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Agrar & Ernährung

Standpunkte Umweltverbände wiederholen die Fehler der Debatte ums Heizungsgesetz

Jens Dörschel, Referent Politik und Umwelt beim Deutschen Energieholz- und Pellet-Verband
Jens Dörschel, Referent Politik und Umwelt beim Deutschen Energieholz- und Pellet-Verband

Eine Replik zum WWF-Standpunkt „Wärme aus Holz – Heizungstausch zulasten von Umwelt und Klima?“ schreibt Jens Dörschel vom Deutschen Energieholz- und Pellet-Verband. Solange der Gebäudebestand nicht durchsaniert ist, wird Holz zum Heizen noch gebraucht, meint der Referent für Politik und Umwelt.

von Jens Dörschel

veröffentlicht am 08.12.2023

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Die Umweltverbände haben offenbar immer noch nicht verstanden, dass man eine Auseinandersetzung nicht gewinnen kann, wenn man sich mit allen Gegenübern gleichzeitig anlegt. Das zeigt sich nach dem „Heizungsgesetz“ (Gebäudeenergiegesetz – GEG) nun auch bei der begleitenden Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG).

Die Politik kann sich bei realistischer Betrachtung die Frage, wie Deutschland auch aus der effizienten energetischen Nutzung von Holz in Zentralheizungen aussteigt, erst dann stellen, wenn nach dem Kohleausstieg auch der Ausstieg aus der thermischen Nutzung von Öl und Gas geregelt ist. Alles andere wäre realitätsfremd und politisch deutlich verfrüht.

Der WWF-Beitrag zeigt einmal mehr, dass NGOs dies bis heute nicht berücksichtigen. Ansonsten würden sie nicht gebetsmühlenartig diesen beim GEG begangenen Fehler auch bei der Debatte um das Förderprogramm BEG wiederholen.

Gesetz schuf sich Gegner ohne Not

Dass die GEG-Diskussion in der Öffentlichkeit schiefging, beruht nicht nur auf Kommunikationsdefiziten, wie die Umweltverbände meinen. Es lag auch daran, dass man mit dem „stromgetriebenen“ Entwurf nicht nur den Ausstieg aus Öl und Gas plante, sondern gleichzeitig auch weitgehend die Holzwärmenutzung im Gebäudesektor diskriminierte. Diese sollte – unabhängig von technischer Realisierbarkeit oder Wirtschaftlichkeit – nur noch mit Solaranlagen oder Wärmepumpen kombiniert und mit einem kostensteigernden Partikelabscheider sowie noch größeren Pufferspeichern ausgerüstet werden. Durch diese Zusätze wäre die Installation von Holz- und Pelletheizungen zum Ausnahmefall geworden.

Damit hat man sich ohne Not bei der GEG-Novelle neben der fossilen Lobby eine zusätzliche Gegnerschaft bei Millionen Waldbesitzenden und Gebäudeeigentümern geschaffen. Die Folge war, dass diese Auseinandersetzung nicht zu gewinnen war. Das GEG fiel am Ende weniger ambitioniert für den Klimaschutz aus, als es ansonsten möglich gewesen wäre.

Eine rein auf Wärmepumpen basierende Wärmeversorgung ohne moderne Holzwärme ist aktuell und auch mittelfristig unrealistisch. Langfristig mag das anders sein. Dass die Umweltverbände bereits heute darauf beharren, zeigt, dass sie nicht für die Gegenwart denken und argumentieren, sondern bereits für eine Zukunft, in der es weder fossil erzeugten Strom noch Wärme geben wird, sondern nur noch Strom aus erneuerbaren Energien. Dass Holz jemals einen Großteil der Wärmeversorgung leisten kann und soll, wurde auch von der Branche nie als Ziel ausgegeben.

Heizen mit Holz aus Reststoffen bleibt noch Teil der Lösung

Derzeit geht es alleine um die Frage, den Anteil von über 80 Prozent fossiler Öl- und Gasheizungen, die zusätzliches CO2 in die Atmosphäre blasen, zu vermindern. Und da werden Holzzentralheizungen, die nur biogenes CO2 (wohlgemerkt vor allem aus Reststoffen) ausstoßen, das ohnehin bald wieder in der Atmosphäre landen würde, noch für einige Jahrzehnte ein Teil der Lösung sein müssen: Der Gebäudebestand ist nun einmal so vielfältig, dass noch nicht jedes Gebäude sinnvoll und kostengünstig mit einer Wärmepumpe beheizt werden kann – die derzeit noch zu 50 Prozent fossilen Strom nutzt.

