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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Wie sich der Radverkehr in ländlichen Räumen fördern lässt

Henning Rehbaum, Bundestagsabgeordneter, CDU
Henning Rehbaum, Bundestagsabgeordneter, CDU Foto: Christian Fischer

Viel versprochen, wenig umgesetzt: Die Fahrradpolitik der Ampelkoalition und Verkehrsminister Volker Wissing enttäuschen. Es braucht nicht nur mehr Geld, sondern schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren – etwa durch eine Streichung der Umweltverträglichkeitsprüfung wie in Nordrhein-Westfalen.

von Henning Rehbaum

veröffentlicht am 03.04.2024

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Ob in der Stadt oder auf dem Land: Radfahren macht Spaß und ist gut fürs Klima. Es ist gesund, und vor allem ist das Fahrrad ein praktisches Verkehrsmittel im Alltag. Bei mir im Münsterland gehört das Fahrrad einfach dazu. In anderen ländlichen Regionen sieht das mitunter anders aus, mit viel Potenzial für Klima, Gesundheit und Entlastung der Straßen. 

Weshalb das Radfahren auf dem Land nicht überall verbreitet ist, hat viel mit der Infrastruktur zu tun: Dort, wo es sichere Wege gibt, werden sie auch genutzt. Natürlich spielt auch die Topografie eine Rolle: Bergauf fahren kostet Kraft, lässt sich mittlerweile aber gut mithilfe von E-Bikes und Pedelecs bestreiten. 

Bürgerradwege im Wahlkreis

Ein weiterer, nicht ganz zu unterschätzender Faktor ist die Fahrradkultur. Ob im Münsterland oder in den Niederlanden: Das Fahrrad ist selbstverständlicher Teil der Alltagsmobilität, im guten Miteinander mit Autofahrern und Fußgängern. In gewachsenen Fahrradkulturen findet man keine ideologische Konfrontation: Jeder Autofahrer fährt auch Fahrrad, jeder Radfahrer auch Auto.

Ein tolles lokales Beispiel sind die Bürgerradwege, die in meinem Wahlkreis Warendorf in den letzten Jahren ehrenamtlich entstanden sind: Ehrenamtliche Vereine bauen Radwege – Lückenschlüsse von wenigen hundert Metern bis hin zu fünf Kilometer langen Velorouten an Landesstraßen, 2,5 Meter breit und asphaltiert. Das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) zahlt die Materialkosten.

Bund setzt den Rahmen, Länder schaffen Infrastruktur

Wie kann nun der Bund den Radverkehr in Deutschland fördern? Dazu muss man wissen, dass für die Schaffung von Infrastruktur – also ganz konkret den Radwegebau – die Länder und Kommunen zuständig sind. Der Bund fungiert beim Thema Radverkehr als Impulsgeber und Finanzier, kann dementsprechend neben finanzieller Beteiligung am Radwegebau der Länder auch für gute gesetzliche Rahmenbedingungen sorgen. Die Regierung Merkel hat mit Verkehrsminister Andreas Scheuer diesbezüglich neue Förderprogramme geschaffen.

In beiden Bereichen sehe ich von der Ampelregierung aber kaum Bemühungen. Der Radverkehr scheint für Verkehrsminister Volker Wissing – abgesehen von ein paar warmen Worten zu Beginn seiner Amtszeit – keine Priorität zu haben. Ich nehme darüber hinaus auch nicht wahr, dass die Ampelfraktionen aus SPD, Grünen und FDP ihrem Minister auf die Sprünge helfen oder selbst eine parlamentarische Initiative starten. Gerade von den Grünen, die ihren Wählern mehr Radpolitik versprochen hatten, hätte ich mehr Engagement erwartet. 

Gute Infrastruktur kostet Geld

Wie ließe sich das ändern? Eine sichere Finanzierung ist die Grundlage. Wer mehr Menschen fürs Fahrrad begeistern will, muss für eine gute und sichere Infrastruktur sorgen, und die kostet eben. Seitdem die Ampel regiert und den Bundeshaushalt selbst mitgestalten kann, hat sie die Mittel für den Radverkehr gekürzt. Zwar spricht der Minister immer davon, dass Mittel auch verstetigt wurden, das geschieht aber auf einem geringeren Niveau als noch zu Zeiten der unionsgeführten Regierung. 

