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Standpunkte Mitarbeiterbeteiligungen stärken Start-ups

Christoph Stresing, Startup-Verband
Christoph Stresing, Startup-Verband Foto: Startup-Verband

Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung treibt viele Gründer:innen in Deutschland um – sie ist essenziell für die Stärkung von Start-ups. Doch die im Sommer vorgestellten Eckpunkte zum Zukunftsfinanzierungsgesetz sind unbefriedigend, findet der Co-Geschäftsführer des Startup-Verbands Christoph Stresing. Er fordert daher Nachbesserungen für das kommende Gesetz, um den Start-up-Standort Deutschland zu stärken.

von Christoph Stresing

veröffentlicht am 29.09.2022

aktualisiert am 14.02.2023

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„Gerade in dieser schwierigen Zeit ist es wichtig, die Innovationskraft unserer Wirtschaft zu sichern und auszubauen. Insbesondere die lebendige Start-up-Szene in Deutschland erhält durch die neuen Regeln einen wichtigen Anschub. Unser Ziel ist es, international eine Spitzenposition einzunehmen.“ Mit diesen Sätzen kommentierte das Bundesfinanzministerium Anfang 2021 den Regierungsentwurf des sogenannten „Fondsstandortgesetzes“, in dessen Zentrum auch neue Regelungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen standen.

Das Start-up-Ökosystem verband mit dem Vorhaben große Hoffnungen, denn Mitarbeiterbeteiligungen sind für Start-ups ein entscheidendes Instrument im „war for talents“ und damit für den Aufbau wie die Skalierung junger Technologieunternehmen erfolgskritisch.

Spätestens ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes steht fest: Das Ziel wurde verfehlt. Anwendungsfälle der neuen Regeln sind nicht bekannt. Deutschland ist bei den Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen europaweit weiterhin Schlusslicht. Der gut gemeinte „Anschub“ blieb wirkungslos.

Dabei trifft die Analyse immer noch zu: Gerade in schwierigen Zeiten sollten Start-ups gestärkt und damit die Innovationskraft der Wirtschaft gefördert werden. Aktualität und Dringlichkeit haben sogar weiter zugenommen. Denn angesichts des Ukrainekrieges, einer sich weiter zuspitzenden Konjunkturlage, zuletzt rückläufigen Start-up-Gründungszahlen und ungewissen Zukunftsaussichten kommt es jetzt mehr als je zuvor darauf an, die Weichen richtig zu stellen.

Zukunftsfinanzierungsgesetzes stellt keine Besserung in Aussicht

So gesehen kommt der gemeinsame Vorstoß der Bundesminister Marco Buschmann (FDP) und Christian Lindner (FDP), im Rahmen des angekündigten „Zukunftsfinanzierungsgesetzes“ auch die Regelungen für Mitarbeiterbeteiligungen zu überarbeiten, zur rechten Zeit.

Doch die im Sommer von ihnen vorgestellten Eckpunkte des Zukunftsfinanzierungsgesetzes lassen Zweifel aufkommen, ob der zweite Gesetzesanlauf zur Stärkung der Mitarbeiterkapitalbeteiligungen tatsächlich wirkungsvoller für das deutsche Start-up-Ökosystem sein wird als die Bemühungen der Großen Koalition. Die darin vorrangig vorgesehene Anhebung des jährlichen Steuerfreibetrags für Mitarbeiterbeteiligungen ist für Start-ups irrelevant und wird ohne positive Wirkung auf das Start-up-Ökosystem bleiben. Denn anders als bei etablierten Unternehmen, geht es bei Start-ups beziehungsweise deren Mitarbeitenden gerade nicht um regelmäßige Einkünfte, sondern um lediglich einmalige Erlöse im Exit-Fall.

Damit, wie die Eckpunkte selbst postulieren, „Deutschland zum führenden Standort für Start-ups und Wachstumsunternehmen“ wird, ist entscheidend, die im Rahmen des „Fondsstandortgesetzes“ neu geschaffenen Regeln konsequent weiterzuentwickeln und erkennbare Schwachstellen zu beseitigen. Was bedeutet das konkret?

