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Energie & Klima

Standpunkte Das Erdgasnetz, Heizen mit Wasserstoff und die Wärmepumpe

Claudia Kemfert und Jens Clausen, DIW und Borderstep Institut
Claudia Kemfert und Jens Clausen, DIW und Borderstep Institut Foto: Borderstep Institut, DIW

Wer bei genauer Kostenbetrachtung alle Posten realistisch ansetzt, kommt beim Preisvergleich Wasserstoff gegen Wärmepumpe zu einem klaren Ergebnis: Den Wettbewerb der klimagerechten Wärmeversorgung gewinnt eindeutig die Wärmepumpe, argumentieren Claudia Kemfert und Jens Clausen. Strom schlägt Erdgas und Wasserstoff, resümieren sie.

von Jens Clausen und Claudia Kemfert

veröffentlicht am 21.05.2024

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Es schien so offenkundig: Mal wieder stand die Energiewende als ein angeblich völlig überteuertes Projekt am Pranger. Als im März die Stadtwerke Augsburg in einem lokalen Kundenschreiben mitteilten, dass in zehn Jahren das Erdgasnetz nicht mehr zur Verfügung stünde, sprachen Boulevard-Medien vom „Heizschock“. Erneut bestimmten die „hohen“ Kosten für den „teuren Umstieg“ die mediale Dynamik. 

Denn: Wieso „wertvolle Gasnetze“ stilllegen, wenn man sie für vermeintlich „billigen Wasserstoff“ nutzen könnte? So lautete die rhetorisch zugespitzte Frage. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bemaß den Wert der Netze auf 270 Milliarden Euro. Die Gaswirtschaft beziffert die Kosten einer Umrüstung auf vergleichsweise läppische 24 Milliarden Euro –  wohingegen für Wärmepumpen erst noch das Stromnetz ausgebaut werden müsste: Kosten 732 Milliarden Euro

Zugegeben, das klingt nach totalem Irrsinn. Und die Erdgaswirtschaft wird nicht müde, solche Zahlen in die Welt zu streuen. Aber was ist dran an diesen Zahlen? Und welche Kosten werden dabei (bewusst) ignoriert?

Wasserstoff fällt nicht vom Himmel

Um mal mit dem Einfachsten anzufangen: Auch wenn der Name für manche so klingt, fällt Wasserstoff nicht vom Himmel. Wasserstoff muss aufwändig per Elektrolyse produziert werden, nämlich indem Wasser (H2O) in Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O2) gespalten wird. Dafür braucht man Strom. Bei der Kostenkalkulation stellen sich also zunächst zwei Fragen: Wieviel Wasserstoff bräuchten wir, um künftig damit heizen zu können? Und wieviel Strom brauchen wir, um diese Menge Wasserstoff herzustellen?

Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), ein starker Verfechter der Gasnetz-zu-Wasserstoffnetz-Transformation, rechnet langfristig allein zum Heizen mit einer Wasserstoff-Nachfrage in Höhe von 179 Terawattstunden pro Jahr. Um diese Menge herstellen zu können, müssten pro Jahr 271 Terawattstunden Strom zusätzlich produziert werden. Zur Erzeugung dieser Strommenge müssten wir also neue Windkraft- und Photovoltaikanlagen im Wert von etwa 169 Milliarden Euro bauen.

Das wäre etwa fünfmal so viel, wie wir in die Energieerzeugung durch Windkraft und Sonnenenergie investieren müssten, um ausreichend zusätzlichen Strom (rund 53 Terawattstunden pro Jahr) zur Versorgung von Wärmepumpen zu erzeugen. Die notwendigen Investitionen dafür belaufen sich nämlich nur auf rund 33 Milliarden Euro. Und um den Strom zu den Wasserstoff produzierenden Elektrolyseuren transportieren zu können, müssten wir auch dafür ein entsprechendes Stromnetz schaffen. 

Schwierig wird infolgedessen auch die Suche nach Standorten zur Energieerzeugung. Ein Fünffaches an Terawattstunden pro Jahr braucht natürlich auch ein Fünffaches an Standorten beziehungsweise Fläche: Während für die Versorgung der Wärmepumpen 2790 Windräder zu je fünf Megawatt und 222 Quadratkilometer Fläche für Freiflächen-Photovoltaikanlagen ausreichen, müssten für den Energiebedarf der Elektrolyse 13.950 Windräder zu je fünf MW und 1135 Quadratkilometer Fotovoltaik zusätzlich gebaut werden. Und auch diese Fläche muss nicht nur gefunden, sondern auch bezahlt werden.

Gebäude-Umrüstung auf Wasserstoff kostet

Damit nicht genug: Bei der Realisierung der Wasserstoff-Fantasien entstehen auch noch Extrakosten durch die Elektrolyseanlagen. Um 80 Gigawatt Wind- und Solar-Strom in Wasserstoff umwandeln zu können, müssten in entsprechende Anlagen ungefähr 56 Milliarden Euro investiert werden. 