Im Vergleich zu 2022 wurden die Mittel für 2023 um knapp 200 Millionen Euro gekürzt, für 2024 ging es noch einmal runter um weitere 140 Millionen Euro. Das entspricht Kürzungen, einem satten Drittel! Das besonders beliebte Programm „Stadt & Land“, von dem vor allem Kommunen beim Radwegebau vor Ort Gebrauch machen, wurde um 30 Prozent reduziert. Geld, das die Gemeinden und Städte gut für den Radwegebau hätten gebrauchen können. 

Angesichts der engen finanziellen Lage, in die sich die Bundesregierung selbst hineinmanövriert hat, befürchte ich keine großen Aufwüchse für das Jahr 2025. Hinter den Rekordinvestitionen der Vorgängerregierung bleibt die Ampel weit zurück.

Umweltverträglichkeitsprüfung streichen

Neben Geld braucht es aber auch schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren für Radwege und Abstellanlagen. Hier könnte man beispielsweise auf die jahrelange Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verzichten. Radverkehr ist aus meiner Sicht keine Gefahr für die Umwelt, Radverkehr ist gelebter Umweltschutz! 

So machen wir das in NRW schon seit 2021 und sparen damit Zeit und Geld. Es ist gut, dass die Ampel unsere Idee in ihr Gesetzespaket für Planungs- und Beschleunigung im Bau von Infrastruktur aufgenommen hat. Und auch die Streichung eines Planfeststellungsverfahrens wäre eine Idee zur Beschleunigung des Radschnellwegbaus. 

Zudem könnte man den Grunderwerb erleichtern, der sich heute oft über Jahre zieht. Denn die Flächen, auf denen Radwege entstehen sollen, müssen von Land oder Kommunen oft erstmal gekauft werden. Hier kann man auch mit Erbpachtmodellen arbeiten.

Lustlose Verwaltung des Status Quo

Blicken wir nun auf die regulatorischen Impulse zur Förderung des Radverkehrs: Ebenfalls aus der Ära Merkel stammt der Nationale Radverkehrsplan (NRVP) 3.0 – ein wahrer Masterplan zur Stärkung des Radverkehrs. Erarbeitet wurde er unter Regie des damals unionsgeführten Bundesverkehrsministeriums zusammen mit Ländern, Verbänden und Bürgerinnen und Bürgern. 

Vorgestellt im April 2021 enthält er einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, den es umzusetzen gilt. Seitdem sind drei Jahre vergangen, und von einer aktiven Umsetzung merken wir leider nichts. In einigen parlamentarischen Anfragen habe ich mich beim Bundesverkehrsministerium nach dem Stand der Umsetzung erkundigt. 

Die vertröstende Antwort war immer wieder: „Das geben wir in einer Zwischenevaluation im Jahr 2025 bekannt.“ Immerhin: Das Ministerium führt die von der Vorgängerregierung ins Leben gerufenen Programme und Projekte weiter – wenn auch auf einem geringeren Förderniveau. Diese lustlose Verwaltung des Bestehenden ist ein trauriges Zeugnis der selbsternannten Fortschrittskoalition.

Ampel muss ins Handeln kommen

Es bedarf einer beherzten und ernsthaften Umsetzung des NRVP und eine ordentliche Unterstützung der Länder für den Bau von Radwegen und Abstellanlagen. In einem Antrag haben wir als CDU/CSU genau das von der Regierung gefordert und damit – bisher als einzige Fraktion – das Thema Radverkehr ins Parlament gebracht. 

Seit 2022 hängt der Antrag im parlamentarischen Verfahren fest. Im September 2023 haben wir eine große Fraktionskonferenz zum Thema Radverkehrsinfrastruktur mit über 100 Teilnehmern veranstaltet. Die Stimmen aus der Fahrradbranche waren eindeutig: Wollen SPD, FDP und Grüne beim Thema Radverkehr noch ernst genommen werden, muss die Ampel endlich ins Handeln kommen!  

Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt für mich der Parlamentskreis Fahrrad. Mit engagierten Kolleginnen und Kollegen setzen wir uns hier mit vereinten Kräften für das Fahrrad ein. Denn: Ein bisschen mehr im Team arbeiten – das tut der Politik auch mal ganz gut. Wenn schon keine Einigkeit für guten Radverkehr in der Koalition, dann wenigstens im überparteilichen Parlamentskreis Fahrrad!

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