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Digitalisierung & KI

Standpunkte Mit Entrepreneurship-Kursen zu mehr Wissenstransfer

Laura Möller vom Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum
Laura Möller vom Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum Foto: Viktor Strasse

Schon heute bildet Deutschland an Universitäten und Hochschulen Talente aus, die das Zeug haben, ein „KI-Wunder“ zu bewirken. Um Transfer-Erfolge dabei nicht dem Zufall zu überlassen, appelliert Laura Möller vom Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum für mehr Ausbildung in Sachen Entrepreneurship.

von Laura Möller

veröffentlicht am 08.05.2024

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Tausende junge Menschen lernen heute über alle Fachbereiche hinweg an den Universitäten und Hochschulen bundesweit Dinge, die (generative) KI-Modelle schon (bald) beherrschen. Gleichsam gibt es eine lange Erfolgsgeschichte von Innovationen, die – gestützt durch die hochwertige Hochschulbildung – ihren Weg in die Welt fanden und finden. Nur fehlt bisher ein groß angelegtes Bestreben, Studierende, Forschende und Alumni dazu zu ermutigen, ihre Ideen noch öfter selbst zu Geschäftsmodellen und Unternehmen auszubauen. Dass wir Erfolg fast schon dem Zufall und der Eigeninitiative einiger Weniger überlassen, davon müssen wir uns angesichts der immer größeren internationalen Konkurrenz und gesellschaftlichen Herausforderungen verabschieden. Was muss sich ändern, damit Universitäten zu echten Brutstätten von KI-Start-ups werden?

Bisher wird an den meisten Einrichtungen vorrangig der über die jeweiligen Hochschulgesetze geregelte Auftrag zu Forschung und Lehre gelebt. Die sogenannte „Third Mission“, die unter anderem Transfer und Ausgründung umfassen kann, bietet hingegen noch viele Chancen. Überall gibt es „Pockets of Excellence“, Professor:innen, die Entrepreneurship nähren und potenzielle Gründer:innen unterstützen. Aber viel zu oft bleiben Silos bestehen, es fehlt interinstitutionelle Vernetzung und starke Beziehungen zur Wirtschaft und zum Kapital. Mit einem Fokus auf die Schlüsseltechnologie KI haben wir derzeit einen Hebel, über Industrien hinweg und mit unternehmerischem Handeln, diese Silos aufzulösen, da es von allen Seiten einen relevanten Zug gibt.

Ausgründungen als Auftrag, Entrepreneurship als Standardfach

Als dritte Säule sollte daher die Transferleistung durch Ausgründung von Start-ups aus den Universitäten und Hochschulen wesentlich stärker gelebt werden. Anpassungen der Hochschulgesetze wie beispielsweise in Berlin können neue Förderprogramme wie die „Start-up Factories“ des Bundeswirtschaftsministeriums wunderbar katalysieren. Entsprechend hat sich aus der Hauptstadtregion ein Konsortium von über 90 Prozent des Wissenschaftsbetriebs mit Unterstützung der regionalen und nationalen Wirtschaft als „Start-up Factory Unite“ beworben.

Zusätzlich leisten die auf Ausgründung ausgelegten Landesprogramme wertvolle Pionierarbeit, haben in Summe aber noch zu wenig Durchschlagskraft – weil die meisten Curricula von Studiengängen darauf ausgelegt sind, Spezialist:innen statt Start-up-Gründer:innen auszubilden. In Berlin wird beispielsweise bisher nur eine einstellige Prozentzahl der Studierenden mit Angeboten zur Gründung erreicht. Auch andernorts sind die Zahlen bisher ernüchternd, mit ein paar wenigen Ausnahmen, die zurecht als Best Practice adaptiert werden sollten.

Grundlegende Lerninhalte, die für Entrepreneurship begeistern, fehlen. Kein Wunder also, dass in Start-ups zu arbeiten oder selbst ein Unternehmen zu gründen, für die Wenigsten eine echte Option darstellt. Dabei wäre eine flächendeckende Ausbildung im Fach Entrepreneurship eine strategische Ressource, die Universitäten und die Gesellschaft als Ganzes stärkt, indem sie eine Kultur der Innovation und des Unternehmertums fördert, die für die Bewältigung der aktuellen volkswirtschaftlichen Herausforderungen unerlässlich ist. Und die Deutschlands Position als Wirtschafts-Powerhouse im vergangenen Jahrhundert geprägt hat.

Start-ups sind Motoren für Innovation, bringen neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt, die die Produktivität steigern und zur wirtschaftlichen Diversifizierung beitragen. Die Förderung des unternehmerischen Geistes durch Universitäten und Hochschulen erhöht zudem die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft, indem sie Innovationen hervorbringt, die auf globalen Märkten konkurrieren können.

Unternehmerisch denkende Absolvent:innen können mit ihren Ideen außerdem nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch sozialen und ökologischen Mehrwert schaffen. Die Vielfalt der Start-ups in verschiedenen Branchen stärkt zudem die Resilienz der Wirtschaft gegenüber Schocks und Veränderungen.

Mehr KI-Innovationen durch Start-up-Transfer

Gestützt durch den gesetzlichen Rahmen könnten Universitäten und Hochschulen „by design“ dafür sorgen, selbst aktiv den Transfer über Spin-off- und Start-up-Gründungen stärker zu forcieren. Ganz gleich, ob das über die Einrichtungen selbst oder privatwirtschaftliche Vehikel laufen würde.

Bisherige Kooperationen mit unseren starken Forschungsinstituten oder Lehrstuhl-Sponsorings von Unternehmen zum praxisnahen Forschungstransfer wären weiter möglich. Die Ausbildung von Talenten in Sachen Entrepreneurship aber verringert die Gefahr des vorherrschenden „Brain Drains“ hin zu Konzernen und schlimmstenfalls ins Ausland. Auch die Fortführung von Modellinitiativen zum KI-Transfer oder die über das Exist-Programm des BMWK entstehenden Start-up Factories würden angesichts eines veränderten Auftrags an die Universitäten und Hochschulen profitieren: Statt einem grundlegenden Bildungsauftrag bezüglich Start-up-Gründungen nachkommen zu müssen, wie bisher notwendig, um aus dem Studium fehlendes Know-how auszugleichen, könnten die Initiativen sich noch stärker auf die Arbeit an Ideen und Neugründungen fokussieren. Darüber lässt sich die Qualität weiter steigern, was wiederum mehr Kapital anzieht. Das ist insbesondere für Deep-Tech-Gründungen aus den Wissenschaften entscheidend.

Der Fokus auf KI sollte als günstiger Startpunkt angesehen werden, weil Ausgründungen aus der Wissenschaft hier besonders häufig stattfinden: 41,5 Prozent der KI-Start-ups sind Spin-offs, lediglich 2,4 Prozent sind es in der Breite, wie eine Studie zeigt.

In einer Welt, in der Künstliche Intelligenz zu Recht als erfolgsentscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft gilt, steht Deutschland an einem kritischen Wendepunkt. Dass Universitäten neben Lehre und Forschung auch die Unterstützung von Ausgründungen von wissenschaftsnahen Start-ups leben sollten, ist daher eine Notwendigkeit, um Deutschlands Position als global führende Innovationskraft zu festigen.

Laura Möller leitet als Direktorin das Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum (K.I.E.Z.). Das Zentrum ist eine Initiative von „Science & Startups“ – dem Verbund der Start-up-Services der Berliner Universitäten und der Charité-Universitätsmedizin – zur Unterstützung von wissenschaftsnahen KI-Start-ups und von etablierten Unternehmen.

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