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Energie & Klima

Standpunkte Die Fernwärme kommt nach Hause

Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe in Berlin
Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe in Berlin Foto: Bundesregierung/Jesco Denzel

Berlin kauft das größte Fernwärmenetz Westeuropas zurück. Für die Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey geht es bei der Rekommunalisierung um Daseinsvorsorge. Die Wärme soll in der öffentlichen Hand sein und nicht in den Händen profitgetriebener Fonds, meint die SPD-Politikerin. Nun gelte es, das Fernwärmenetz klimafreundlich zu machen.

von Franziska Giffey

veröffentlicht am 02.05.2024

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Am 3. Mai 2024 kommt die Wärme nach Hause: Das Land Berlin kauft das größte Fernwärmenetz Westeuropas und damit Berlins größtes Fernwärme-Unternehmen von der Vattenfall Wärme AG zurück. Die Berliner Wärme wird damit wieder Teil der landeseigenen Unternehmensfamilie.

Auf dieses Ziel hat das Land Berlin zwei Jahre lang intensiv hingearbeitet. Dabei geht es um Energieversorgungssicherheit, Preisstabilität und die Transformation der Wärmeerzeugung hin zur Klimaneutralität. Es geht aber vor allem um Daseinsvorsorge – darum, dass die wichtigsten Güter zur Versorgung der Grundbedürfnisse unserer 3,9-Millionen-Metropole – Strom, Wasser und Wärme, in öffentlicher Hand sind und nicht in den Händen profitgetriebener Fonds, die wirtschaften, um den größtmöglichen Gewinn abzuschöpfen.

In ihrer 140-jährigen Geschichte hat die Energieversorgung in Berlin immer wieder auch wechselvolle Entwicklungen erlebt. Sie verlief von der am 8. Mai 1884 gegründeten Aktiengesellschaft „Städtische Electricitäts-Werke zu Berlin“, dem ersten öffentlichen Elektrizitätsversorgungsunternehmen in Europa, bis hin zur BEWAG, die zu den ersten Unternehmen in Deutschland gehörte, die das Feuer aus den Häusern holten und das Angebot der Fernwärmeversorgung schufen. Die folgenden Jahre waren geprägt von einem rasanten technischen Fortschritt und zahlreichen zukunftsweisenden Innovationen.

Umfangreiche Investitionen notwendig

Der Verkauf der BEWAG an Vattenfall im Jahr 2005 war ein Einschnitt in der Entwicklung öffentlicher Daseinsvorsorge, bedingt durch die schwierige finanzielle Lage, in der sich das Land Berlin befand. Im Mai 2022, als die Vattenfall AG ankündigte, ihr Wärmegeschäft in Berlin einer strategischen Neubewertung unterziehen zu wollen, war für den Senat schnell klar, dass das eine Chance ist, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und Risiken für Wärmepreise, Versorgungssicherheit und Klimaziele abzuwenden.

Davon soll ein großer Teil der Berliner Bevölkerung profitieren, denn die Fernwärme erbringt ein Drittel des Berliner Wärmebedarfs. Zukünftig werden noch mehr Haushalte an die Fernwärme angeschlossen sein.

Klar ist aber auch: Es braucht umfangreiche Investitionen, um das Unternehmen in eine gute Zukunft zu führen, denn derzeit verursachen die Kraftwerke von Vattenfall rund 18 Prozent der CO2-Emissionen des Landes, weil die Fernwärme ganz überwiegend mit Erdgas und Steinkohle erzeugt wird.

Nachhaltige Energieträger machen nur rund fünf Prozent aus. Das müssen wir ändern. Der Energiemix in der Fernwärmeerzeugung der Zukunft wird komplexer sein – erzeugt durch Strom, Wasserstoff, Biomasse und Geothermie, aber auch durch Wärme aus dritten Quellen wie Müllverbrennung und Abwärme aus Rechenzentren, genau wie von großen Wärmepumpen.

Eine gute Strategie zu erarbeiten und zu vereinbaren, in welchem Umfang die jeweilige neue Energiequelle künftig zum Einsatz kommen wird, wird eine der ersten großen Aufgaben unseres neuen Landesunternehmens sein. Wir brauchen einen breit aufgestellten Dekarbonisierungsfahrplan, der dafür sorgt, dass wir Schritt für Schritt vorgehen und gleichzeitig das Unternehmen rentabel und wirtschaftlich stabil aufstellen.

Bei der Bewertung des Unternehmens im Zuge des Kaufpreises haben wir konsequente Investitionen in den Klimaschutz als Maßstab angelegt und zahlen darum auch weniger, als einige Beobachter vorher vermutet hatten. In den kommenden Jahren müssen wir nicht weniger als die gesamte Energieversorgung unserer pulsierenden Metropole umbauen.

Berlin kann Fernwärme-Vorbild werden

Der Rückkauf der Berliner Fernwärme ist die wichtigste energiepolitische Weichenstellung dieses Jahrzehnts, so wie vor 140 Jahren die Gründung der Städtischen Electricitäts-Werke zu Berlin. Der Kaufpreis wird bei rund 1,4 Milliarden Euro liegen.

Ich bin überzeugt, dass dies gut investiertes Geld ist, dass wir ein Unternehmen entwickeln können, das einen Mehrwert für die Stadt und nicht für den Profit erwirtschaftet, und dass wir mit dieser Entscheidung eine ganz wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Berliner Wärme- und Klimawende geschaffen haben.

Berlin kann damit Vorbild für viele andere Kommunen mit Fernwärmesystemen in Deutschland sein. Wenn die Transformation hier gelingen kann, dann gelingt sie auch an anderen Orten in diesem Land. Für die Berlinerinnen und Berliner heißt das eine nachhaltige, sichere und bezahlbare Fernwärmeversorgung – ein warmes Zuhause.

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