Die Vorschläge von Wirtschaftsminister Habeck zur Digitalisierung des Stromnetzes und dem Ausbau der Smart Meter sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Doch für die Digitalisierung des Stromnetzes braucht es weitere Anstrengungen und Maßnahmen. Es gilt jetzt die Weichen so zu stellen, dass auch die Bürger unmittelbar vom Smart-Meter-Einsatz profitieren. Dies gelingt zum Beispiel durch eine intelligente Regelung innerhalb der Gebäude. Doch dafür müssen entsprechende Lösungen ebenfalls Lesezugriff auf die Smart-Meter-Daten haben.
Mitte Dezember hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf für einen schnelleren Rollout von Smart Metern vorgelegt. Netzanschlüsse von Stromkunden mit einem Verbrauch von mehr als 100.000 Kilowattstunden pro Jahr sollen ab 2025 in der Regel mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet werden. Kunden mit einem Verbrauch zwischen 6.000 und 100.000 Kilowattstunden sollen bis spätestens 2030 einen Smart Meter erhalten. So weit, so gut. Kaum waren die Pläne bekannt geworden, hagelte es Vorschläge, wie der Ausbau vonstattengehen könnte. Doch das Wie steht dabei erst an zweiter Stelle. Wichtig ist erstmal, dass endlich was passiert. Ein Blick auf den EU-Raum zeigt dabei, dass das in Deutschland höchste Zeit wird. Wir müssen in Sachen Digitalisierung des Stromnetzes die Siebenmeilenstiefel anziehen.
Deutschland liegt weit hinten
Ein Blick in die europäischen Nachbarländer zeichnet ein klares Bild. Schweden hat alle Haushalte mit Smart Metern ausgestattet, ebenso Italien und Spanien. In den Niederlanden sind es rund 95 Prozent der Haushalte – Rollout-Beginn für die Smart Meter war hier aber auch schon 2008. Im gesamten EU-Raum sind seit 2020 rund 72 Prozent der Haushalte mit einem Smart Meter ausgestattet, so schätzt die EU-Kommission. Und Deutschland? Experten gehen davon aus, dass bis Anfang 2023 gerade mal rund ein Prozent der Haushalte einen Smart Meter haben.
Bei der Frage nach den Gründen für dieses Schneckentempo fallen stets die gleichen Begriffe: Zu kompliziert, zu bürokratisiert sei das deutsche Vorgehen. Zwar sind die EU-Mitgliedstaaten gemäß den Vorschriften für den Energiemarkt im Rahmen des dritten Energiepakets verpflichtet, die Einführung intelligenter Messsysteme zu gewährleisten. Die Kriterien für die Einführung legen aber die Mitgliedsstaaten weitgehend selber fest. Und in Deutschland sind die Vorschriften insbesondere in Sachen Datenschutz nun einmal hoch.
Erst der Energiemanager bringt vollen Mehrwert
Und ein weiterer Punkt kommt hinzu. Die intelligenten Zähler haben für die Bewohner und Besitzer der Gebäude momentan nur einen geringen Mehrwert. Von den erhobenen digitalen Daten profitieren in erster Linie die Netzbetreiber. Das soll sich in Deutschland ab 2025 ändern, wenn Kunden endlich, wie in vielen Ländern schon längst üblich, Zugriff auf variable Stromtarife haben. Dadurch könnten zum Beispiel große Energieverbraucher wie E-Autos zu günstigen Zeiten – etwa in der Nacht – aufgeladen werden.
Das klingt gut, benötigt aber auch auf Kundenseite eine neue digitale Infrastruktur. Es braucht eine Steuerung, die bei günstigen Strompreisen E-Auto, Waschmaschinen und andere Verbraucher ansteuern kann. Komfortabel sind hier serverbasierte Lösungen. Diese können mit ihrer Software nicht nur die Tarife auslesen, sondern durch einen Energiemanager alle Geräte und Verbraucher in einem Gebäude intelligent regeln. Der Server einer solchen intelligenten Automation regelt die bestmögliche Verteilung der Energie, abhängig von Stromtarif und aktuellen Preisen, Eigenproduktion etwa durch eine Photovoltaikanlage, Bedarf, Priorisierung der angeschlossenen Geräte und Verbraucher, Anwesenheit der Bewohner, Wettervorhersagen und so weiter.
Ein effizientes und umfassendes Energiemanagement kann, egal ob im Bestands-, Neu- oder Zweckbau, einen maßgeblichen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, indem Energiesparpotentiale aufgedeckt und smart genutzt werden. Aber nicht nur die Umwelt wird geschont – durch eine höhere Energieeffizienz können auch die Kosten erheblich gesenkt werden. Übrigens stehen durch die intelligente Gebäudeautomation den Bürgern weitere digitale Möglichkeiten zur Verfügung, zum Beispiel zur Verbesserung der Sicherheit oder auch altersgerechte Assistenzsysteme.
Absurde Datenschranke
Doch für den Einsatz intelligenter Lösungen und deren Nutzung zur Energieoptimierung brauchen die Bewohner Zugriff auf ihre Daten. Das klingt selbstverständlich, ist es aber leider nicht. In Italien haben wir die absurd anmutende Situation, dass Netzbetreiber die Smart-Meter-Daten nutzen dürfen, die Bewohner ihre wohlgemerkt eigenen Daten aber nicht. Eine solche Situation gilt es in Deutschland in jedem Fall zu vermeiden.
Datenschutz ist wichtig, die Datennutzung aber ist es ebenso. Der nun vorliegende Gesetzentwurf fokussiert leider in seiner Darstellung die Energieversorger und die intelligenten Netze. Der Nutzen für das eigene Heim bleibt abstrakt. Es bedarf hier einer klaren bürgerfreundlichen Regelung. Und um die Akzeptanz für Smart Meter zu erhöhen, braucht es eine Öffentlichkeitskampagne. Dazu gehört, dass die Bundesregierung ihre Aufklärung über Maßnahmen zum Energiesparen um den Bereich der intelligenten Gebäudeautomation erweitert. Häufig werden hier nur Heizthermostate fokussiert. Wie das Stromnetz auch braucht es aber auch im Gebäude einen ganzheitlichen Ansatz. Denn die gebäudeweite Vernetzung ermöglicht deutlich höhere Einsparmöglichkeiten als einzelne smarte Produkte.
Rüdiger Keinberger ist Geschäftsführer des international agierenden Unternehmens Loxone, das nach eigenen Angaben auf Gebäudeautomation spezialisiert ist und weltweit an über 250.000 Vernetzungsprojekten in Gebäuden beteiligt war.