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Energie & Klima

Standpunkte Höhenwindenergie – bereit für den Markteintritt

Kristian Petrick und Mark Hoppe, Secretary General und Vice Chairman von Airborne Wind Europe
Kristian Petrick und Mark Hoppe, Secretary General und Vice Chairman von Airborne Wind Europe

Etwa ein Dutzend Hersteller arbeiten mit Forschern und der Energiewirtschaft an Kites und Flugdrachen zur Stromerzeugung. Für die Markteinführung der revolutionären Technologie benötigen sie politische Unterstützung, erklären Kristian Petrick und Mark Hoppe vom Verband Airborne Wind Europe. Nötig sei einer Vergütung von anfangs 20 Cent und für den Übergang Flugbeschränkungsgebiete.

von Kristian Petrick & Mark Hoppe

veröffentlicht am 21.11.2023

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Um die im EEG definierten Ausbauziele für erneuerbare Energien zu erreichen, ist es nötig und sinnvoll, alle zur Verfügung stehenden Technologien und Instrumente zu nutzen. Derzeit liegt der Erneuerbaren-Ausbau weiter hinter den Planungen zurück, und um es zu schaffen, im Jahr 2030 80 Prozent und in 2035 100 Prozent Erneuerbare im Stromsystem zu haben, sollten alle Potenziale genutzt werden. Dazu gehört ohne Zweifel die Höhenwindenergie (HWE), auf Englisch „Airborne Wind Energy (AWE)“. Das ist eine revolutionäre Technologie, die mittlerweile bereit für den Markteintritt ist.

HWE-Anlagen erzeugen Strom mittels automatisierter, an einem Seil befestigter Fluggeräte oder Drachen. Sie ermöglichen es, das enorme erneuerbare Potenzial von Winden in Höhen von 400 bis 800 Metern zu erschließen und dies bei 90 Prozent weniger Materialeinsatz und gleichzeitig hohem Kapazitätsfaktor. Die Anlagen sind skalierbar von einigen Kilowatt bis zu mehreren Megawatt Leistung und können somit diverse neue Märkte und Standorte erschließen, zum Beispiel Einzelstandorte zur Eigenversorgung mit erneuerbarem Strom, Offshore-Repowering, Floating Offshore, bergige und abgelegene Regionen.

Fünf Prozent innovative Technologien  

Die Leistungsdichte in HWE-Windparks wird jener von etablierten Windfarmen in Zukunft vergleichbar sein. Allein in Deutschland besteht ein Potenzial von mehreren Dutzend Gigawatt. Bereits in einigen Jahren können die HWE-Stromgestehungskosten voll konkurrenzfähig sein. Die kommenden Jahre sind jedoch entscheidend, um die Entwicklung der Kostendegression voranzutreiben. Dabei kann HWE bereits dazu beitragen, das neue, in der europäischen Erneuerbaren-Richtlinie RED III festgelegte Ziel zu erreichen, dass fünf Prozent des 2030er Erneuerbare-Energien-Ziels durch innovative Technologien zu decken sind. 

Aktuell entwickeln etwa ein Dutzend Hersteller Höhenwindenergiesysteme, und weltweit sind mehr als 50 Institutionen entlang der Lieferkette aktiv. In Deutschland gibt es neben führenden Herstellern wie SkySails Power, EnerKíte, Kitekraft und Oceanergy auch mehrere Universitäten, Forschungseinrichtungen, Projektentwickler, Energieversorger und große deutsche Industriepartner, die an HWE arbeiten. Einige Unternehmen stehen unmittelbar vor der Markteinführung ihrer Systeme.

Um erfolgreich in den Wettbewerb und die regulierten europäischen Strommärkte einzutreten, benötigt HWE – wie andere Technologien in der Vergangenheit – politische Unterstützung. Dabei geht es neben Markteinführungshilfen um den Abbau administrativer Hemmnisse. Bisher ist Höhenwindenergie noch keine im EEG berücksichtigte und über die Regelungen des Gesetzes geförderte Technologie.

Der Branchenverband Airborne Wind Europe setzt sich daher dafür ein, dass HWE-Anlagen als eigenständige Technologie ins EEG aufgenommen werden. Ein Grund dafür ist, dass HWE-Anlagen nicht unter das gängige Verständnis einer Windenergieanlage mit Turm und Rotor fallen. Hinzu kommt, dass kommerzielle HWE-Anlagen derzeit im Bereich von 150 kW Leistung liegen und in den nächsten Jahren in die MW-Klasse skaliert werden. Damit sind sie bereits größer als Kleinwindanlagen, aber noch deutlich kleiner als etablierte Windenergieanlagen.

Wie andere erneuerbare Energieträger auch, sollten HWE-Anlagen eine technologiespezifische Vergütung erhalten. Ein Einspeisetarif oder anzulegender Wert sollte am Anfang bei etwa 20,00 Cent/kWh liegen und kann dann in den Folgejahren kontinuierlich absinken. Dies wäre ein einfaches Modell für Anlagenbetreiber, welches eine hohe Investitionssicherheit gewährleistet und damit den Markthochlauf unterstützt. Ab den 2030er Jahren kann HWE weitgehend wie etablierte Technologien behandelt werden. Dies bedeutet, dass es dann spezifische Ausschreibungen für HWE geben sollte, wie sie auch für PV oder Wind an Land existieren. 

Keinerlei Gefahr für die Luftfahrt

Was die Luftraumintegration anbelangt, sollten HWE-Anlagen – da sie erneuerbaren Strom produzieren – im „überragenden öffentlichen Interesse“ einen übergeordneten oder mindestens gleichberechtigten Zugang zum Luftraum bekommen. Dabei sollten andere Luftverkehrsteilnehmer eine HWE-Anlage generell als Hindernis betrachten, welches – wie herkömmliche Windparks auch – zu umfliegen ist. Der große Vorteil von HWE-Anlagen in Bezug auf die Luftraumintegration ist jedoch, dass die Kites oder Drachen im Bedarfsfall automatisiert und rasch ihre Flughöhe absenken oder landen können. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sie keinerlei Gefahr für die Luftfahrt darstellen. Für etwa zehn Test- und Demonstrationsstandorte sollten sogenannte Flugbeschränkungsgebiete (ED-R) für eine beschränkte Zeit in Deutschland eingerichtet werden.

Höhenwindenergie bietet ein enormes Potenzial sowohl für eine klimafreundliche Energieerzeugung als auch für den Hochtechnologiestandort Deutschland. Der Sektor ist bereit – mit politischer Unterstützung kann dieses Potenzial auch schnell erschlossen werden.

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