Selbst wenn die Hälfte des Wasserstoffs nicht in Deutschland produziert, sondern importiert würde, müssten hierzulande immer noch Wind- und Solaranlagen mit einer Leistung von 40 Gigawatt mit Elektrolyseanlagen einer ähnlichen Leistungsklasse verbunden werden. Beim Heizen mit Wärmepumpen bewegen sich die zusätzlichen elektrischen Spitzenleistungen ebenfalls im Bereich von 40 Gigawatt.

Durch Wasserstoff-Importe verringern sich auch die Investitionskosten nicht wesentlich. Wenn die Angebot-und-Nachfrage-Weltmärkte funktionieren, dann sollte Deutschland Energieanlagen zu ähnlich günstigen Preisen kaufen können wie andere Länder. Der einzige Vorteil des Imports wären zusätzliche Volllaststunden durch bessere Standorte für die Nutzung von Wind und Sonne. Aber dieser Vorteil wird durch den Transportaufwand wieder aufgezehrt. 

Und es geht ja nicht nur um die Energie allein. Auch die Gebäude müssen – für Wasserstoff oder für Wärmepumpen – umgerüstet werden. Wieder ausgehend von den Zahlen des DVGW, müssten 5,3 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser sowie 1,1 Millionen Mehrfamilienhäuser umgerüstet werden. Bei leicht sinkenden Preisen für Wärmepumpen von 25.000 Euro pro Haus (Mehrfamilienhäuser 50.000 Euro) und neuen „Wasserstoff-ready“-Thermen, Gaszählern und kleineren Anpassungen von 10.000 Euro pro Haus (Mehrfamilienhäuser 20.000 Euro) muss eine Gesamtsumme von etwa 75 Milliarden Euro in die „Wasserstoff-ready“-Gebäude investiert werden.

Rational kalkulierende Verbraucher

Obendrein ist das Gasnetz nicht einfach so „wasserstoff-ready“. 230 Milliarden Euro veranschlagt der DVGW für die Netz-Umstellung. Wobei der Verein einen Durchschnittswert (Benchmark) von 186 Milliarden Euro für die „reguläre Erneuerung“ plus 44 Milliarden Euro Mehrkosten für die Transformation durch Ertüchtigung hin zu Wasserstoff ansetzt. Aber was, wenn es die „reguläre Erneuerung“ irgendwann gar nicht mehr gibt, weil sich nach und nach trotz aller Wasserstoff-Versprechungen immer mehr Erdgaskunden für Wärmepumpen entscheiden?

Das ist sogar – ausgehend vom homo sapiens – ein ziemlich wahrscheinliches Szenario. Denn inklusive der 187 Euro Milliarden Euro für die Umbauten auf Wärmepumpen kommt das Wärmepumpen-Szenario summa summarum auf Investitionen von rund 220 Milliarden Euro, während die ganze Wasserstoff-Szenario insgesamt Investitionen von rund 500 Milliarden Euro erfordert. Bei einer Kostenersparnis von mehr als 50 Prozent dürften sich rational kalkulierende, vernünftige Verbraucher nämlich mehrheitlich für das günstigere Angebot entscheiden.

Natürlich stellt sich dafür die Frage, ob und inwiefern sich die Gesamtkosten der Transformation individuell auswirken. Wie also ist es um die jährlichen Heizkosten bestellt? Studien von Akteuren außerhalb der Gaswirtschaft schätzen den mittelfristigen Wasserstoff-Endkundenpreis auf 25 bis 30 Cent pro Kilowattstunde. Das Heizen eines Hauses mit einem Wärmebedarf von 14.000 Kilowattstunden pro Jahr kann so schnell 4000 Euro im Jahr kosten. Mit Wärmepumpe (Jahresarbeitszahl 3,5) wäre es dagegen bei einem Strompreis von 30 Cent pro Kilowattstunde für 1200 Euro im Jahr angenehm warm. 

Preisvergleich liefert klares Ergebnis

Fehlt noch das Thema Gebäudesanierung: Hier werden teils astronomische Summen angesetzt, wobei oft unterstellt wird, dass eine Gebäudesanierung nur (technisch) notwendig wäre, um eine einigermaßen gute Arbeitszahl der Wärmepumpe zu erreichen. Allerdings dürften auch die hohen Wasserstoffkosten eine ausreichende Wärmedämmung (finanziell) unumgänglich machen, wenn man beim Heizen nicht völlig verarmen will. 

Wer bei genauer Kostenbetrachtung erstens alle Posten und sie zweitens realistisch ansetzt, kommt beim Preisvergleich Wasserstoff gegen Wärmepumpe zu einem klaren Ergebnis: Den Wettbewerb der klimagerechten Wärmeversorgung gewinnt eindeutig die Wärmepumpe – egal wie viel Anstrengung der DVGW unternimmt, das zu verschleiern. Strom schlägt Erdgas und Wasserstoff.

Der Standpunkt basiert auf einer Kurzstudie, die heute hier veröffentlicht wird.

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