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Standpunkte Müssen NFT reguliert werden?

Alexander Wellerdt, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Hengeler Mueller
Alexander Wellerdt, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Hengeler Mueller Foto: Hengeler Mueller

NFTs sind ein aktueller Tech-Hype. Die Versteigerungen von Kunstwerken, Fotos oder Tweets für hohe Summen hat NFTs in diesem Jahr mehrmals in die Schlagzeilen gebracht. Doch NFTs sind auch für weitere Anwendungsfelder denkbar – und könnten zu einer eigenen Anlageklasse werden. Dann bräuchte es neue Regulierungen, schreibt Anwalt und Finanzexperte Alexander Wellerdt von der Kanzlei Hengeler Mueller. Europa könnte mit einem transparenten Rechtsrahmen sogar zum Vorreiter werden.

von Alexander Wellerdt

veröffentlicht am 13.08.2021

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Non-Fungible Token, kurz NFT, bekommen seit diesem Jahr große Aufmerksamkeit. Es handelt sich um digitale Vermögenswerte, die in der Blockchain gespeichert werden. Das Besondere ist, dass sie nur einmal in der Blockchain existieren und nicht wie beispielsweise blockchain-basierte Zahlungsmittel wie Bitcoin und Co. in beliebiger Menge vorhanden und frei austauschbar sind.

Besonderes Aufsehen haben die Versteigerungen von digitalen Bildern im Jpeg-Format sowie von Musik- oder Videoclips als NFT erhalten, wofür Preise von 30.000 bis zu 70 Millionen US-Dollar gezahlt wurden. Entwickeln sich NFT von einem Tech-Hype zu einer (Vermögens-)Anlageklasse? Weitere Anwendungsfelder sind bereits denkbar. NFT können nicht nur digitale, sondern auch physische Werte wie beispielsweise Immobilien- oder Grundstücksanteile repräsentieren.

Was braucht es für eine Regulierung?

Je weiter der Anwendungsbereich der NFT reicht, umso größer werden die Investitionsmöglichkeiten. Damit einhergehend dürfte auch das Marktvolumen steigen, was sich im ersten Halbjahr 2021 bereits auf 2,5 Milliarden US-Dollar beläuft. An diesem Punkt stellt sich im Interesse der Anleger und der Marktintegrität die Frage, ob hierfür bereits regulatorischer Schutz vorhanden ist. Bisher besitzt weder der europäische noch der deutsche Rechtsrahmen eine eindeutige Systematik, um die vielfältigen technischen und wirtschaftlichen Erscheinungsformen zu erfassen. Was fehlt und was braucht es, um NFT zu regulieren?

Der europäische Rechtsrahmen kennt bisher nur Regeln für Finanzinstrumente und Wertpapiere, die unter anderem voraussetzen, dass sie gattungsmäßig standardisiert sind, um gehandelt zu werden und dass sie dazu dienen eine finanzielle Rendite zu erzielen. Bei Kunst- oder Musik-NFT dürfte eine gattungsmäßige Standardisierung gerade aufgrund ihrer Einmaligkeit oder ihrer Exklusivität weniger Stücke ‎nicht vorliegen und das Erzielen einer finanziellen Rendite zumindest fraglich sein.

Eine Spekulationsabsicht oder die Erwartung einer finanziellen Rendite ist nicht ausreichend. Es muss eine begründete Gewinnerwartung durch eine Beteiligung am Gewinn des Emittenten oder eine Verzinsung vorliegen. Das könnte bei Immobilienanteilen der Fall sein. Ferner hat der Gesetzgeber in Deutschland mit der Definition eines Kryptowerts bereits eine begriffliche Grundlage geschaffen, die im Einzelfall NFT erfassen könnte. Indes besteht auch hier noch Ungewissheit, ob es sich bei NFT um Kryptowerte handelt, die Anlagezwecken dienen. Von Seiten der Finanzmarktaufsicht BaFin gibt es hierzu noch keine klarstellende Stellungnahme.

MiCA als Ausweg aus dem regulatorischen Dilemma

Sollten die bestehenden europäischen und deutschen Gesetze angepasst oder die Anwendung der Regelungen zwischen verschiedenen Erscheinungsformen von NFT differenziert werden, würden NFT einem umfassenden Antrags- beziehungsweise Zulassungsverfahren unterliegen. Das wäre sowohl gegenüber den Emittenten als auch für den Handel nicht mehr verhältnismäßig.

Eine Lösung aus diesem regulatorischen Dilemma könnte der europäische Legislativvorschlag für eine Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA) bieten. Dieser enthält auch eine Definition eines Kryptowerts, die in allen EU-Mitgliedstaaten gelten würde. Der Begriff wird sehr weit gefasst, sodass ein Ausgangspunkt für eine Regulierung von NFT gelegt wäre. Demnach würden öffentliche Angebote und der Handel von NFT speziellen Offenlegungsregeln von Informationen – vergleichbar mit den Regeln, die für Wertpapiere wie Aktien und Anleihen Anwendung finden – unterliegen. Darüber hinaus ist bisher keine Zulassung, sondern lediglich eine Notifizierung gegenüber der BaFin und eine Aufnahme in ein europäisches Verzeichnis erforderlich.

Allerdings sind in dem Entwurf weitreichende Ausnahmen gerade für solche Kryptowerte, die nur einmal existieren und gerade nicht-fungibel sind, vorgesehen. Hierdurch dürfte der grundsätzlich vorhandene Regulierungsansatz für NFT in der Praxis wieder eingeschränkt werden. Ein Grund könnte darin liegen, dass NFT weder bei den Konsultationen auf Fachebene noch in den Erwägungsgründen der Verordnung ausdrücklich berücksichtigt wurden. Die Regelungen, die NFT erfassen könnten, sind aktuell als bloßer Auffangtatbestand vorgesehen, weshalb ausdrückliche Regelungen für NFT fehlen.

Angesichts der zunehmenden Verbreitung unterschiedlicher NFT in verschiedenen Wirtschaftsbereichen, wäre es zu wünschen, wenn bei den laufenden Verhandlungen die Regelungen im Sinne der Rechtsklarheit nachgeschärft würden. NFT kommt in ihrer technischen Ausstattung und wirtschaftlichen Bedeutung eine Sonderrolle zu. Deshalb sollte der sich gerade entwickelnde Rechtsrahmen darauf mit spezifischen Regeln und Ausnahmen konkret eingehen. Dann könnte Europa mit einem transparenten Rechtsrahmen ein Vorreiter sein, um für Emittenten und Investoren von NFT Rechtssicherheit zu schaffen und die Entwicklung einer neuen Anlageklasse vorausschauend regulatorisch zu begleiten.

Alexander Wellerdt ist Rechtsanwalt bei Hengeler Mueller in Frankfurt am Main. Er berät unter anderem im Bank- und Finanzaufsichtsrecht.

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