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Energie & Klima

Standpunkte Das Wärmeplanungsgesetz hebelt die Transformation der Wärmenetze aus

Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.
Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V. Foto: DUH/Heidi Scherm

Das Wärmeplanungsgesetz verfehlt derzeit noch das wichtigste Ziel: Die Wärmewende effektiv und vor allem verlässlich voranzutreiben. Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe warnt in seinem Standpunkt vor zu großzügigen Ausnahmeregeln. Die Bundesregierung drohe, beim Thema klimaverträgliche Wärmeversorgung mit beinahe leeren Händen dazustehen.

von Sascha Müller-Kraenner

veröffentlicht am 16.06.2023

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Derzeit leidet die Wärmewende massiv unter den Erschütterungen innerhalb der Koalition. Die GEG-Novelle ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Der einzige Hoffnungsschimmer ist aktuell die Diskussion um Wärmenetze. Sie sind neben der energetischen Sanierung und dem Umstieg auf klimafreundliche Heizungen die dritte große Lösung für klimafreundliche Gebäude.

Mit dem Fernwärmegipfel am 12. Juni haben Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bauministerin Klara Geywitz einen guten Startpunkt für die Weiterentwicklung der Wärmenetze gesetzt und die zu lange vernachlässigte Technologie endlich auf die politische Agenda gehoben. Positiv war vor allem: Die Ministerien haben sich erst einmal angehört, was die verschiedenen Verbände zu einem Um- und Ausbau der Fernwärme zu sagen haben. Bei aller Diskrepanzen konnten so auch die Gemeinsamkeiten identifiziert werden. Man geht also mit einem Grundkonsens in die weiteren Gespräche zu den konkreten politischen Maßnahmen.

Nun gilt es, die Wärmenetze so weiterzuentwickeln, dass sie die ihnen zugeschriebene Rolle bei der Wärmewende auch erfüllen können. Denn eins ist klar: Nur klima- und verbraucherfreundliche Wärmenetze helfen beim Erreichen der deutschen und europäischen Ziele.

Lokale Verbindlichkeit statt kumulierter Deutschland-Ziele

Vertrauen ist das große Stichwort bei der Wärmenetz-Transformation. Die Verständigung darüber, den Ausbau der Wärmenetze politisch zu unterstützen, ist nur tragfähig, wenn auch die Stadtwerke und andere Wärmeversorger ihren Teil leisten. Und dazu gehört zuallererst die verlässliche Umstellung auf klimafreundliche Wärmequellen. Wenn das nicht zu leisten ist, ist auch der Ausbau nicht sinnvoll.

Um auf den richtigen Pfad zu kommen, ist ein verbindliches Zwischenziel für die Umstellung auf erneuerbare Wärme und unvermeidbare Abwärme notwendig – bis 2030 sollten es mindestens 50 Prozent sein. Ein kumuliertes Deutschland-Ziel über alle Netze hinweg lehnen wir ab. Die Kund*innen eines Wärmenetzes müssen sich sicher sein können, dass ihr konkretes Netz auf klimafreundliche Quellen umgestellt wird. Warum sollten sie ihr Gebäude sonst anschließen lassen?

Der aktuelle Entwurf des Wärmeplanungsgesetzes hebelt dieses Ansinnen jedoch mit zu vielen und zu großen Ausnahmeregelungen aus. Es wird für den Großteil der Netze – nämlich Netze mit viel fossiler Kraft-Wärme-Kopplung – auf 2036 verschoben. Der Anspruch, die Transformation der Wärmenetze im Sinne der Klimaziele zu steuern, würde so klar verfehlt.

Nach wie vor fehlt auch der politische Mut, bei den Wärmequellen im Sinne des Umwelt- und Verbraucherschutzes zu priorisieren. Nicht jede erneuerbare Option ist gleich gut geeignet. Bioenergie und grüner Wasserstoff sind nur sehr eingeschränkt verfügbar. Und auch die Wärme aus thermischer Abfallbehandlung ist keine Option, die wir ausweiten sollten.

Im GEG gab es mal die Idee eines Stufenmodells. Ein solches Vorgehen wäre auch für die Wärmenetze sinnvoll, damit die Wärmekund*innen darauf vertrauen können, dass in die richtigen, langfristig bezahl- und verfügbaren Wärmequellen investiert wird.

Zentrale Aufsicht durch den Bund wäre effektiver

Auch der geschäftliche Umgang zwischen Wärmeversorgern und Kund*innen muss vertrauensvoll ausgestaltet sein. Die Basis dafür sind Transparenz und Regulierung – bei beiden Aspekten besteht in Deutschland Nachholbedarf. Vor allem der Preis für die Fernwärme und die ökologische Qualität sind relevant. Preise sollten unbedingt proaktiv und systematisch behördlich beaufsichtigt werden, eine bloße Schiedsstelle für Streitfragen reicht nicht aus.

Die Aufsicht über die Netze sollte zudem auf die Bundesebene verlagert werden. Der Vorteil wäre, dass bundesweit gleiche Bedingungen gelten würden und eine Bundesbehörde aufgrund der höheren Fallzahlen eine größere Expertise entwickeln kann.

Um die Preisspirale zu durchbrechen, muss am Ende aber auch die energetische Sanierung der Gebäude vorankommen. Je geringer der Wärmebedarf ist, desto weniger Heizkosten fallen an. Zudem ist die Absenkung des Wärmebedarfs Voraussetzung für die Temperaturabsenkung in den Wärmenetzen, was wiederum die Einbindung erneuerbarer Wärmequellen erleichtert. Und je effizienter die Gebäude, desto mehr Anschlüsse können über ein Wärmenetz versorgt werden. Ein effizienter Ausbau der Wärmenetze gelingt nur dann, wenn die Effizienzanforderungen an die Gebäude erhöht werden.

Bleibt zu hoffen, dass die klimafreundliche Transformation der Wärmenetze nicht ein weiteres Opfer des Koalitionsstreits wird. Dann hätte diese Regierung in Sachen Wärmewende gar nichts mehr vorzuweisen.

Sascha Müller-Kraenner ist seit 2015 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH).

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