Erweiterte Suche

Energie & Klima

Standpunkte Auf dem Windgipfel den Gordischen Knoten durchschlagen

Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie
Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie Foto: BWE

Der Windkraftausbau kommt bislang nur schleppend in Gang. Erste Verbesserungen sind geschafft, nun muss es richtig losgehen: Vor dem Windgipfel fordert die Branche, dass weitere Hürden aus dem Weg geräumt werden und die Behörden auf allen Ebenen den Ausbau durchgängig unterstützen. Der Präsident des Windkraftverbandes BWE, Hermann Albers, will erreichen, dass noch in diesem Jahr die Zahl der Genehmigungen steil ansteigt.

von Hermann Albers

veröffentlicht am 15.03.2023

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Der Startblock steht immerhin: Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr das Osterpaket auf den Weg gebracht und eine Reihe von Ausbau-Einschränkungen durch Radare geklärt. In diesem Monat ist dann die EU-Notfallverordnung in nationales Recht umgesetzt worden. Damit ist eine erste Grundlage für den Hochlauf des Windkraft-Zubaus geschaffen.

Noch bestehen aber an vielen Stellen Hürden und Hemmnisse, die einem erfolgreichen Start im Weg stehen. Zugleich gibt es im nachgeordneten Bereich sowohl der Bundes- als auch der Landesebene weiter an zu vielen Stellen den Willen, den dringend erforderlichen Zubau der Windenergie zu behindern. Deshalb ist der von Wirtschaftsminister Robert Habeck angekündigte Windgipfel richtig. Hier kann in Fortführung der deutlichen Bekenntnisse nach dem Sonder-Energieministertreffen vom 8. März 2023 neues Engagement gesichert werden.

Altmaiers Windgipfel führte zu fast nichts

Gelingt dies, kann der Gipfel sich deutlich von ähnlichen Ansätzen in der letzten Legislatur abheben. Der Windgipfel 2019 ist der Branche noch in unguter Erinnerung. Dem konstruktiven Treffen unter Leitung des damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gelang eine gemeinsame Problembeschreibung. Ein hübsch gestaltetes Abschlusspapier enthielt erfreulich konkrete Daten, wann erkannte Probleme aufgelöst werden sollten. Allein – umgesetzt wurde davon fast nichts. Die Windbranche blieb ohne politische Unterstützung unter massivem Druck. Die Hypothek der vergangenen Legislatur – 50.000 verlorene Jobs und eine Reihe von Unternehmenspleiten – lastet noch heute schwer.

Die Feststellung von Robert Habeck bei einer Pressekonferenz am Donnerstag vergangene Woche, der Ausbau der Windenergie komme bereits voran, ist nicht falsch. Der Ausbau heute resultiert allerdings aus den Zuschlägen der letzten zwei Jahre und noch weiter zurückliegenden Genehmigungen. Den langsamen Anstieg des Zubaus nach dem Tiefpunkt 2019 hat sich die Branche mit Hilfe einiger weniger Bundesländer selbst erarbeitet.

Der Sprung von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr erfolgte von einem äußerst niedrigen Niveau aus. Noch sind weder der durchschnittliche Zubau der Jahre 2014 bis 2017 mit damals jährlich 4.500 Megawatt erreicht noch die im Rahmen des Osterpakets als jährlicher Korridor festgeschriebenen 10.000 Megawatt erkennbar.

Trotzdem: Im Vergleich zu 2019 haben sich die Bedingungen deutlich verändert. Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat bereits bei Ihrem Amtsantritt klargestellt, dass es ihr Ernst ist mit der Transformation des deutschen Energiesystems. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat die Bundesregierung die Ausbauziele weiter angehoben. Die fossile Energiekrise hat gleichzeitig den Fokus neu gesetzt und die politischen Versäumnisse der Vorgängerregierungen offengelegt.

Windenergie ist der Lastenträger im System

Bis 2030 sollen 80 Prozent der deutschen Energieversorgung aus regenerativen Quellen stammen. Neben der Photovoltaik ist dabei die Windenergie der große Lastenträger im zukünftigen Energiesystem. In diesem Jahr geht ein Rekordvolumen von 12.840 Megawatt Windenergie an Land in die Ausschreibung. Dieses Volumen braucht ausreichend Genehmigungen. Um diese zu erreichen, hat der Bund die rechtlichen Instrumente bereitgestellt. Nun sind die Länder gefordert, das neue Bundesrecht anzuwenden. Für dieses Jahr sollte das Mindestziel sein, Genehmigungen in einem Umfang von 10.000 Megawatt Leistung bereitzustellen. Dafür müssen bereits begonnene Verfahren nun schnell beschieden werden. Es braucht neue Flächen über kurzfristige Verfahren, in denen dann schnell geplant werden kann. Geschwindigkeit wird die neue Leitwährung, um den Energiesektor klimaneutral, unabhängig und widerstandsfähig zu machen.

Doch die erste Ausschreibungsrunde dieses Jahres war deutlich unterzeichnet; der aktuelle Stand der Genehmigungen gibt Anlass zur größten Sorge. Nur knapp 400 Megawatt bis März sind nicht weniger als ein Alarmsignal. Noch immer verteilen sich Zubau und Genehmigungen deutlich entlang des Nord-Süd-Gefälles: Während der Norden und NRW den Zubau der Windenergie an Land ganz überwiegend stemmen, fällt der besonders verbrauchsintensive Süden weiter zurück. Künftig wird diese Situation auch den Wohlstand in den südlichen Bundesländern bedrohen, werden doch erneuerbare Energien immer häufiger zum entscheidenden Standortfaktor für Unternehmen.

Neue Hürden verhindern

Der Windgipfel am 22. März 2023 muss also den Startschuss liefern, um Genehmigungen und damit Zubau bundesweit zu entfesseln. Dafür müssen die noch bestehenden Hürden abgebaut werden. Zusätzlich braucht es eine Verständigung, dass keine neuen Hindernisse entstehen. Die gesetzliche Klärungen für Flächen, Ausbauziel, Priorität der Erneuerbaren, Standards im Artenschutz helfen wenig, wenn gleichzeitig neue Blockaden errichtet werden.

Ein besonders eindrückliches Beispiel – im negativen Sinne – liefert hier der Entwurf für einen Anwendungserlass zum Bundesnaturschutzgesetz in Brandenburg. Laut dem Entwurf stellen Windanlagen eine Beeinträchtigung der Rohrweihe dar, da ihre Rotorflügel „rhythmische Unterbrechungen des Sonnen- und Mondlichts (Discoeffekt)“ erzeugen; daneben soll die Staubentwicklung durch Personen und Fahrzeuge den Vogel stören. Derartig restriktive Auslegungen führen die Zubaupläne der Regierung ad absurdum und helfen niemandem.

Zusätzlich braucht es ein klares Bekenntnis, jetzt in ein mutiges Repowering auf den aktuell genutzten Flächen einzusteigen. Die EU-Notfallverordnung gibt dafür einen zusätzlichen Impuls. Diesen gilt es zu nutzen, um die installierte Kapazität mit hoch modernen und effizienten Anlagen bei gleichzeitiger Reduktion der Anlagenzahl sehr schnell zu steigern.

Es geht beim Windgipfel um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von allen zuständigen Akteuren eine gemeinsame Kraftanstrengung erfordert: Dies betrifft die Bundesebene insgesamt wie einzelne Bundesministerien und deren nachgeordnete Behörden, die Verantwortlichen in den Bundesländern, den Landesbehörden und der kommunalen Ebene. Dieses neue Commitment kann ein wichtiger Grundstock werden, um die noch zu oft destruktiv eingesetzten Ressourcen in den Behörden zu einer kreativen Kraft für die Erreichung der Energiewendeziele neu auszurichten.

Der Bundesverband Windenergie hat im Vorfeld des Gipfels den beteiligten Ministerien umfassende und zugleich konkrete Vorschläge übermittelt. Der Verband hat insgesamt 58 Punkte in 13 verschiedenen Handlungsfeldern identifiziert. Es geht um Flächenmobilisierung und Flächensicherung, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, Vereinfachungen bei Transportgenehmigungen, Klärungen bei Denkmalschutz und bei Flächen entlang der Bundesfernstraßen sowie weiterhin notwendiger Korrekturen am EEG. Entscheidend ist, dass das Flächenziel von zwei Prozent tatsächlich nutzbarer Fläche frühzeitig, im Idealfall schon 2025, erreicht wird.

Noch in diesem Jahr muss mehr genehmigt werden

Beim Windgipfel müssen diese großen Fragen ebenso angegangen werden wie scheinbar nachrangige Themen, die sich trotzdem entscheidend auf den Ausbau auswirken können. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, wie viele Begleitfahrzeuge den Transport eines Rotorblattes sichern müssen.

Dieser Gipfel kann den letzten Hieb setzen, um den gordischen Knoten endlich zu durchschlagen und die seit Jahren hinlänglich bekannten Hindernisse nun gemeinsam aus dem Weg zu räumen. Es braucht jetzt einen Aufbruch, der noch in diesem Jahr durch einen steilen Anstieg bei den Genehmigungen sichtbare Ergebnisse zeigt und damit die Basis für rasanten Ausbau ab 2024 legt.

Wir sind der Bundesregierung dankbar, dass sie seit Beginn der Legislaturperiode anpackt und handelt. Die Initiative für den Windgipfel ging von Robert Habeck aus. Er hat erst kürzlich unterstrichen, dass man sich nicht vor der Größe und der Komplexität von Problemen wegducken darf, sondern es gelte, die Ärmel hochzukrempeln und nach Lösungen zu suchen. Am Ende des Windgipfels sollten aber auch Ergebnisse stehen: Vor allem muss sichtbar werden, dass Bund, Länder und die Behörden auf allen Ebenen die Branche bei der Zielerreichung unterstützen.

Hermann Albers ist Präsident im Bundesverband Windenergie, Vizepräsident im Bundesverband Erneuerbare Energie und Gründer der Albersgruppe, die unter anderem im Bereich Photovoltaik und Windkraft aktiv ist.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen