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Energie & Klima

Standpunkte Welche Weichen Deutschland auf der COP28 richtig stellen muss

Cosima Cassel und Marc Weissgerber, E3G
Cosima Cassel und Marc Weissgerber, E3G Foto: E3G

Der Thinktank E3G begleitet die internationale Klimaschutzdiplomatie eng. Zum Weltklimagipfel in Dubai reist die deutsche Delegation mit einer starken Position an, meinen Senior Policy Advisor Cosima Cassel und Geschäftsführer Marc Weissgerber. Die müsse aber auch genutzt werden. Bei vielen wichtigen Vorhaben könne die Bundesregierung zum Brückenbauer werden und echte Fortschritte möglich machen.

von Cosima Cassel und Marc Weissgerber

veröffentlicht am 28.11.2023

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Die COP28 findet zu einem entscheidenden Zeitpunkt statt. Wenn die verheerendsten Auswirkungen des Klimawandels noch vermieden werden sollen, muss diese Staatenkonferenz Anfang Dezember wichtige Weichen stellen. Sie hat die Pflicht – und bietet die Chance –, vor allem in drei Bereichen Fortschritte zu erzielen: Beschleunigung der Energiewende, besonderer Schutz der Schwachen und Transformation internationaler Finanzmechanismen.

Trotz geopolitischer und nationaler Herausforderungen kann die deutsche Diplomatie einen bedeutenden Einfluss auf alle drei Punkte ausüben. Dafür muss sie glaubwürdig auftreten, ein starkes internationales Angebot präsentieren und ihre globalen Beziehungen strategisch nutzen.

Deutschlands Stärken und die Herausforderungen

Unzureichende finanzielle Zusagen der reichen Nationen haben das Vertrauen des globalen Südens erschüttert. Der Israel-Gaza-Konflikt hat zusätzlich zur Fragmentierung der Staatengemeinschaft beigetragen. Ein ehrgeiziges Ergebnis der COP28 ist daher entscheidend, sowohl für die Anstrengungen im Klimabereich als auch für die Wiederherstellung guter internationaler Kooperationen.

Deutschland verfügt über einzigartige Stärken, dieses Ziel in greifbare Nähe zu bringen. Es hat in den Bereichen Schäden und Verluste (Loss and Damage, L&D) und Klimafinanzierung eine Führungsrolle übernommen. Seine Mitgliedschaft in der G7, der G20 und der EU, ein gut ausgestattetes diplomatisches Netzwerk und ehrgeizige Klimaziele sind weitere Assets.

Allerdings haben die Differenzen innerhalb der Regierungskoalition in Bezug auf Heizung, Kohle, E-Fahrzeuge, die Finanzierung fossiler Brennstoffe und Fiskalpolitik die Glaubwürdigkeit im In- und Ausland beeinträchtigt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die Umwidmung von 60 Milliarden Euro aus Covid-Mitteln in grüne Investitionen ist ein schwerer Rückschlag kurz vor der COP. Es ist wichtig, dass Bundeskanzler Scholz eine einheitliche Position der Bundesregierung herbeiführt.

Deutschland als Brückenbauer

Trotz innenpolitischer Schwierigkeiten kann Deutschland auf der COP28 ein effektiver Vermittler sein und sollte darauf hinwirken, Spaltungen zu überwinden. Es sollte die Industrieländer dazu ermutigen, ihre historische Verantwortung anzuerkennen, mit den Schwellenländern Vereinbarungen zur Energiewende auszuhandeln und Solidarität mit den schwachen Ländern zu zeigen. Um effektiv zu sein, ist es entscheidend, dass Olaf Scholz, Annalena Baerbock und die anderen Regierungsvertreter auf der COP Führung zeigen, unterstützt durch eine starke Verhandlungsführung und ministerienübergreifende Präsenz.

In den Verhandlungen muss Deutschland auf eine gerechte und solide globale Bestandsaufnahme (GST) mit konkreten Zielen drängen, um bis zur COP30 ehrgeizige nationale Klimabeiträge (NDCs) zu erreichen.

Unterstützung der Energiewende

Deutschland hat sich für eine ehrgeizige Energiewende ausgesprochen. Nun müssen Taten folgen. Deutschland muss sich dafür einsetzen, dass aus den freiwilligen Zusagen von 60 Ländern ein Konsens von 197 Ländern wird. Außerdem muss es die Partner dazu drängen, sich auf strenge, einheitliche Definitionen für 1,5-Grad--konforme Emissionsminderungen („Abatement“) zu einigen.

