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Agrar & Ernährung

Standpunkte Kürzung und Streichung der Agrardiesel-Beihilfe sind schmerzhaft, aber verkraftbar

Alfons Balmann, Leiter des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien
Alfons Balmann, Leiter des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien Foto: Profilfoto Alfons Balmann

Die Bauernproteste gründen auf einer höchst wackligen Basis, schreibt Agrarökonom Alfons Balman. Er rechnet vor, wie marginal die finanziellen Konsequenzen eines Endes der Agrardieselsubventionen für viele Betriebe mittelfristig sein dürften und zeigt, weshalb diese Art der Agrarförderung nicht nur dem Klimaschutz schadet.

von Alfons Balmann

veröffentlicht am 08.01.2024

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Durch die geplante schrittweise Abschaffung der Agrardiesel-Beihilfe kommen auf durchschnittliche landwirtschaftliche Betriebe Mehrkosten zu in Höhe von in diesem Jahr etwa zehn Euro je Hektar, die bis 2026 auf etwa 30 Euro je Hektar ansteigen. Das entspricht in diesem Jahr durchschnittlichen Einkommensverlusten vor Steuern von etwa 1000 Euro pro Betrieb und ab 2026 dann entsprechend etwa 3000 Euro.

Um das einzuordnen: Es geht um etwa fünf bis sechs Prozent der derzeitigen staatlichen Beihilfen und Zuschüsse, die die Betriebe erhalten – beziehungsweise um etwa drei Prozent ihres durchschnittlichen Gewinns der letzten drei Jahre. Diese Kürzung kommt für die Betriebe plötzlich und unerwartet, sie ist kurzfristig schmerzhaft, jedoch ist sie letztlich für die allermeisten Betriebe verschmerzbar.

Einsparmöglichkeiten und tatsächliche Betroffenheit

Zum einen haben landwirtschaftliche Betriebe dadurch Anreize, Einsparmöglichkeiten beim Dieselverbrauch zu suchen. Jedes Prozent eingesparter Diesel entspricht etwa acht Prozent der Dieselbeihilfe. Daneben haben die meisten Betriebe in den letzten Jahren an den hohen Lebensmittelpreisen recht gut verdient. Viele Betriebe dürften in diesem Jahr aufgrund der zuletzt hohen Gewinne durch die Lebensmittelpreissteigerungen stärker von Einkommensteuernachzahlungen betroffen sein als von den Subventionskürzungen.

Nicht zuletzt verfügen landwirtschaftliche Betriebe über ein beträchtliches Eigenkapital. Der Großteil der geplanten Kürzung der Dieselbeihilfe trifft Betriebe mit mehr als 100 Hektar und oft mit einem Eigenkapital von mehr als einer Million Euro, sodass es erhebliche Puffer gibt. Insofern ist kaum zu erwarten, dass es durch die plötzlichen Kürzungen zu Insolvenzen kommt.

Wettbewerbsprobleme liegen anderswo begründet

Ebenfalls nicht schlüssig sind die Verweise auf angebliche internationale Wettbewerbsnachteile. Sie verschweigen durchweg, dass es hier in Deutschland auch sehr viele Standortvorteile gibt, die man gegenrechnen müsste, wie neben den klimatisch und naturräumlich bedingt guten Ertragsmöglichkeiten oder die Nähe zur sehr leistungsfähigen deutschen Lebensmittel- und Landtechnikindustrie.

Genauso könnte man argumentieren, dass Betriebe auf schlechteren Böden zusätzliche Subventionen benötigen würden, da sie einen Wettbewerbsnachteil hätten gegenüber solchen auf besseren Böden. Bedeutsamer ist jedoch, dass die eigentliche Konkurrenz deutscher Landwirte lokal stattfindet. Hauptkonkurrenten sind im Regelfall die eigenen Nachbarn und Gegenstand ist der Wettbewerb um landwirtschaftliche Flächen.

In Nordwestdeutschland werden teilweise Pachtpreise von mehr als 1000 Euro pro Hektar bezahlt. Auch in Süddeutschland sind die Pachtpreise erheblich. Verglichen damit sind die Mehrkosten von 30 Euro pro Hektar, die der Wegfall der Dieselbeihilfe verursacht, gering.

