Der Holzbau ist auf dem Vormarsch. Das scheint klar zu sein, betrachtet man die vielen Leuchtturmprojekte, die landauf, landab immer neue Rekorde verheißen: höher, größer, anspruchsvoller. Die Richtung steht fest und auch die Bundesregierung hat die Zeichen der Zeit erkannt. Im Juni vergangenen Jahres hat sie die Holzbauinitiative zur Stärkung des Holzbaus als einen wichtigen Beitrag für ein klimagerechtes und ressourceneffizientes Bauen verabschiedet.
Im Gebäudebereich schien damit eine Zeitenwende angebrochen. Doch ein Jahr nach Verabschiedung ist die erste Euphorie der Erkenntnis gewichen, dass noch viele Steine im Weg liegen, wenn es darum geht, den Holzbau in der Breite der Gesellschaft zu verankern.
Holz hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem traditionellen Werkstoff zu einem Hightech-Material entwickelt, dessen einzigartige Eigenschaften es als Baustoff der Zukunft prädestinieren. Leicht, hochbelastbar und einfach zu verarbeiten, überzeugt der nachwachsende Rohstoff nicht nur aus technischer Sicht, sondern vor allem als natürlicher CO2-Speicher. Denn der Gebäudebereich hat in Sachen Klimaschutz besonders hohen Nachholbedarf. Nicht nur im Neubau, sondern auch mit Blick auf den eklatanten Sanierungsstau des Gebäudebestands.
Gebäudesektor hinkt bei Klimazielen hinterher
Etwa 40 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen lassen sich auf den Bau und die Nutzung von Gebäuden zurückführen. Dennoch fällt der Sektor Jahr für Jahr bei den Klimazielen durch. Die aktuellen Projektionen verweisen für 2030 auf eine Erfüllungslücke von 32 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Schlechter steht nur der Verkehrssektor da.
Als etablierte Technologie mit bewährten Anwendungen bedarf der Holzbau keiner anschiebenden Forschungs- oder Entwicklungsinvestitionen. Er kann unabhängig von kritischen Lieferketten, auf Basis heimischer Rohstoffe und regionaler Wertschöpfung Antworten auf die Klima- und Wohnungskrise geben. Die Holzbauinitiative setzt dafür durchaus die richtigen Weichen. Sie bietet die einmalige Chance, die Transformation im Gebäudebereich als nachhaltige Lösung für den akuten Wohnraummangel zu nutzen.
Schon mehr als 500.000 Hektar müssen wiederbewaldet werden
Leider fehlt es bisher an der notwendigen Entschlossenheit, mit der in anderen Bereichen Veränderungsprozesse angestoßen werden. Dabei drängt die Zeit. Denn der Klimawandel hinterlässt auch im Wald immer deutlichere Spuren. Die kürzliche Veröffentlichung der Waldzustandserhebung lässt in diesem Jahr keine Zweifel mehr offen: Egal ob Nadel- oder Laubbäume, die Hitze und Trockenheit der letzten Jahre setzen dem Wald auch nach dem nassen Winter erheblich zu und die Schäden wachsen rasant. Nur noch jeder fünfte Baum ist vollständig gesund und die wiederzubewaldende Fläche beläuft sich inzwischen auf mehr als 500.000 Hektar.
Die Lösung für das Problem ist weithin bekannt: Die Flächen müssen aufgeforstet und jährlich rund 100.000 Hektar Wald klimaresilient umgebaut werden. Doch der Waldumbau schreitet zu langsam voran und wird von den Wetterextremen überholt.
Da in den nächsten Jahren im Zuge des Waldumbaus und der Waldschäden die für den Holzbau wichtigen Nadelhölzer in großen Mengen anfallen werden, ist die Holzbauinitiative der Bundesregierung ein wichtiges Signal und ein dringend notwendiges Bekenntnis zur heimischen Holznutzung. Dennoch ist sie weder mit konkreten Maßnahmen noch finanziellen Mitteln unterlegt. In Zeiten knapper Kassen sollte die Politik also kritisch hinterfragen, ob sie beim Einsatz von Geldern die richtigen Prioritäten setzt und ob die Initiative ohne Mittelausstattung nicht weit unter ihren Möglichkeiten bleibt.
