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Standpunkte Elfmeter für die Zukunftsfinanzierung

Christoph Stresing vom Start-up-Verband und Matthias Scheifele von Hengeler Mueller
Christoph Stresing vom Start-up-Verband und Matthias Scheifele von Hengeler Mueller Foto: Christoph Stresing und Matthis Scheifele (Foto: privat)

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz ist der zweite Anlauf, um die Bedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen attraktiv zu machen. Nun kommt es auf einige Punkte an, damit die gute Vorlage nicht ins Leere läuft, schreiben Christoph Stresing vom Start-up-Verband und Matthias Scheifele von Hengeler Mueller.

von Christoph Stresing und Matthias Scheifele

veröffentlicht am 20.09.2023

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Zukunftsfinanzierungsgesetz. Es ist kein bescheidener Name, den die Ampel-Koalitionäre für das knapp 200 Seiten umfassende Gesetz gewählt haben, um bessere Rahmenbedingungen für Start-ups zu schaffen, Börsengänge zu erleichtern und den Kapitalmarkt zu stärken.

Doch tatsächlich handelt es sich bei dem Zukunftsfinanzierungsgesetz um das wohl wichtigste Gesetzesvorhaben für Start-ups in der laufenden Legislaturperiode. Ein zentraler Punkt des Vorhabens ist es, die Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen zu verbessern. Das ist dringend erforderlich. Denn Mitarbeiterbeteiligungen sind für Start-ups ein international anerkanntes und gängiges Instrument, um Talente zu gewinnen und an sich zu binden. Doch aktuell belegt Deutschland in puncto Rahmenbedingungen europaweit mit Belgien den letzten Platz. Daher sollte das Zukunftsfinanzierungsgesetz möglichst schnell Gegenwart werden. Mit den anstehenden parlamentarischen Beratungen geht das Gesetzgebungsverfahren jetzt in die entscheidende letzte Runde.

In dem Gesetz greifen die federführenden Ressorts, das Bundesfinanz- und Bundesjustizministerium, die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag und aus der im vergangenen Sommer verabschiedeten Start-up-Strategie auf. Gerade wegen der aktuell angespannten konjunkturellen Lage, steigender Zinsen und der spürbaren Zurückhaltung von Investoren hat das Zukunftsfinanzierungsgesetz für junge, innovative Wachstumsunternehmen aber in den letzten Monaten noch weiter erheblich an Bedeutung gewonnen: Das Start-up-Geschäftsklima ist seitdem deutlich abgekühlt und befindet sich derzeit auf einem Tiefpunkt – nur zur Corona-Höchstphase war das Klima zuletzt schlechter. Die angestrebten Strukturmaßnahmen sind daher heute wichtiger denn je.

Vom Fondsstandortgesetz wird kein Gebrauch gemacht

Dabei war es bereits der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der schon im Sommer 2020 unter dem Eindruck der Corona-Pandemie ein Konjunkturpaket auf den Weg brachte und damit auch die international nicht konkurrenzfähigen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen angehen wollte. Doch die folgende Gesetzesinitiative, das im Sommer 2021 in Kraft getretene sogenannte Fondsstandortgesetz, brachte trotz grundsätzlich richtiger Stoßrichtung nicht den erhofften Durchbruch. Das lag unter anderem daran, dass die sogenannte Dry income"-Besteuerung bei Mitarbeiterbeteiligungen, also die Besteuerung ohne gleichzeitigen Liquiditätszufluss, im Falle eines Arbeitgeberwechsels oder des Ablaufs von 12 Jahren seit Anteilsgewährung nicht konsequent vermieden wurde. Das Kernproblem wurde so nur verschoben, aber nicht gelöst. Für die umworbenen Talente bedeutet das weiterhin: Abschreckung statt Anreiz. Auch der Anwendungsbereich geriet zu eng. Das hatte zur Folge, dass gerade erfolgreiche Start-ups, die bereits hunderte Arbeitsplätze geschaffen haben und im besonderen internationalen Wettbewerb um Top-Talente stehen, von den Regelungen ausgeschlossen wurden. Das wirkt wie eine Bestrafung für Erfolg. Das Ergebnis: Seit 2021 wird von den mit dem Fondsstandortgesetz geschaffenen Vergünstigungen in der Praxis so gut wie kein Gebrauch gemacht.

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz ist der zweite Anlauf, die Bedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen endlich attraktiv zu machen und den Start-up-Standort Deutschland zu stärken. Umso wichtiger ist, dass das Gesetz dieses Mal die eigene Zielsetzung nicht verfehlt. Insofern ist zu begrüßen, dass der Mitte August verabschiedete Regierungsentwurf die Möglichkeit für Arbeitgeber vorsieht, im Rahmen einer unwiderruflichen Haftungsübernahme die beschriebene Dry income-Besteuerung zu vermeiden. Auch die in dem Regierungsentwurf vorgesehene Ausweitung des Anwendungsbereichs und eine längere Übergangsregel sind wichtige Weiterentwicklungen. Das gilt auch für die Anhebung des Unternehmensalters: Nach dem Willen der Bundesregierung sollen die Regeln für Unternehmen mit einem Alter von bis zu 20 Jahren gelten. Aktuell beträgt die Grenze 12 Jahre, was insbesondere technologieorientierte Unternehmen mit langen Entwicklungszyklen ausschließt.

Diese Vorschläge der Bundesregierung sind für die praktische Anwendung des Gesetzes entscheidend. Der Bundestag täte daher gut daran, in dem weiteren Verfahren daran festzuhalten. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die im Referentenentwurf von Bundesfinanz- und Bundesjustizministerium noch vorgesehene sogenannte Pauschalbesteuerung, das heißt eine pauschale Besteuerung des Wertes ausgegebener Anteile in einer dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent entsprechenden Höhe, keinen Eingang in den Regierungsentwurf gefunden hat. Dass sich die Ampel-Koalition auf diesen Vorstoß von Christian Lindner offenbar nicht einigen konnte, ist bedauerlich. Gerade im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb um Talente wäre das mehr als nur ein Signal an und für den Start-up-Standort Deutschland gewesen. Außerdem würde die Schlechterstellung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen gegenüber Unternehmensgründern weiter gemildert. In diesem Sinne sollten die Regierungsfraktionen umso ambitionierter in die parlamentarischen Beratungen gehen.

Auf die Details kommt es an

Dabei sollten auch weitere, in dem Regierungsentwurf noch nicht oder nur unzureichend adressierte Punkte berücksichtigt werden: Unbedingt ist klarzustellen, dass der Umstand, dass im Start-up-Bereich standardmäßig nur vinkulierte, also in ihrer Übertragbarkeit beschränkte, Anteile ausgegeben werden, die steuerliche Förderung der Ausgabe solcher Anteile nicht ausschließt. Geschieht das nicht, wird das Zukunftsfinanzierungsgesetz an der Praxis vorbeizielen und doch noch ins Leere laufen. Ein solcher erneuter politischer Flop sollte in jedem Fall vermieden werden. Immerhin scheint das auch die Bundesregierung so zu sehen. Laut Fortschrittsbericht zur Umsetzung der Start-up-Strategie plant die Bundesregierung eine Klarstellung im Laufe des parlamentarischen Verfahrens. Damit liegt der Ball jetzt auf dem Elfmeterpunkt des Bundestages.

Bei Start-ups ist die Bewertung der gewährten Mitarbeiterbeteiligungen mit großen Herausforderungen verbunden: Derzeit gibt es in Deutschland keine einfachen und verbindlichen Bewertungsmethoden, auf deren Grundlage Start-ups und Mitarbeitende bemessen könnten, welchen Wert eine gewährte Mitarbeiterbeteiligung hat. Leider lässt der Regierungsentwurf diesen in der Praxis wichtigen Punkt unberücksichtigt. Insofern sollte auch hier noch nachgebessert und mehr Rechtssicherheit geschaffen werden.

Neben den Verbesserungen im Bereich der Mitarbeiterbeteiligung sieht das Zukunftsfinanzierungsgesetz insbesondere auch vor, Börsengänge in Deutschland attraktiver zu machen und den Kapitalmarkt zu stärken. Auch das zahlt auf die Interessen von Start-ups und Scale-ups ein: Denn ohne attraktive Exit-Kanäle und einen funktionierenden Kapitalmarkt wird das Start-up-Ökosystem in Deutschland nicht nachhaltig gesichert werden können. Hier bedarf es insgesamt noch weiterer Anstrengungen. Nicht zuletzt sollte es dabei auch darum gehen, die Finanzierung von Wachstumsunternehmen und das System der Altersvorsorge intelligent miteinander zu verknüpfen, das heißt Wege zu finden, wie auch Rentnerinnen und Rentner in Deutschland von dem Erfolg deutscher Wachstumsunternehmen wirtschaftlich profitieren können. Dabei geht es um nichts weniger als das Gesetz dem Namen nach schon jetzt verspricht: Die Finanzierung unserer Zukunft.

Christoph Stresing ist seit Mai 2019 Co-Geschäftsführer beim Deutschen Start-up-Verband. Matthias Scheifele ist seit 2011 Partner in der Steuerrechtspraxis von Hengeler Mueller.

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