutschland auf der Basis von noch mehr Importen kein nachhaltiger Ansatz sein kann.

Biokraftstoffe aus altem Speiseöl

Ebenso wenig wäre es jedoch die Steigerung des heimischen Anteils. Erhöht man hier den Energiepflanzenanteil weiter zuungunsten von Nahrungsmittel- und Futterpflanzen, müssen diese eben vermehrt importiert werden, produziert auf neuen Anbauflächen, unter Rodung von Primärwäldern. Als indirekte Landnutzungsänderung (iLUC) wird diese Problematik bezeichnet. Fläche ist weltweit ein knappes Gut, und die Nahrungsmittelproduktion muss für die weiter wachsende Weltbevölkerung unumstrittenen Vorrang haben.

Eine Antwort darauf heißt: Mehr Biokraftstoffe auf der Basis von Reststoffen und Abfällen. Tatsächlich basiert bereits ein Drittel des Biodiesels in Deutschland auf gebrauchtem Speiseöl. Es ist sinnvoll, diese Ressource hochwertig zu nutzen. Auch in Deutschland gibt es auch noch Potenziale für die weitere Sammlung von Altspeiseöl, die bislang noch durch das Abwassersystem entsorgt werden. Faktisch aber stammt das, was in Deutschland an Biodiesel aus Altspeiseölen eingesetzt wird, überwiegend aus dem Ausland, vor allem aus China, Indonesien, Malaysia und Polen.

Das wäre an sich nicht problematisch, gäbe es keine sinnvolle Verwendung der Altspeiseöle in den Herkunftsländern. Problematisch ist vor allem aber, dass der Handelspreis für Altspeiseöl seit einiger Zeit deutlich über dem von Palmöl liegt. Es ist für die Herkunftsländer natürlich weitaus attraktiver, das Altspeiseöl an zahlungsbereite Abnehmer zu exportieren und den eigenen Bedarf durch frisches Palmöl zu decken. Treibhausgasemissionen werden auf diesem Wege nicht vermieden.

Die Rolle der Elektromobilität 

Die eigentlichen „fortschrittlichen Biokraftstoffe“ werden aus solchen Reststoffen und Abfällen gemacht, die weniger attraktiv sind und vergleichsweise aufwendige Technologien zur Erzeugung von Kraftstoffen benötigen. So wird beispielsweise aus Stroh durch konventionelle Vergärung kaum Bioethanol oder Biogas gewonnen. Die wird möglich durch biotechnische Behandlung mit gezieltem Einsatz von Enzymen. Erste Anlagen setzen das bereits im großtechnischen Maßstab um. Aber noch sind die produzierten Mengen klein. Sie machen etwa ein Prozent am Biokraftstoff in Deutschland aus oder anders ausgedrückt: 0,06 Prozent am Energieverbrauch im deutschen Straßen und Schienenverkehr. Nach der europäischen Rechtslage muss dieser Anteil bis 2030 auf mindestens 1,75 Prozent gesteigert werden.

Mit großen Anstrengungen dürfte das erreichbar sein, aber deutlich mehr ist kaum zu erwarten. Dabei muss man in Betracht ziehen, dass nicht nur die Kraftstoffseite auf diese Reststoffe und deren Energienutzung schaut. Aus Biogas und Biomethan werden heute fast ausschließlich Strom und Wärme erzeugt. Auch wenn die Förderung von Biogas über das EEG demnächst ausläuft, besteht insbesondere im Wärmebereich auch künftig großer Bedarf an erneuerbaren Quellen. Und das Stroh oder die Gülle lässt sich eben nur einmal nutzen.

Zusammenfassend: Biokraftstoffe werden auch künftig ihren Anteil im Energiemix für den Verkehr einnehmen. Aber dieser wird sich in Grenzen halten. Eine Steigerung der aktuellen Anteile zwischen insgesamt fünf bis sechs Prozent wird jedoch schwerlich unter Nachhaltigkeitsansprüchen möglich sein. Eine Steigerung bei den Biokraftstoffen auf Basis von Nahrungs- und Futtermitteln (im Jahr 2019 waren es knapp vier Prozent) ist verbunden mit den Risiken der globalen Konkurrenz um Anbaufläche. Biokraftstoff aus gebrauchtem Speiseöl hat bereits einen hohen Anteil. Eine Steigerung wäre hauptsächlich verbunden mit weiteren Importen, verbunden mit sehr fraglichem Nutzen.

Die Produktion der „fortschrittlichen Biokraftstoffe“ ließe sich erheblich steigern – in einem begrenzten Rahmen. Die Europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie gab im Jahr 2009 eine Zielquote von zehn Prozent am Endenergieverbrauch des Verkehrs für das Jahr 2020 vor. Die Biokraftstoffe liegen heute deutlich unter diesem Wert und werden da auch künftig bleiben. Die Neufassung dieser Richtlinie steigert die Quote nun auf 14 Prozent, zu deren Erfüllung jedoch abfall- und reststoffbasierte Biokraftstoffe doppelt angerechnet werden dürfen. Den großen Anteil zur Erfüllung dieser Quote wird aber voraussichtlich der Ausbau der E-Mobilität erbringen – und erbringen müssen.

Horst Fehrenbach nimmt heute gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Marie-Luise Dött (CDU), VDB-Präsident Stefan Schreiber und ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze an der ADAC-Online-Konferenz „E10+X & Biokraftstoffe – Tanken im Einklang mit Mensch, Natur und Klima?“ teil.

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