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Agrar & Ernährung

Standpunkte Bundeswaldgesetz reformieren, warum eigentlich?!

Carsten Merforth, Sprecher der AG Rohholz im Hauptverband der Deutschen Holzindustrie
Carsten Merforth, Sprecher der AG Rohholz im Hauptverband der Deutschen Holzindustrie

Es ist still geworden um die geplante Novelle des Bundeswaldgesetzes. Seit einem Vierteljahr dringt aus dem BMEL nichts Neues. Ein dritter Entwurf soll wohl aber fast fertig sein. Carsten Merforth, Sprecher der AG Rohholz, hält das Vorhaben hingegen für unnötig, gar grenzüberschreitend. Die drängenden Probleme in Wald und Forstwirtschaft müssen anders gelöst werden, schreibt er.

von Carsten Merforth

veröffentlicht am 15.04.2024

aktualisiert am 23.04.2024

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Am Anfang jeder Gesetzesnovelle steht die Frage nach der Notwendigkeit. Warum soll das Gesetz zum Erhalt des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft – das Bundeswaldgesetz (BWaldG) von 1975 – nicht mehr geeignet sein, den aktuellen Herausforderungen im Wald gerecht zu werden?

Zweck des Gesetzes ist nach wie vor: Die Nutzung ebenso wie den Erhalt, den Schutz- und die Erholungsfunktion des Waldes sicherstellen. Zudem soll die Forstwirtschaft gefördert werden, wie es im Gesetzestext nachzulesen ist. Das sind weiterhin vernünftige, aktuelle Vorgaben, die jetzigen Erfordernissen im Zeichen des Klimawandels gerecht werden.

Positive Bilanz

Das gilt umso mehr, als die Bilanz des Waldes – nicht zuletzt aus umweltpolitischer Sicht – nun wirklich nicht das Problem ist. Zu dieser Bilanz gehören: Eine stetig wachsende Waldfläche, mehr Vorräte an lebendem und totem Holz, eine positive Entwicklung der Biodiversität im Wald, mehr Laubwald, mehr Mischwald, mehr ältere Bäume. Diese vor allem ökologische Verbesserung des Ökosystems Wald hat sich mit dem angeblich veralteten Bundeswaldgesetz vollzogen.

Neben den wirkungsvollen Vorgaben des Bundeswaldgesetzes kommen ambitionierte Waldumbauprogramme der Bundesländer und eine naturnähere Bewirtschaftung der Wälder hinzu, die seit Jahrzehnten auf mehr Mischwald und mehr Strukturen setzt. Genau das richtige Rezept für klimaresiliente Wälder! Auch die fast flächendeckende Zertifizierung nachhaltiger Forstwirtschaft mag ihren Beitrag geleistet haben.

Es droht eine Grenzüberschreitung

Trotz dieser Erfolge strebt die Bundesregierung, beziehungsweise streben die von den Grünen geführten Bundesministerien, mit der schon im Koalitionsvertrag angekündigten Novelle eine radikale Kursänderung an. Mit der von der Regierung jetzt für die zweite Hälfte der Wahlperiode anvisierten Novelle zeichnet sich eine Zielrichtung ab, die Grenzen überschreitet: Es werden klassische waldpolitische mit naturschutzfachlichen Belangen vermengt.

Es ist für uns daher absolut nachvollziehbar, dass nicht nur die Waldbesitzerverbände von der Bundesregierung und von den Koalitionsfraktionen eine bessere Erklärung fordern. Die Bundesregierung hat es bislang versäumt, die Notwendigkeit einer Novellierung des Bundeswaldgesetzes zufriedenstellend zu begründen. Drei dürre Sätze zur Novelle im Koalitionsvertrag, die auf die Klimaschäden im deutschen Wald abheben, reichen nicht.

Mit oder ohne Novelle des Bundeswaldgesetzes: Der Klimawandel schreitet in vielen Regionen schneller voran als der Umbau unserer Wälder hin zu klimastabilen Beständen. Auf 95.000 Hektar pro Jahr müssten die deutschen Waldbesitzer die Waldumbaufläche vervierfachen, schätzt das Thünen-Institut. Eine Mammutaufgabe, die ohne ausreichend finanzielle Mittel und Arbeitskräfte kaum zu leisten ist. Kann es ein Bundeswaldgesetz richten, das nach bisher bekannt gewordenen Planungen droht, zwei Millionen Waldbesitzern die Eigentumsrechte zu beschneiden und Flexibilität im betrieblichen Handeln zu nehmen? Wohl kaum.