Hohe Regelungsdichte bremst Holzbau aus
Der einfachste Weg, das zu vermeiden, liegt im Abbau von regulatorischen Hemmnissen, die den Holzbau nach wie vor benachteiligen. Besonders hohe Hürden werden ihm im mehrgeschossigen Bereich in den Weg gelegt, wo er eigentlich seine Stärken durch geringes Gewicht und hohen Vorfertigungsgrad für die Aufstockung und Nachverdichtung in Ballungsgebieten ausspielen könnte.
Die Hemmnisse umfassen den Ausschluss ganzer Bauweisen, wie der Holztafelbauweise im Hochhausbereich. Hinzu kommen zeit- und kostenintensive Verwendbarkeitsnachweise und Sondergenehmigungen für einzelne Bauteile oder Vorgaben an die Innenraumlauft, die vor 30 Jahren im Zusammenhang mit anderen Baustandards erarbeitet wurden.
Damit hinken die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland der Realität hinterher. Das zeigt auch ein Blick zu unseren Nachbarn nach Skandinavien, wo auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Praxis die Möglichkeiten des Holzbaus ausgeschöpft werden.
Auch in Deutschland könnten ganz ohne finanzielle Aufwendungen durch entsprechende Anpassungen auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Bürokratieaufwand und Baukosten würden reduziert und Investitionen in klimafreundlichen Wohnraum angereizt. Denn oftmals setzen sich klimaschädliche Baustoffe nur deshalb durch, weil zusätzlicher Planungs- und Genehmigungsaufwand den Holzbau künstlich verteuert.
Zu oft finden auch Vorurteile und Fehlinformationen über Dauerhaftigkeit, Brand- und Schallschutz Eingang in die Entscheidung über die Wahl des passenden Baustoffs. Dabei erfüllt Holz alle Voraussetzungen, um vom Einfamilien- bis zum Hochhaus Stahl, Beton und Stein durch eine klimaschonende Alternative zu ersetzen. Mit dem verpflichtenden Einsatz von Holz bei öffentlichen Bauvorhaben könnten Bund, Länder und Kommunen mit gutem Beispiel vorangehen und eine Vorbildfunktion einnehmen, die nicht nur zur Legitimation des Holzbaus, sondern zur Glaubwürdigkeit der eigenen Klimaschutzanstrengungen in der Gesellschaft beiträgt.
Ergänzung des Förderprogramms Klimafreundlicher Neubau nötig
Bei der Energiewende hat die Bundesregierung bereits gezeigt, dass die Ausrichtung auf nachhaltige Technologien Teil einer zukunftsorientierten Klimapolitik ist. Nun ist es an der Zeit, diesen Schritt auch für den Baubereich zu gehen. Denn ohne einen gesetzlichen Rahmen mit einer entsprechenden Förderpolitik werden signifikante Effekte langfristig ausbleiben.
Mit einer Ergänzung des Förderprogramms Klimafreundlicher Neubau ließe sich die Menge des gespeicherten Kohlenstoffs im Holz gezielt fördern. Wird ein Gebäude in Holzbauweise errichtet, sollten nicht nur die Gebäudehülle, sondern auch andere Bauteile wie hölzerne Dachkonstruktionen, Decken, Innenwände, Treppen oder auch Holzfaserdämmstoffe in Höhe der gebundenen Kohlenstoffmenge förderfähig sein. Die Klimawirkung würde so zu einem entscheidenden Investitionskriterium.
Die Bauwende ist greifbar und mit ihr eine klimafreundliche Lösung für den wachsenden Wohnraumbedarf. Für die Umsetzung liegen zahlreiche weitere Vorschläge auf dem Tisch. Nun liegt es bei der Politik, entschlossen voranzuschreiten und mit Holz die Zukunft zu gestalten.
Dr. Stephan Lang ist seit November 2023 Präsident des Bundesverbands der Deutschen Säge- und Holzindustrie. Er ist Vorstand der Rettenmeier Holding AG.