Der Sommer 2023 war ein bitterer Vorgeschmack – zahlreiche Extremwetterereignisse haben einen Blick auf eine unsichere Zukunft angesichts der Klimakrise eröffnet. Noch besorgniserregender als einzelne Stürme, Fluten und Dürren sind die alarmierenden Werte der globalen Luft- und Wassertemperaturen, die uns wahrscheinlich in das mit Abstand wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen katapultieren werden.
Zwar zeigen die jüngsten Analysen der Internationalen Energieagentur eine neue Dynamik der Energiewende mit hohen Investitionen in Erneuerbare. Gleichwohl steigen die globalen Emissionen zum Beispiel durch die Verzögerungen beim Ausstieg aus fossilen Energien. Somit sind die Reaktionen auf die Klimakrise, die auch in Industriestaaten etwa durch Waldbrände und Flutkatastrophen immer mehr Opfer fordert, in keiner Weise ausreichend. Damit sich das ändert, ist eine aktive Klimaaußenpolitik unverzichtbar.
Das in der Verfassung verankerte Klimaschutzgebot „verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken“, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Klima-Beschluss 2021. Doch der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 lässt keinerlei Dringlichkeit diesbezüglich erkennen. Die Mittel für Krisenvorbeugung und -bewältigung sollen schrumpfen, diejenigen für die internationale Klimafinanzierung stagnieren. Auch die mittelfristige Planung lässt eher Kürzungen befürchten. Diese kurzsichtige Haushaltspolitik birgt Gefahren für den Wohlstand Deutschlands.
Klimaaußenpolitik beschreibt die Kooperation mit Staaten, um das Unbewältigbare der Klimakrise zu vermeiden und das Unvermeidbare zu bewältigen. Auch Entwicklungs-, Handels-, internationale Finanz- und Außenwirtschaftspolitik sind wichtige Bestandteile der Klimaaußenpolitik. Sie ist erstens wichtig, weil globale Kooperation die nationale Zustimmung für eine ambitionierte Klimapolitik befördern kann. Denn wenn die eigenen Emissionsminderungen im ungezügelten globalen Emissionswachstum untergehen, sinkt die Bereitschaft der Bevölkerung, ambitionierten Klimaschutz mitzutragen. Zweitens bildet die Klimaaußenpolitik einen Grundpfeiler für Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in Deutschland und Europa – das erkennt auch die deutsche nationale Sicherheitsstrategie an, die im Juni veröffentlicht wurde.
Wandel gestalten und Resilienz stärken
Klimaaußenpolitik sichert den Wohlstand der Zukunft: Die EU hat sich verpflichtet, ihre Wirtschaft bis 2050 klimaneutral zu gestalten – Deutschland als größter Emittent Europas mit hoher historischer CO2-Verschuldung will bis 2045 seinen Treibhausgas-Ausstoß auf Netto-Null senken. Zentrale Wachstumsmärkte der Zukunft liegen in den klimaneutralen Technologien. Und je mehr Länder Klimaneutralität anstreben, desto kostengünstiger wird der Wandel auch für Deutschland.
Prognosen zufolge wird der globale Markt für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz bis 2030 jährlich um mehr als sieben Prozent zulegen. Im Jahr 2020 machten grüne Technologien in Deutschland bereits 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Insbesondere im Bereich Energieeffizienztechnologien nimmt die Bundesrepublik eine Führungsrolle ein. Klimaaußenpolitik mit dem Ziel, andere Länder beim klimaneutralen Umbau zu unterstützen, ist also auch gute Außenwirtschaftspolitik.
Neben der wirtschaftlichen Stabilität ist Klimaaußenpolitik auch für die grundlegende Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft und die nationale Sicherheit relevant. Die Katastrophe im Ahrtal war in Deutschland ein Weckruf. Globale Kooperation ist unverzichtbar, um Klimaziele schneller zu erreichen und somit die schlimmsten Folgen der Klimakrise zu vermeiden.
Der globale Boom der erneuerbaren Energien findet bisher kaum in den 100 ärmsten Staaten statt. Diese bräuchten mehr Risikoabsicherung und Unterstützung, um sich umzuorientieren. Dies baut die Abhängigkeiten von Staaten ab, die – wie Russland – mit Einnahmen aus fossilen Brennstoffen Kriege oder wie Iran oder Katar Terror finanzieren.