Gerade angesichts der Erfordernisse des Waldumbaus benötigen die Waldbesitzer Flexibilität im Management statt dirigistischer Auflagen und neuer bürokratischer Lasten. Das betrifft eben auch die Holzindustrie und die Bereitstellung des nachwachsenden, klimafreundlichen Rohstoffes Nummer eins. Denn die Bereitstellung des Kohlenstoff speichernden Rohstoffs Holz ist vom Klimawandel natürlich ebenso tangiert wie das Waldmanagement.

Die Arbeitsgemeinschaft Rohholz (AGR) setzt sich daher seit langem für ein besseres Krisenmanagement bei Waldschäden ein. Mehr als ein Viertel der deutschen Waldfläche befindet sich auf Risikostandorten.

Fehlende Fortschritte beim Kalamitätsmanagement

Umso alarmierender ist es, dass beim Kalamitätsmanagement in den vergangenen Jahren keine Fortschritte erzielt worden sind. So fehlt es weiterhin an einem einheitlichen Schadensmonitoring. Es gibt immer noch keine Bund-Länder-Koordination für schnelle Genehmigungen für eine befristete Erhöhung zulässiger Transportgewichte, keine strategische Planung für Bahnverladestationen im ländlichen Raum und erst recht keine beschleunigten Verfahren zur Einrichtung von Nass- und Trockenlagern zum Erhalt der Holzqualität.

Das Ergebnis dieser Regelungslücken ist ein hoher Abfluss des heimischen Rohholzes: Allein 2019 bis 2022 wurden 16 Millionen Kubikmeter Holz mehr exportiert als importiert – eine Menge, die dem Holzbedarf für den Bau von rund 200.000 Wohnungen entspricht.

AGR fordert Einrichtung von Präventions- und Krisenstab

Hier, und nicht bei neuen dirigistischen Naturschutzvorgaben, besteht daher dringender Handlungsbedarf. Die AGR fordert deshalb die Einrichtung eines bundesweiten Präventions- und Krisenstabs aus Bundesministerien, Forstbehörden der Länder, der Forstwirtschaft, der Forstunternehmer und des Transportgewerbes sowie der Industrie. Die Arbeitsgruppe soll dann Empfehlungen für gesetzliche Maßnahmen vorlegen und konkrete Programme anstoßen.

Neben dem viel diskutierten Waldumbau dürfen wir den Waldbestand und die dort vorhandenen Risiken nicht aus den Augen verlieren. Insektenschädlinge, Stürme, Schneebruch und Dürren: Alle Experten sagen uns, dass wir davon in Zukunft im Wald deutlich mehr sehen werden. Es wäre fahrlässig, sich nicht jetzt darauf einzustellen. Dazu benötigen wir die Fachleute des privaten und staatlichen Waldbesitzes ebenso wie die Erfahrung der Holzindustrie.

Dass wir für den Wald der Zukunft ohne eine Novelle des Bundeswaldgesetzes auskommen, dafür gibt der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Waldpolitik einen Fingerzeig. Der Beirat hatte vor gut einem Jahr die Entwicklung des Konzepts einer „anpassungsfähigen forstlichen Governance“ vorgelegt, um damit auf die regional sehr unterschiedlichen Anforderungen an die Waldbewirtschaftung einzugehen.

Dieses Konzept sieht keine Definition von Mindeststandards guter fachlicher Praxis im Bundeswaldgesetz vor, sondern ergänzt bisherige Gesetzesregelungen um sinnvolle Förderinstrumente, etwa zur strukturellen Stärkung forstlicher Zusammenschlüsse. Das ist ein richtiger, flexibel an die Erfordernisse vor Ort ausgerichteter Ansatz, um auf die regional und je nach Waldökosystem sehr unterschiedlichen Auswirkungen des Klimawandels effektiv reagieren zu können.

Redaktioneller Hinweis: Am 23.04. wurde eine Formulierung im letzten Absatz konkretisiert, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: Mit Bezug auf das Gutachten Mehr als 'Gute fachliche Praxis'“ des BMEL-Beirats für Waldpolitik hatte es zuvor geheißen, das dort dargelegte Governance-Konzept sehe „keine Definition von Mindeststandards im Waldgesetz“ vor. Ein ergänzender Verweis begrenzt diese Beobachtung entsprechend der Intention des Verfassers nun explizit auf die 'Gute fachliche Praxis'.

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