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Agrar & Ernährung

Standpunkte Klimaschädliche Verordnung: Der Bundestag muss die Speiseölproduktion in Deutschland halten

Jaana Kleinschmit von Lengefeld, Ovid
Jaana Kleinschmit von Lengefeld, Ovid Foto: Ovid

Ein hoher und weit über den europäischen Vorgaben liegender deutscher Abgasgrenzwert gefährdet aus Sicht von Jaana Kleinschmit von Lengefeld die deutschen Ölmühlen. Die Präsidentin des Branchenverbands Ovid befürchtet steigende CO2-Emissionen – und sieht den Standort in Gefahr. Noch bestehe die Hoffnung, dass der Bundestag die Pläne des Umweltministeriums stoppt.

von Jaana Kleinschmit von Lengefeld

veröffentlicht am 01.11.2023

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Am Anfang steht häufig eine gute Intention. Im Falle der Speiseöle in Form einer EU-Richtlinie, die darauf abzielt, Industrieemissionen zu senken. Für die Übertragung in nationales Recht ist das Bundesumweltministerium (BMUV) zuständig. Der parlamentarische Diskurs findet derzeit über die Novellierung der 31. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung statt. Damit wird sich der Deutsche Bundestag kommende Woche erneut befassen. Der Entwurf fordert unter anderem für Ölmühlen die Halbierung der Gesamtgrenzwerte für Lösungsmittel-Emissionen bis 2031 ein. So weit, so ambitioniert, so weit, so kostspielig. Doch zu diesem Ziel bekennen sich die Ölmühlen ausdrücklich.

Doch dabei bleibt es leider nicht. Denn das deutsche Bundesumweltministerium schießt mit einer weiteren Forderung deutlich über die europäischen Vorgaben hinaus. So soll ein zusätzlicher Emissionsgrenzwert für das Lösungsmittel n-Hexan in der Abluft der Ölmühlen gelten. Der Grenzwert kann nur durch die nachträgliche Verbrennung von mehreren zehntausend Kubikmetern Abluft erreicht werden, wofür fossile Brennstoffe eingesetzt werden müssten und somit die Klimabilanz beeinträchtigt würde. Der Emissionsgrenzwert würde für Ölmühlen nur in Deutschland und somit in keinem anderen Land der Welt existieren.

Diesen klimapolitischen Irrsinn erkannten die Wirtschaftsministerinnen und Wirtschaftsminister der Bundesländer im parlamentarischen Prozess. Geschlossen legten sie dem Bundesrat eine pragmatische Empfehlung auf den Tisch, die den zusätzlichen nationalen Grenzwert als klimaschädlich und wettbewerbsschädigend ausschloss. Doch statt auf Vernunft setzte eine Mehrheit der Länder während der Abstimmung im Bundesrat am 29. September lieber auf Parteilinie.

Die Standortfrage ist nicht mehr zu vermeiden

Nun droht also eine massive Zusatzbelastung zum schlechtesten Zeitpunkt. Denn neben Chemie, Metall, Glas, Keramik und Zement zählen auch Ölmühlen zur energieintensiven Industrie, die ganz besonders stark unter den hohen Energiepreisen leidet. Zudem investiert die Branche der Ernährungsindustrie schon seit Jahren in Energieeffizienz. Eine Verschärfung der Emissionsgrenzwerte wäre daher eine Bestrafung für alle bisherigen Bemühungen. Mehr noch: Statt den politisch wohlfeilen Worten Taten folgen zu lassen und eine großartige Chance zur Entbürokratisierung und Deregulierung zu nutzen, wird nun ein weltweit einmaliger Grenzwert eingeführt, der nur deutsche Speiseölhersteller dazu zwingt, für eine Flasche Speiseöl künftig mehr Energie zu verbrauchen und noch mehr CO2 in die Atmosphäre zu entlassen. 

Damit stellt sich unweigerlich die Standortfrage. Noch ist Deutschland der größte Ölmühlen-Standort in Europa. Etwa 15 industrielle Ölmühlen, mit tausenden Mitarbeitern, verarbeiten jährlich rund zehn Millionen Tonnen Ölsaaten wie Raps, Sonnenblume, Soja oder Lein zu rund vier Millionen Tonnen Pflanzenöl und sechs Millionen Tonnen Schrot für die Nutztierfütterung. Als Partner der heimischen Landwirtschaft sind die Ölmühlen tief in die ländlichen Räume vernetzt, unterstützen regionale Lieferketten und generieren Einkommen auch in strukturschwachen Regionen. Doch wie attraktiv ist der Standort Deutschland noch, wenn in den Nachbarländern künftig weniger strenge Vorschriften gelten? 

Statt die Ölmühlen mit zusätzlichen Belastungen zu konfrontieren, sollten wir uns darauf konzentrieren, sie bei der weiteren Verbesserung ihrer Umweltbilanz zu unterstützen. Denn klimafreundliche Techniken zur Einhaltung des neuen Emissionsgrenzwertes stehen trotz intensiver Bemühungen bislang nicht zur Verfügung. Das hat auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erkannt und unterstützt aktuell die Forschung mit rund 530.000 Euro. Übrigens spielt die aus dem Verordnungsentwurf resultierende, klimaschädliche Abluftverbrennung im Projekt keine Rolle. Sie wurde vom BMWK bereits im Vorfeld als ökologisch und ökonomisch unverhältnismäßig ausgeschlossen.

Insofern sind wir auf die Ankündigung des BMUV gespannt, dem Bundestag bis 2025 einen Bericht über die Realisierbarkeit des Emissionsgrenzwertes in Ölmühlen vorzulegen. Diese Dokumentation fordert der Gesetzgeber seit zehn Jahren ein. Seit 2018 ist sie überfällig.

Der Bundestag könnte den Fehler noch korrigieren 

Das Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit von Lieferketten und die heimische Selbstversorgung ist unter dem Einfluss von Corona und dem Ukraine-Konflikt zuletzt deutlich gestiegen. Ölmühlen spielen eine entscheidende Rolle in der Lebensmittelproduktion. Sie tragen maßgeblich zur Versorgung der Bevölkerung bei und somit der Ernährungssouveränität der Bundesrepublik. Demgegenüber stellt die Einführung des neuen Grenzwertes für die Branche eine standortgefährdende Belastung dar. 

Die Zeit der reinen Lippenbekenntnisse ist vorbei. Gefordert sind jetzt mutige parlamentarische Entscheidungen, die dieser klimapolitischen Irrfahrt ein Ende setzen, die heimische Wirtschaft stärken und Deutschland resilienter bei weltweiten Krisen machen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir Umweltschutz und wirtschaftliche Realitäten zum Wohle aller auch in Deutschland in Einklang bringen. Eine ausgewogene Herangehensweise, die sowohl den Schutz unserer Umwelt als auch die Bedürfnisse unserer Branche berücksichtigt, ist der beste Weg, um langfristige und nachhaltige Lösungen zu finden.

Noch besteht die Möglichkeit. In diesen Tagen passiert die Novelle der 31. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung zur finalen Abstimmung erneut den Deutschen Bundestag. Die Branche hofft auf die Weitsicht des Parlaments, die Konsequenzen der Verordnung in den Bundestagsausschüssen zu beraten und die einstimmige Empfehlung der Wirtschaftsministerinnen und -minister der Bundesländer zur Korrektur der Verordnung umzusetzen.

Janaa Kleinschmit von Lengefeld ist Präsidentin von Ovid, dem Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrien. Zudem arbeitet sie als Vorstandsvorsitzende von ADM Hamburg, einem der größten Biodieselproduzenten Deutschlands, der zudem mit Futter und Ölsaaten handelt und diese verarbeitet.

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