Aber auch für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist internationale Zusammenarbeit, etwa in den Bereichen Wissensaustausch und Technologietransfer, notwendig. Wenn sich Menschen nicht mehr vor Ort vor den Folgen der Klimakrise schützen können, oder gar Gebiete unbewohnbar werden, kann Migration die wichtigste Option sein, um das eigene Überleben zu sichern. Bereits 2016 bis 2021 wurden über 43 Millionen Kinder aufgrund wetterbedingter Extremereignisse vertrieben. Die voranschreitende Erderhitzung und damit einhergehende Schäden bedeuten, dass in der Klimaaußenpolitik Deutschlands und der EU Antworten auf zunehmende klimabedingte Vertreibung gefunden werden müssen.
Geopolitische Partnerschaften festigen
Klimaaußenpolitik ist entscheidend für die Fähigkeit der Europäischen Union, ihre Werte und Interessen zu verteidigen in einer von Konflikten und autoritären Staaten gefährdeten internationalen Ordnung. Investitionen in die Klimaaußenpolitik zahlen sich mehrfach aus. So könnte Deutschland den Vertrauensverlusten entgegenwirken, die zum Beispiel durch das vorübergehende Wiederhochfahren von Kohlekraftwerken im Zuge der durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Energiekrise entstanden sind.
Faire Klima-, Energie- und Rohstoffpartnerschaften stärken perspektivisch Handelsbeziehungen mit Ländern, die Rohstoffe – wie seltene Erden – exportieren, auf die Europa in vielen Bereichen angewiesen ist. Beim Africa Climate Summit in Nairobi zeigte sich das Interesse vieler afrikanischer Staaten an ambitioniertem Klimaschutz und partnerschaftlichen Initiativen zum Skalieren grüner Technologien. Gelder, die in gerechte Energiepartnerschaften für die Transformation in Schwellenländern gesteckt werden, können in großem Maße Investitionen anstoßen und andere Länder unter Zugzwang setzen.
Kooperation und Rivalität mit China
Die erfolgreiche Umsetzung des European Green Deals, welcher den Wirtschaftsstandort EU zukunftsfähig machen soll, hängt auch von multi- und bilateralen Partnerschaften ab. Sah sich die EU im Bereich der transformativen makroökonomischen Weichenstellungen lange allein auf weiter Flur, muss sie nun aufpassen, in Bezug auf Zukunftsinvestitionen den Anschluss an die USA mit ihrem Inflation Reduction Act und an China, den mit Abstand größten Investor in Erneuerbare Energien und Elektromobilität, nicht zu verlieren.
Gegenüber China geht es in der Klimapolitik um eine Kombination aus Kooperation und Rivalität, verbunden auch mit der notwendigen Konfrontationsbereitschaft, wenn unfairer Wettbewerb den Innovationskern der Wirtschaft hier gefährdet. Zugleich gilt es, die Abhängigkeit gegenüber China – zum Beispiel bei Photovoltaik und bei für die Energiewende wichtigen Rohstoffen – durch eine Kombination aus Kreislaufwirtschaft, Industriepolitik und Diversifizierung abzubauen.
Wenn autokratische Staaten wie China und Russland ihren Einfluss steigern, müssen Deutschland und die EU den ärmeren Ländern attraktive Konzepte und beiderseitig vorteilhafte Partnerschaften anbieten, die Regierungs- und zivilgesellschaftliche Interessen berücksichtigen. Gute Klimaaußenpolitik muss personell und finanziell adäquat ausgestattet sein. Die Kürzungen bei der Krisenvorsorge und -bewältigung müssen zurückgenommen und die Weichen für einen angemessenen Anstieg der Klimamittel gestellt werden. Ganz konkret sollte schon im Haushalt 2024 Vorsorge dafür getroffen werden, dass Deutschland in den neuen Fonds für Schäden und Verluste einzahlen kann. Dies erfordert eine Korrektur des aktuellen Haushaltsentwurfs in den Beratungen im Bundestag. Die Zerstörung im Ahrtal, Hitzeextreme und Dürresommer legen offen: Misserfolg in der internationalen Klimapolitik wird auch national immer teurer werden.
Christoph Bals ist
Politischer Geschäftsführer der NGO Germanwatch. Kira Vinke leitet das Zentrum
für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik