Dem geplanten Abbau klimaschädlicher Subventionen wie der Agrardieselvergütung folgen in den kommenden Monaten schon absehbar weitere wichtige Gesetze wie das Düngegesetz. Bereits die große Koalition hatte Brüssel versprochen, mit einem neuen Düngegesetz endlich – nach jahrzehntelanger Verspätung – die EU-Nitratrichtlinie umzusetzen. Nach Treu und Glauben hatte Brüssel von Strafzahlungen in Millionenhöhe abgesehen, die Deutschland wegen Nichtumsetzung des EU-Wasserschutzes vor Nitrateinträgen aus der Landwirtschaft drohten.
Das derzeitige grüne Landwirtschaftsministerium hat daraufhin einen Vorschlag für eine Nachbesserung des Düngegesetzes erarbeitet, der hauptsächlich darauf abzielt, EU-Rechtskonformität herzustellen und Nitrat-Stoffströme besser zu erfassen. Schon jetzt fertigen die allermeisten Bauernhöfe eine Stoffstrombilanz auf einzelbetrieblicher Ebene an. Diese soll verfeinert werden, damit Nährstoffe nicht auf dem Papier verschwinden, aber weiterhin real in der Umwelt als Überdüngung landen und diese schädigen.
Doch das Gesetz kommt nicht voran, obwohl der Bundesrat eine brauchbare Resolution dafür vorgelegt hat. Dieses Zaudern und Zögern – vor allem durch den Koalitionspartner FPD – raubt Agrarbetrieben die unternehmerische Chance, sich auf eine klar beschriebene Zukunft einzustellen und entsprechend zu investieren. Dass die FDP ein planvolles Vorgehen reflexartig blockieren will, führt auch zu dem Frust der Bauern darüber, zwischen gegensätzlichen Anforderungen aufgerieben zu werden. Kommt das Düngegesetz nicht, stehen nicht etwa die Verursacher, sondern alle Bauernhöfe als Wasserverschmutzer der Nation da, die Deutschland zudem teure EU-Strafen einbrocken können.
Bundesregierung oder Gerichte müssen Wasserschutz durchsetzen
Überdüngung zählt zu den Hauptursachen für Wasserbelastungen, Artenrückgang und Todeszonen in der Ostsee, wo Lebewesen ausreichend Sauerstoff fehlt. Ergänzend zur sauberen Nährstoffbilanzierung hatte die vorherige Bundesregierung der EU-Kommission versprochen, eine Verordnung für ein Übersichtsmonitoring auf Bundesebene zu erlassen. Die Dokumentation der Bundesländer bildet einen Flickenteppich, aus dem niemand schlau wurde. Jede EU-Regierung muss aber darlegen können, ob die Düngeregeln im Land gegen Überdüngung tatsächlich wirken oder nicht.
Klar ist allerdings: In Deutschland weist jede sechste Grundwassermessstelle schon seit 2008 einen Nitratwert von mehr als 50 Milligramm Nitrat je Liter Wasser auf, ohne signifikante Verbesserung. Oberhalb dieses Wertes taugt Wasser nicht mehr als Trinkwasser, weil zu viel Nitrat als krebserregend für Menschen gilt und bei Kleinkindern zu Sauerstoffmangel im Blut führen kann.
Das geplante Düngegesetz soll es ermöglichen, verursachergerecht nur die Betriebe zu belangen, die Überschüsse an Gülle und synthetischem Dünger in die Umwelt entlassen. Wer effizient wirtschaftet – wie die meisten Bauernhöfe – kann sich mithilfe der geplanten Regelung selbst einen Persilschein ausstellen, indem er belegt, dass er keine betrieblichen Nitratüberschüsse in die Umwelt entlässt. Das soll auch für Biogasanlagen gelten. Schwierigkeiten haben Betriebe, die in den letzten Jahrzehnten mehr Viehställe gebaut haben als sie Fläche für eine umweltgerechte Gülleausbringung zur Verfügung haben.
Das betrifft allen voran Betriebe in Niedersachsen und NRW, wo vielerorts doppelt so viele Tiere Mist und Gülle hinterlassen wie Äcker und Wiesen Dünger brauchen. Erst kürzlich hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Regierungen dieser beiden Bundesländer zum Erlass strengerer Maßnahmen entlang der Ems verurteilt. Denn sie reißen im Flussgebiet der Ems vielerorts den EU-Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat ohne tragfähige Begründung, örtlich sogar mit steigender Tendenz.
Das Urteil zeigt: Wer zu viel Vieh und zu wenig Fläche hat, etwa in Vechta oder Cloppenburg, kommt mit oder ohne Düngegesetz aus der Nitrat-Reduktionsnummer nicht heraus. Gülleexporte rechnen sich nicht. Bleibt nur, die Tierzahlen zu reduzieren und wieder agrarökologisch sinnvoll an die Fläche zu koppeln.
Abkehr von industrieller Tierhaltung
Die Wut betroffener Betriebe ist indes nachvollziehbar: Bund und Länder haben ihnen in Form von Stallbausubventionen von bis zu 70 Prozent der Investitionssumme geradezu aufgedrängt, Milch und Fleisch im Überfluss zu produzieren. Zugleich verwässerten sie das Düngerecht mit lauter Ausnahmen und Schlupflöchern und ermöglichten so die Überdüngung mit Nitrat und Ammoniak in großem Stil.
Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) predigte Wettbewerbsfähigkeit in globalem Maßstab, obschon dies „Wachsen oder Weichen“ bedeutete und dazu beitrug, dass Milchseen und Fleischberge aus Massentierhaltungen wuchsen – während die gesellschaftliche Akzeptanz für diese immer industriellere Tierhaltung Skandal um Skandal schrumpfte.
Die Überproduktion erlaubte es Schlachthöfen und Molkereien, die Erzeugerpreise in den Keller zu drücken und veranlasste Betriebe, sinkende Erlöse zu kompensieren. Und zwar mit immer mehr Tieren auf engstem Raum, immer mehr Überdüngung und tierquälerischer Hochleistungszucht. Ein Teufelskreis. Die Bauern haben lange brav umgesetzt, was der DBV und die vorherige Regierung gefördert haben – in dem Glauben, die wachsende Weltbevölkerung werde deutsches Schweinefleisch und deutsche Milch eines Tages gut bezahlen.
Damoklesschwerter Tierseuchen und Peak Meat
Doch schon immer hingen über diesem Traum gleich mehrere Damoklesschwerter, die nun herabgefallen sind: Tierseuchen in Deutschland und „Peak Meat“ beim weltweiten Fleischkonsum bedeuten das Aus des Exporttraums der Fleisch- und Milchindustrie. Real bleiben hingegen die Überkapazitäten und damit einhergehend oftmals niedrige Erzeugerpreise.
Da auch in Deutschland der Konsum von Fleisch aus Massentierhaltung im Jahr 2022 um beachtliche 4,2 Kilo auf 52 Kilogramm pro Person gesunken ist – der niedrigste Stand seit Beginn der Erfassung – übertrifft die gesamte Fleischproduktion die heimische Nachfrage um mehr als 24 Prozent. Rechnerisch müssten speziell vom Schweinefleisch 42 Prozent exportiert werden.
Bei Milchprodukten liegt die Überproduktion von Käse bei 27 Prozent und in Deutschland wird rund fünfmal mehr Milchpulver produziert als verbraucht wird. Diese Übermengen drücken auf die Erzeugerpreise. Wie sollen Bäuerinnen und Bauern mit Intensivtierhaltung hier eine Perspektive erkennen? Die Bundesregierung muss den Umbau jetzt planvoll angehen – und die Finanzierung auf feste Beine stellen. Zuverlässige Perspektive bietet nur das neue Gesetz für faire Erzeugerpreise, wie es in Spanien und Frankreich bereits eingeführt ist.
Verändern muss sich vor allem der Basispreis für Fleisch und Milch aus herkömmlichen Haltungsstufen. Dazu sind zwei politische Maßnahmen notwendig: erstens eine Tierwohlabgabe auf Fleisch- und Milchprodukte aus den untersten Haltungsstufen – und auf Nitratüberschüsse. Zweitens ein Gebot kostendeckender Erzeugerpreise, damit Bauernhöfe ihre steigenden Produktionskosten zuverlässig weitergeben können – ganz gleich, ob deren Ursache in steigenden Tierschutzanforderungen, höheren Dieselkosten oder inflationsangepassten Mindestlöhnen besteht.
Reinhild Benning stammt von einem Bauernhof im Münsterland. Sie ist ausgebildete Landwirtin und arbeitet seit 2021 bei der Deutschen Umwelthilfe zu Agrarpolitik, Düngerecht, Antibiotika in der Tierhaltung und fairen Preisen. Benning ist seit 2011 aktiv im Trägerkreis und im Presseteam der Demo „Wir haben es satt!“, die in diesem Jahr am 20. Januar in Berlin stattfindet.