Die Entscheidung Deutschlands, die Erklärung der High Ambition Coalition nicht zu unterzeichnen, wird seine Position schwächen. Seine Haltung zur internationalen Finanzierung fossiler Brennstoffe ist entscheidend für seine Glaubwürdigkeit. Die Exportkreditrichtlinien vom Oktober waren ein positiver Schritt. Sie sollte nun ähnliche Regeln für die KfW einführen. 

Deutschland sollte zudem seine Unterstützung für die Just Energy Transition Partnerships (JETPs) fortsetzen und seine Absicht bekunden, neue Vereinbarungen zu unterstützen, die mit der Reform der internationalen Finanzarchitektur (IFA) im Einklang stehen.

Schutz für die Schutzbedürftigen

Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass der Konsens des Transition Committees für den L&D-Fonds erhalten bleibt. Die EU wird ihren Beitrag auf der COP bekanntgeben – dieser (und Deutschlands Anteil) sollte auf Zuschüssen basieren und nachweislich zusätzlich zu anderen Finanzierungsmechanismen sein. Eine reine Umbenennung vorhandener Finanzflüsse hilft niemandem. Deutschland sollte die G7-Partner, insbesondere die USA, und die Großemittenten (unter anderem China und die VAE) auffordern, einen Beitrag zu leisten, und sich dabei auf die Verpflichtung stützen, insbesondere verwundbare Staaten (Vulnerable States) zu unterstützen. Sie haben wenig zum Klimawandel beigetragen, gleichzeitig leiden sie am meisten darunter. 

Deutschland sollte zusammen mit den Empfängern einen Fahrplan zur Erhöhung der Anpassungsfinanzierung vorlegen. Es muss die Geber zu neuen Zusagen drängen, die über die Verdopplung der derzeitigen Beiträge hinausgehen – diese allein reichen nicht aus. Deutschland wäre zudem gut beraten, einen Beschluss über ein globales Anpassungsziel (Global Goal on Adaptation – GGA) zu unterstützen, das einen umfassenden und gerechten Rahmen vor dem Global Stocktake 2 im Jahr 2028 fertigstellt und umsetzt.

Transformation der internationalen Finanzmechanismen

Mit einer jährlichen Verpflichtung von sechs Milliarden Euro bis 2025 ist Deutschland einer der größten Beitragszahler zur Klimafinanzierung. Deutschland sollte jedoch den Prozess zur Erhöhung der Beiträge auf acht Milliarden Euro einleiten. Dies wäre angesichts der sich verschlechternden Lage in den Entwicklungsländern verhältnismäßig und würde der Bundesrepublik zusätzliches diplomatisches Gewicht verleihen. Deutschland sollte die COP28 auch dazu nutzen, um auf weitere Beiträge der G7 – insbesondere der USA – zu drängen.

Unterstützung wäre zudem wichtig für eine Reform der Internationalen Finanzarchitektur (IFA), die Entwicklung, Schuldenerlass und Klimaschutz fördert. Die jüngste Hybridkapitalzusage der Weltbank ist ein gutes Signal, aber auch andere internationale Finanzinstitutionen müssen mehr tun. Die Bundesregierung sollte sich für eine deutliche Erhöhung der Kapitalausstattung von Entwicklungsbanken einsetzen, bei denen Deutschland Anteilseigner ist, und diese an strenge Reformen zur Ermöglichung von Klimaschutzmaßnahmen knüpfen.

Starke Botschaften und konsistente Diplomatie

Das deutsche Vorgehen auf der COP28 ist entscheidend für Erfolg oder Scheitern der Konferenz. Indem sich Deutschland für ein ehrgeiziges Energiepaket einsetzt, Solidarität mit den Schwachen zeigt und sich für eine Reform des internationalen Finanzsystems einsetzt, kann es dazu beitragen, das Ruder herumzureißen. Olaf Scholz muss gleich zu Beginn der Konferenz, auf dem World Climate Action Summit der Staats- und Regierungschefs, starke Botschaften senden, die von allen Vertretern der Bundesregierung im Laufe der Verhandlungen mit Nachdruck weiterverfolgt werden. Die COP28 ist eine große Herausforderung – aber Deutschland kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Weichen neu zu stellen.

Cosima Cassel ist Senior Policy Advisor beim Klima-Thinktank E3G. Marc Weissgerber ist dort Geschäftsführer.

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