Diese hohe lokale Konkurrenz bedingt, dass Direktzahlungen ebenso wie auch die Dieselbeihilfe und Kfz-Steuer-Befreiung insbesondere in kleinbetrieblichen Strukturen über Pachtverträge mittel- bis längerfristig in die Bodenpreise eingepreist werden und damit eine Subventionsabhängigkeit befördern. Diese Subventionsabhängigkeit wird dadurch verschärft, dass eine Reihe strukturkonservierender Regelungen, wie etwa Umverteilungsprämien und die Junglandwirteförderung, Steuervergünstigungen, wie §13a EstG und die Umsatzsteuerpauschalierung, oder auch das Erbrecht erhebliche Anreize schaffen, eigentlich unrentable Betriebe zu erhalten und fortzuführen.

Krux ist künstliche Strukturkonservierung

Die so bedingte Strukturkonservierung erhöht in Regionen mit sehr vielen kleineren Betrieben nicht nur den Konkurrenzdruck und führt zu hohen Bodenpreisen, sondern sie führt zugleich dazu, dass sich die Betriebe gegenseitig ihrer Entwicklungsmöglichkeiten berauben, da der Zugang zu weiteren Flächen zur Nutzung von Größenvorteilen erschwert ist. Letztlich trifft dies vor allem Betriebe an der Wachstumsschwelle, also Betriebe, die grundsätzlich die Möglichkeit hätten, sich weiterzuentwickeln.

Nur wenn es gelingt, die Landwirtschaft aus ihrer enormen Subventionsabhängigkeit herauszuführen, kann echte Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden. Diese Wettbewerbsfähigkeit ist in zweifacher Hinsicht nötig: Zum einen braucht gerade der Transformationsprozess in Richtung einer ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigen Landwirtschaft leistungsfähige und unternehmerisch aufgestellte Betriebe, die eine Perspektive sehen.

Zum anderen wird eine breite staatliche Unterstützung dieses Transformationsprozesses nur möglich sein, wenn die bisherigen Subventionen zur Einkommensstützung der Landwirtschaft abgeschmolzen werden und die Mittel für die Begleitung des Transformationsprozesses verwendet werden können, was vor allem die Überwindung der Subventionsabhängigkeit voraussetzt.

Status quo erschwert Klimaschutz

Gerade mit Blick auf den Klimaschutz ergibt sich aus den derzeitigen Dieselbeihilfen, der Kfz-Steuer-Befreiung und ebenso den Flächenprämien ein weiteres Problem. Die Landwirtschaft ist mit einem Sozialproduktanteil von weniger als 1 Prozent für etwa 7,5 Prozent des deutschen Treibhausgasausstoßes direkt verantwortlich und für weitere 5,5 Prozent über die Nutzung von Mooren, also insgesamt für etwa 13 Prozent der Emissionen.

Entsprechend groß ist der Handlungsdruck und es zeichnen sich Konflikte ab, beispielsweise vor allem um die Wiedervernässung von Mooren. Bislang werden die genannten Subventionen unabhängig von den damit verbundenen Treibhausgasemissionen gewährt. Daraus resultieren erhebliche Renten, etwa für eine weitere Nutzung trockengelegter Moore. Würde man die Subventionen nur für nachhaltige und insbesondere klimafreundliche Nutzungen gewähren, würden sich die Renten trockengelegter Moore deutlich verringern und damit auch die Bereitschaft zur Wiedervernässung von Mooren deutlich erhöht werden.

Nicht zuletzt stellt sich die Frage, warum es trotz letztlich überschaubarer Subventionskürzungen überhaupt zu den derzeitigen Protesten der Landwirtschaft gekommen ist.

Neben gesellschaftlichen Spannungen, die ohnehin bestehen, dürfte hier bedeutsam sein, dass die gut begründeten Veränderungsbedarfe nicht nur ein Konfliktpotential zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft bergen, sondern gerade der kaum vermeidbare Strukturwandel enormes innerlandwirtschaftliches Konfliktpotential birgt: Dieser geht mit beträchtlichen Verlustängsten einher, denen sich die Landwirtschaft und ihre Verbände bislang nicht stellen. Das wird jedoch erforderlich sein, um Wege zu finden, wie Landwirtschaft und Gesellschaft zusammenfinden können.

Prof. Dr. Alfons Balmann leitet das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien. Der Agrarökonom ist außerdem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz des BMEL.

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