Ein vielfältiger Gebäudebestand braucht zur sinnvollen, kostengünstigen und klimafreundlichen Wärmeversorgung mehrere technische Optionen. Die Aussage, dass die Wärmeversorgung mit einer Wärmepumpe für alle Gebäude technisch möglich ist, reicht nicht aus. Für viele, vor allem ältere, ungedämmte Gebäude mit hohem Wärmebedarf ist Holzwärme eine kostengünstige Form der Beheizung – die Wärmepumpe aber nicht. Auch deshalb ist die Verengung des GEG auf im Wesentlichen nur eine technische Lösung, nämlich die Wärmepumpe, in diesem Jahr auf so viele Widerstände gestoßen.

Energetische Gebäudemodernisierung ist eine Herkulesaufgabe

Das heißt nicht, dass die Zukunft nicht der Wärmepumpe gehören kann. Wenn der Staat es schafft, dass in den nächsten Jahrzehnten auch die energetische Gebäudemodernisierung deutlich vorankommt, dann wird die Wärmepumpe für immer mehr Hausbesitzer eine adäquate Lösung werden – und auch Holzheizungen immer häufiger Wärmepumpen weichen. Das ist aber eine finanzielle Herkulesaufgabe, die Zeit braucht, und daher noch Zukunftsmusik ist. Derzeit braucht die Wärmewende nicht nur Wärmepumpen, sondern auch die Holzzentralheizung.

Die Frage ist berechtigt, warum man Holzheizungen fördern muss. Die Antwort ist einfach: Weil die Wärmewende sonst nicht im nötigen Maße vorankommen und nicht die nötige Akzeptanz finden würde. Solange auch die Installation von Öl- und Gasheizungen eine zulässige Option ist (was bis Mitte 2026/28 für den Großteil des Gebäudebestandes der Fall ist), wird man das Heizen mit erneuerbaren Energien auf breiter Front fördern müssen.

Für die Zeit danach gilt: Wenn ausschließlich Hauseigentümer mit niedrigem Wärmebedarf eine Heizungsförderung erhalten würden, Hauseigentümer mit hohem Wärmebedarf und hohen Heizkosten aber nicht, wäre das sozialer Sprengstoff und die Akzeptanz der Wärmewende gering.

Die Wärmewende ist auch eine soziale Frage

In den nächsten Jahren werden die CO2-Kosten für das fossile Heizen stark ansteigen. Das heißt: Der Druck auf Eigentümer mit schlecht gedämmten Gebäuden, in erneuerbare Wärme zu investieren, wird zunehmen. Ohne Förderung würden sich das sehr viele nicht leisten können.

Hierbei ist zu bedenken, dass die Anschaffung klimafreundlicher Heizsysteme deutlich teurer ist als bei Öl- und Gasheizungen. Daher dominieren fossile Systeme bis heute den Heizungsmarkt. Die Debatten in diesem Jahr haben gezeigt, dass die Politik die Wärmewende auch als soziale Frage begreifen muss. Sie ist daher gut beraten, an der Förderung für erneuerbare Heizungssysteme noch lange festzuhalten, und dabei auch Holz- und Pelletheizungen nicht auszusparen.

Übrigens: Die von den Umweltverbänden vorgenommene Gleichsetzung von Holz- mit fossiler Energie ist genauso abenteuerlich wie die Übertragung der Schlussfolgerungen aus dem tropischen Raubbau an Wäldern auf die nachhaltige Forstwirtschaft in Europa. Diese Gleichsetzung beruht auf einer Betrachtung von Einzelbäumen, die nach dem Fällen erst nachwachsen müssen – und nicht auf dem forstwissenschaftlichen Ansatz, die CO2-Bilanz von ganzen Wäldern zu betrachten. Das ist ein Paradigmenwechsel, der Folgen hat: In der Betrachtungsweise der NGOs ist damit jede Holznutzung – zum Beispiel für den politisch gewollten Holzbau – Raubbau am Wald.

Waldwirtschaft in Europa ist nachhaltig

Die mit diesem Paradigmenwechsel verbundene Gleichsetzung eines Kahlschlags, dem ein Sojaacker oder bestenfalls noch eine Eukalyptus- oder Ölbaumplantage folgt, mit unserer nachhaltigen Waldwirtschaft ist ein massiver naturschutz- und klimapolitischer Rückschritt. Er führt dazu, dass sich die Umweltverbände kaum mehr für eine Umstellung auf nachhaltige Waldwirtschaft einsetzen, sondern nur noch für die Stilllegung von Wäldern – nicht nur in den Tropen, sondern auch von seit Jahrhunderten genutzten Wäldern in Europa!

Das würde in einer Transformationswirtschaft, die auf Kohle, Erdöl und Erdgas verzichten muss, nicht funktionieren. Damit entfernen sich die Umweltverbände immer weiter von „machbarem“ Klimaschutz. Mehr noch, sie treiben damit die Polarisierung in der Gesellschaft zwischen Gegnern und Befürwortern des Klimaschutzes immer weiter voran – und schwächen damit letztlich die Basis für seinen Erfolg!

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