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Agrar & Ernährung

Standpunkte Ohne Agrardieselvergünstigung und Kfz-Steuerbefreiung zu mehr Innovation in der Landwirtschaft

Beate Richter, wissenschaftliche Referentin beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft
Beate Richter, wissenschaftliche Referentin beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft Foto: Dr. Beate Richter ist Wissenschaftliche Referentin beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Als Agrarökonomin arbeitet sie schwerpunktmäßig zu ökonomischen Instrumenten für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Die Abschaffung der Steuerbegünstigung für Agrardiesel sowie die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge ist überfällig, schreibt Beate Richter vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Die agrarpolitische Referentin sieht die Reform als guten Einstieg in den Abbau umweltschädlicher Subventionen und als Anreiz für umweltschonende Bearbeitungsmethoden.

von Beate Richter

veröffentlicht am 04.01.2024

aktualisiert am 10.01.2024

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Die Vergünstigung für Agrardiesel sowie die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge wurde vor mehr als 100 Jahren eingeführt, um die Motorisierung der Landwirtschaft zu fördern, und später gerechtfertigt mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber europäischen Nachbarländern. Doch: die Motorisierung ist mittlerweile längst erreicht und auch starke Beeinträchtigungen der Wettbewerbsposition durch den Wegfall der Steuervergünstigung sind nicht zu befürchten: Andere europäische Länder wie die Niederlande, Griechenland und Österreich haben ähnliche Regelungen bereits abgeschafft.

Zudem ist die Besteuerung von Agrardiesel europaweit nicht einheitlich geregelt. Aussagen zur Wettbewerbsfähigkeit können allein anhand der Agrardieselbesteuerung nicht gezogen werden, da diese von der Gesamthöhe der Steuerentlastungen in den europäischen Mitgliedsländern sowie weiteren Förderungen und Subventionen der Landwirtschaft abhängt.

Inkonsistente Subventionen führen zu höheren Kosten für alle

In Deutschland ist der Gegenwert der Kfz-Steuerbefreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge 485 Millionen Euro im Jahr; bei der Agrardieselvergünstigung entspricht er jährlich 440 Millionen. Beide Steuersubventionen wirken umweltschädlich und setzen Fehlanreize, indem umweltschädliche Verhaltensweisen und Bearbeitungsmethoden fiskalisch gefördert werden. Das behindert die ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft und belastet den Bundeshaushalt.

So werden beispielsweise mit der Agrardieselvergünstigung die Kosten für Kraftstoff reduziert, was falsche Preissignale aussendet und damit Konsum- und Produktionsanreize setzt. Im Ergebnis ist der Kraftstoffverbrauch höher, als er sein müsste. Das belastet den Staatshaushalt doppelt, indem die Subventionen „in beide Richtungen“ staatlich finanziert werden, ebenso wie die Folgekosten der Klimakrise. Die Abschaffung dieser Begünstigungen ist so nicht nur für die Haushaltskonsolidierung von Bedeutung, sondern auch für den Klimaschutz.

Das unterstreicht, dass die Subventionspolitik der Bundesregierung insbesondere in der Landwirtschaft inkonsistent ist und die umweltpolitischen Belange nicht in ausreichendem Maß berücksichtigt. Über den Abbau umweltschädlicher Subventionen hinaus ist deswegen eine grundlegende Subventionsreform erforderlich, bei der Subventionen aller Art an Leistungen mit umweltpositiver Wirkung geknüpft werden.

Diesel sparen und Umwelt schützen mit angepasster Bodenbearbeitung

Der Wegfall der Vergünstigungen bedeutet für viele Landwirt:innen zunächst eine Erhöhung der Produktionskosten. Doch der Dieselverbrauch wird von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, wie dem Fahrverhalten und der Art der Bodenbearbeitung.

Eine Änderung der Bodenbearbeitungsmethoden kann zu Effizienzgewinnen führen. Mit einer schonenden oder pfluglosen Bodenbearbeitung können bis zu zehn Prozent des Diesels eingespart werden und gleichzeitig ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden. Bei der konservierenden Bodenbearbeitung wird beispielsweise auf den Pflug verzichtet und nicht wendende Bodenbearbeitungsgeräte, wie der Grubber, kommen zum Einsatz. Bei den Bearbeitungsgängen ist weniger Kraftstoff erforderlich.

Außerdem bleibt der Boden in seinem natürlichen Aufbau und kann ein stabiles und tragfähiges Bodengefüge bilden. Die Ernterückstände verbleiben nahe der Bodenoberfläche und können dadurch starke Niederschläge besser abfedern. Dies ist vorteilhaft für die Bodenfruchtbarkeit, schützt gleichzeitig vor Bodenerosion und trägt zu einem verbesserten Humusaufbau bei.

Humus bindet Kohlenstoff im Boden, hat eine klimapositive Wirkung und kann langfristig die Stickstoffeffizienz erhöhen und dadurch zu einem geringeren Düngebedarf führen. Untersuchungen zeigen, dass eine schonende Bodenbearbeitung auch zu Mehrerträgen führen kann, wobei dies von weiteren Faktoren wie der Bodenbeschaffenheit oder Fruchtfolgegestaltung abhängig ist.

Subventionssystematik reformieren, Landwirt:innen nicht allein lassen

Es ist klar, dass Landwirt:innen unterschiedlich durch die Abschaffung der Subventionen belastet werden. So werden etwa Ackerbaubetriebe mit großen Flächen und einem großen Fuhrpark in absoluten Zahlen höhere Zusatzkosten haben als flächenmäßig kleinere Betriebe. Ökologisch wirtschaftende Betriebe wiederum haben durch die mechanische Unkrautbekämpfung (anstelle von Pestizideinsatz) einen höheren Aufwand bei der Bodenbearbeitung und benötigen mehr Feldfahrten, die zu einem höheren Kraftstoffbedarf führen. Dagegen können kleinere Betriebe zusätzliche Kosten kaum abfedern, da sie geringere Gewinnspannen haben.

Dennoch ist es richtig, jetzt mit dem Abbau der umweltschädlichen Subventionen zu beginnen und damit ein Transformationssignal in den stark subventionsabhängigen Agrarsektor zu senden.

Es braucht einen Paradigmenwechsel bei der Systematik der landwirtschaftlichen Subventionen, um eine Wende im Agrarsektor zu erreichen: Die landwirtschaftlichen Betriebe müssen im Umstellungsprozess auf eine umweltverträglichere landwirtschaftliche Erzeugung finanziell unterstützt werden, damit umweltfreundlichere Produktionsweisen für sie ökonomisch rentabel werden können.

Betriebe sollten bei Bedarf beim Know-how-Aufbau unterstützt werden, etwa durch strukturierten Erfahrungsaustausch und Schulungen. Auch Investitionshilfen für Höfe sind gegebenenfalls nötig, damit sie Effizienzmaßnahmen realisieren können  beispielsweise in der Bodenbearbeitung.

Dr. Beate Richter ist wissenschaftliche Referentin beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Als Agrarökonomin arbeitet sie schwerpunktmäßig zu ökonomischen Instrumenten für eine nachhaltige Landwirtschaft. 

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