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Energie & Klima

Standpunkte Beendet die Kohleausbeutung in Kolumbien!

Karmen Ramírez Boscán, Colombia Humana
Karmen Ramírez Boscán, Colombia Humana Foto: Büro Kathrin Henneberger

Die kolumbianische Regierung unter Gustavo Petro und die deutsche Bundesregierung planen eine bilaterale Klimapartnerschaft. Das ist der richtige Zeitpunkt und Anlass, um den gemeinsamen Ausstieg aus der Kohle zu besiegeln, meinen die grüne Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger und die Politikerin und Aktivistin Karmen Ramírez Boscán in ihrem Standpunkt. Die am meisten von den Folgen der fossilen Ausbeutung Betroffenen müssten in die Ausgestaltung der Partnerschaft einbezogen werden.

von Karmen Ramírez Boscán

veröffentlicht am 08.06.2023

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Im November 2022 einigten sich deutsche und kolumbianische Regierungsvertreter*innen auf eine gemeinsame Klimapartnerschaft, die noch dieses Jahr durch ein „Memorandum of Understanding“ besiegelt werden soll. Auch der Bundestag hat sich im selben Monat in einem Antrag zur Bedeutung von Klimapartnerschaft und insbesondere zu einer Zusammenarbeit mit Kolumbien bekannt. Klimapartnerschaften als bilaterale Instrumente, um gemeinsam die Energiewende voranzutreiben und sich in Partnerschaften gemeinsam auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, sind prinzipiell eine wichtige Errungenschaft und gutes Signal an die Weltgemeinschaft.

Doch wie bei so vielen politischen Entscheidungen liegt der Teufel im Detail. Auch wenn das Detail bei der Klimapartnerschaft mit Kolumbien eigentlich nicht zu übersehen ist. Als größter Steinkohleexporteur Lateinamerikas spielt Kolumbien auch für die deutsche fossile Energieversorgung eine bedeutende Rolle. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und das damit verbundenen Kohleembargo der EU gegen Russland wird nun wieder vermehrt auf kolumbianische Steinkohle gesetzt. Laut Statistischem Bundesamt sind die Importe 2022 im Vergleich zum Vorjahr auf mehr als das Dreifache gestiegen – Menschenrechtsverletzungen, Vertreibung und Umweltverschmutzung inklusive. Am meisten betroffen sind davon indigene und afrokolumbianische Gemeinden, die sowieso schon überdurchschnittlich von Diskriminierung, dem bewaffneten Konflikt und Armut betroffen sind.

Die Regierung von Gustavo Petro, die erste linke Regierung in Kolumbien überhaupt, hat sich zum Ausstieg aus der Förderung fossiler Energieträger bekannt und erst im April ein Antifracking-Gesetz auf den Weg gebracht. Doch auch wenn die Regierung aus der Kohle aussteigen möchte, braucht es hierfür einen geregelten Prozess, damit der Strukturwandel die Bevölkerung nicht nur mit verschmutzten und ausgetrockneten Flüssen, Arbeits- und Perspektivlosigkeit sowie Armut alleinlässt, sondern tatsächlich sozial gerecht, gendersensibel und nachhaltig gestaltet werden kann. In dem Prozess dieser neuen Umweltschutzpolitik bleibt es eine zentrale Herausforderung, dafür zu sorgen, dass Wasser ein Recht für die Menschheit und nicht für multinationale Unternehmen ist.

Hier kommt nun die Klimapartnerschaft ins Spiel. Denn neben Waldschutz und Friedensprozess setzt das federführende Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auch auf die Unterstützung beim Klimaschutz. Deutschland befindet sich bereits mitten im Kohleausstieg und könnte hierbei nicht nur aufgrund seiner Erfahrung mit Kolumbien zusammenarbeiten und den Prozess unterstützen.

Es geht auch um die Übernahme von Verantwortung für die Auswirkungen des Steinkohletagebaus in den Regionen Cesar und La Guajira, welcher seit mehr als drei Jahrzehnten den internationalen Steinkohlemarkt bedient – denn die allermeiste in Kolumbien geförderte Kohle ist für den Export bestimmt. Wie wichtig und bedeutend wäre es hier, wenn Deutschland diese Verantwortung anerkennen, übernehmen und in der geplanten Klimapartnerschaft widerspiegeln würde – wir als Parlamentarierinnen aus Kolumbien und Deutschland möchten gerne diesen Weg der Zusammenarbeit gehen.

Und nicht nur ein gemeinsames Bekenntnis zum Kohleausstieg und die Unterstützung beziehungsweise Wiedergutmachung wären ein starkes Signal. Auch für die Zukunft der Region ist die deutsche Haltung von Bedeutung. Denn die Alternative zu den Kohleexporten liegen zu einem großen Teil in der Produktion von grünem Wasserstoff und Wasserstoffderivaten. Die grüne Energie dafür soll genau wie die Kohle in den nördlichen Regionen produziert werden.

Wir wollen jedoch nicht, dass sich hier eine neokoloniale Ausbeutung der Region wiederholt. Viele indigene und afrokolumbianische Gemeinden haben bisher noch keinen ausreichenden und sicheren Zugang zu Trinkwasser, Energie und medizinischer Versorgung. Diese fundamentalen Bedürfnisse müssen erfüllt werden.

Es braucht zudem ein echtes Mitspracherecht der Menschen über die Zukunft ihrer Region. Die Grundlagen gibt es: Kolumbien und Deutschland habe beide die Konvention 169 der UN-Organisation ILO unterzeichnet. Kolumbien hat letztes Jahr sogar das Escazú-Abkommen ratifiziert. Die deutsche Regierung hat sich zudem mit ihren Leitlinien für eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik dazu bekannt, Frauen und andere benachteiligte Personengruppen besonders in den Fokus zu nehmen. Es wird Zeit, dass diese Abkommen auch mit Leben gefüllt werden. Einen besseren Zeitpunkt als diesen gibt es nicht. Eine solche Klimapartnerschaft wäre ein passendes Puzzlestück auf dem Weg zu einer klimagerechten Zusammenarbeit.

Karmen Ramírez Boscán ist eine indigene Frau des Wayuu-Volkes, feministische Aktivistin, Menschenrechts- und Umweltschützerin und kolumbianische Politikerin der Partei Colombia Humana. Sie wurde bei den Parlamentswahlen 2022 in die Abgeordnetenkammer gewählt und gehört der Koalition Pacto Histórico an.

Kathrin Henneberger ist seit 2021 Grüne Bundestagsabgeordnete. Ihr Fokus liegt auf globaler Klimagerechtigkeit und klimagerechter Energiewende. Sie setzt sich für den möglichst schnellen Stopp des Braunkohleabbaus insbesondere in ihrer Region, dem Rheinischen Revier, ein.

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