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Digitalisierung & KI

Standpunkte Mit Open Government besser durch die Krise

Claudia Jach, Code for Germany
Claudia Jach, Code for Germany Foto: Leonard Wolf

Mit einzelnen digitalen Pilotprojekten können Verwaltungen die Corona-Krise nicht überstehen: Stattdessen braucht es Open Data, offene Software und gemeinsame Standards, fordert Claudia Jach von Code for Germany.

von Claudia Jach

veröffentlicht am 22.04.2020

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Einzelne digitale Prototypen zur Krisenbewältigung können öffentliche Verwaltungsstrukturen nicht ersetzen. Im Gegenteil, die Strukturen sind Voraussetzung für erfolgreiche digital-soziale Innovationen und Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltungen. Code for Germany beobachtet, dass in der gegenwärtigen Krise die Kommunen am handlungsfähigsten sind, die eine sehr gute offene IT-Infrastruktur und entsprechend geschultes IT-Personal haben.

Aus langjähriger ehrenamtlichen Tätigkeit wissen wir, welche Vorteile Open Government den Kommunen in ihrer Arbeit bringt. Dies gilt in Krisen umso mehr, in denen unter Zeitdruck und wechselnden Umständen staatliche Funktionen umgesetzt oder erweitert werden müssen. Verwaltungen haben die Aufgabe, ihre Handlungsfähigkeit demokratisch aufrecht zu erhalten. Dafür ist Open Government ein geeignetes digitales Werkzeug.

Open Government bedeutet, dass Verwaltungen und Regierungen transparent, kooperativ und partizipativ arbeiten. Verwaltungen werden auch für die Zivilgesellschaft geöffnet, um gemeinsam bessere Entscheidungen für die Allgemeinheit zu treffen. Daraus ergeben sich spezifische Anforderungen an die Digitalisierung von Verwaltungshandeln. In einem Handbuch hat Code for Germany diese Probleme adressiert und die Vorteile von Open Government aufgezeigt. Drei Punkte daraus sind von zentraler Bedeutung für krisenresiliente Verwaltungen:

1. Open Data bereitstellen und Datensouveränität sichern

Open Data ist Voraussetzung für Open Government. Allerdings zeigt die Krise, dass in vielen Bereichen Open Data fehlt, obwohl die entsprechenden öffentlichen Daten ohnehin erhoben werden und Verwaltungen vorliegen. Öffentlich finanzierte Daten sind von zivilgesellschaftlichen Akteuren, die einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten, nur schwer auffindbar und schlecht automatisch verarbeitbar. Oft haben sie Nutzungsrechte, die eine Weiterverarbeitung erschweren. Öffentliche Stellen müssen Souveränität über ihre eigenen Daten haben und sie proaktiv auf Open-Data-Portalen veröffentlichen, damit Innovation in Krisenzeiten nicht gehemmt wird und gemeinsam zentrale Verwaltungsdienstleistungen gesichert werden können. Offene CC-Lizenzen beseitigen rechtliche Unklarheiten von Anfang an und erhöhen den Spielraum in der Zusammenarbeit mit Akteuren inner- und außerhalb der Behörden.

2. Öffentliche Gelder für freie und offene Software verwenden

Die verwendete proprietäre Software wurde meist für einen bestimmten Zweck im Normalzustand entwickelt und eigene Anpassungen sind den Verwaltungen lizenzrechtlich nicht erlaubt. Daraus entsteht der Lock-In-Effekt. Verwaltungen sind an bestimmte Unternehmen gebunden, die Kosten und Arbeitszeit vorgeben. Die Förderung und der Einsatz von freier und offener Software (Open Source) hingegen ermöglichen einen zeitgemäßen Umgang mit Daten und machen Verwaltungen unabhängiger. Die Software kann von Mitarbeitenden in den Verwaltungen an Krisensituationen angepasst oder verfügbare Entwicklerinnen und Entwickler beauftragt werden – dezentral und agil.

3. Transparenz und Partizipation durch offene Standards digital ermöglichen

In Krisenzeiten gibt es einen hohen Bedarf an Informationen zur aktuellen Lage. Daten in digitalen Anwendungen sind aber oft intransparent eingesetzt und es ist unklar, wo und wie sie erhoben und ob sie bereits interpretiert oder verändert wurden. Durch Open Data sind die Primärquellen einsehbar, wodurch einem Vertrauensverlust in Verwaltungen entgegengewirkt werden kann. Daten zu den gleichen Sachverhalten werden je nach Bundesland aber oft in verschiedenen Formaten und mit unterschiedlichen technischen Standards veröffentlicht. Vergleichbarkeit und Zusammenführung wird dadurch erschwert. Offene Standards schaffen Abhilfe, da dadurch technische Parameter vordefiniert werden, vergleichbar mit dem Standard für Steckdosen, der verhindert, dass wir in einer bestimmten Region Adapter für Geräte brauchen.

Kommunen, die auf Open Government setzen, sind dadurch widerstandsfähiger und belastbarer, ihre eigene Handlungsfähigkeit wird gestärkt. Sie können von der Expertise der digitalen Zivilgesellschaft profitieren, nicht nur in einzelnen Prototypen, sondern auch in Beratung und gemeinsamen Projekten. Dafür ist allerdings zusätzlich eine Förderung des digitalen Ehrenamts nötig – als vorausschauende Investition in zukünftige Krisen.

Claudia Jach ist Politikwissenschaftlerin und Projektmanagerin für Code for Germany bei der Open Knowledge Foundation Deutschland. Code for Germany ist ein Netzwerk ehrenamtlich Aktiver, das sich für einen nachhaltigen digitalen Wandel in Politik und Verwaltung einsetzt.

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