Kritik an Dry-Income-Besteuerung

Ausgangspunkt der Überlegungen zum Fondsstandortgesetz war, die zuvor geltende sogenannte Dry-Income-Besteuerung zu vermeiden, also eine Besteuerung auf lediglich imaginäre Einkünfte zum Zeitpunkt des Erhalts der Anteile. Mit dem Gesetz wurde grundsätzlich eine nachgelagerte Besteuerung eingeführt, die erst im Fall des durch den Exit ausgelösten Liquiditätszuflusses greift.

Das war ein entscheidender Schritt. Denn Mitarbeitenden war und ist nicht zuzumuten, ohne tatsächlichen Liquiditätszufluss Steuern zu zahlen. Das steigert nicht, sondern senkt die Attraktivität von entsprechenden Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen und macht sie zu einem unbrauchbaren Instrument der Talentgewinnung. Das gilt umso mehr, da der erfolgreiche Exit und der damit einhergehende Liquiditätszufluss zu einem späteren Zeitpunkt nicht garantiert und auch eine spätere Insolvenz des Start-ups nicht ausgeschlossen werden kann.

So nachvollziehbar und begrüßenswert der Grundgedanke des Fondsstandortgesetzes war, so wenig praxistauglich erwies sich dessen Ausgestaltung. Denn abweichend von der grundsätzlich geltenden nachgelagerten Besteuerung kommt es im Fall des Arbeitsplatzwechsels und nach zwölf Jahren dennoch zu der beschriebenen Dry-Income-Besteuerung. Das konterkariert nicht nur die eigene Zielsetzung, sondern wirkt in der Praxis schlicht abschreckend.

So ist auch zu erklären, dass keine Anwendungsfälle der im Juli 2021 in Kraft getretenen Regeln bekannt sind. Der Nachbesserungsbedarf ist hier mit den Händen zu greifen. In den vorgestellten Eckpunkten des Zukunftsfinanzierungsgesetzes jedoch findet er keine Erwähnung.

Zu starre Fixierung auf Unternehmensgröße

Auch die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf KMU, also auf Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von maximal 50 Millionen Euro, steht der breiten Anwendung des Gesetzes entgegen. Zwar mag die Begrenzung für manchen Beobachter auf den ersten Blick großzügig erscheinen, doch dabei wird übersehen, dass erfolgreiche Start-ups meistens sehr schnell skalieren und in nur kurzer Zeit aus dem Anwendungsbereich herauswachsen.

Gerade diese sogenannten Scale-ups haben einen sehr hohen Bedarf an qualifiziertem Personal und stehen in einem besonders hart umkämpften internationalen Wettbewerb um die besten Talente – das Silicon Valley lockt und Deutschland muss mithalten können. Gerade auch im Hinblick auf die digitale Souveränität Deutschlands und Europas ist es von großer Bedeutung, den Aufbau von globalen Tech-Champions made in Germany nach Kräften zu unterstützen. Diesen Unternehmen „auf halber Strecke“ die Unterstützung zu verwehren, wirkt wie eine Bestrafung für den Erfolg und senkt die Attraktivität des Gründungsstandortes Deutschland. Damit das erklärte Ziel des Gesetzesvorhaben erreicht werden kann, insbesondere „Wachstumsunternehmen“ zu stärken, sollte auch hier unbedingt nachgebessert werden.

Die grundlegende Bedeutung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen für die Talentgewinnung und -bindung von Start-ups und damit für die erfolgreiche Weiterentwicklung des deutschen Start-up-Ökosystems insgesamt ist politisch mittlerweile anerkannt. Jetzt geht es darum, im zweiten Anlauf diese Erkenntnis mit international wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen umzusetzen.

Kommt es nicht zu den skizzierten erforderlichen Nachbesserungen, bleibt Deutschland bei den Bedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen über Jahre hinweg Schlusslicht in Europa. Darunter würde nicht nur die Glaubwürdigkeit der Politik leiden, sondern Deutschland als attraktiver Start-up-Standort zurückfallen. Mit dem anstehenden Zukunftsfinanzierungsgesetz praxistaugliche, wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen zu schaffen, ist das Gebot der Stunde.

Christoph J. Stresing ist seit Mai 2019 Co-Geschäftsführer beim Startup-Verband. Zuvor war der studierte Jurist beim Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V. (BVK) als Leiter politische Kommunikation tätig, zuletzt auch zusätzlich als stellvertretender Geschäftsführer.

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