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Energie & Klima

Standpunkte Wie die sozial gerechte Klimawende im Gebäudesektor gelingen kann

Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch
Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch Foto: Germanwatch

Christoph Bals und Kai Bergmann von Germanwatch mahnen zu einer Versachlichung der aus dem Ruder gelaufenen Heizungsdebatte. Es müsse Schluss sein mit der Verbreitung von Unwahrheiten, aber auch Fehler dürften sich nicht wiederholen. Sie machen Vorschläge, wie der Bund Heizungsaustausch und Teilsanierung in Kombination unterstützen könnte.

von Christoph Bals

veröffentlicht am 12.06.2023

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Falls Ampelkoalition und Opposition an einem Musterbeispiel durchexerzieren wollten, wie man ein dringend notwendiges Großprojekt für die Treibhausgasneutralität gründlich in den Morast fährt, ist ihnen das beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) bislang vollauf gelungen. Die unter anderem durch eine – auch vor groben Unwahrheiten nicht zurückschreckende – Kampagne der Springer-Presse verunsicherte die Bevölkerung stark. Die Bürger:innen verlangen zu Recht von der Politik ein klares Konzept dafür, wie die Emissionen im Gebäudesektor schrittweise auf null gefahren werden können, und zwar sozial tragbar.

Die FDP hat mit der gezielten Wiederholung von Halb- und Unwahrheiten – wie „Heizungsverbotsgesetz“ – viel zu dieser Verunsicherung beigetragen. Und auch die später präsentierte Idee, entgegen der zuvor gemachten Zusage im Kabinettsausschuss auf das GEG ganz zu verzichten und stattdessen auf den CO2-Preis und alleine auf das „Wirken des Marktes zu setzen, greift in vielerlei Hinsicht zu kurz. Solange nicht gleichzeitig ein Klimageld für die Bürger:innen eingeführt wird, würde so ein Preisschock ohne klare Perspektive auf Entlastung drohen - Studien gehen bei einem sich frei aus Angebot und Nachfrage bildenden CO2-Preis von einem schnellen Anstieg auf 150 bis 300 Euro pro Tonne aus.

Ab wann ein Klimageld aber tatsächlich ausgezahlt werden könnte, dazu gibt es aus dem FDP-geführten Finanzministerium keine klare Aussage. Zudem würde allein mit der Kombination aus CO2-Preis und (Teil-)Rückzahlung das eigentliche Problem kaum gelöst: Mieterinnen und Mieter haben keinen Einfluss darauf, ob und wann in eine neue emissionsarme Heizung investiert wird. Und Hausbesitzer:innen haben womöglich nicht das nötige Geld für die schnelle Investition in eine neue Heizung, stünden aber durch den sprunghaft gestiegenen CO2-Preis unter großem Handlungsdruck. So wichtig ein CO2-Preis ist, er muss sozialverträglich sein und so eingesetzt werden, dass er die Unsicherheit der Bevölkerung reduziert und nicht steigert.

Heizungsaustausch und Teilsanierung zusammendenken

Aber auch die Urheber des GEG haben es versäumt, der Verunsicherung vorzubeugen. Zum einen hätten schon zu Beginn der Debatte auch Förderprogramme mit einer klaren sozialen Ausrichtung vorliegen müssen. Hier wären SPD und Grüne gefragt gewesen. Dies hätte es den Gegnern des GEG sehr viel schwerer gemacht, sich als Beschützer der vulnerablen Gruppen zu gerieren, die gerade ohne Wärmesanierung von hohen Gas-, Öl- und künftig auch CO2-Preisen besonders betroffen sind. Zum anderen – und dies war der Kardinalfehler – hat man sich zu sehr auf den Heizungsaustausch allein konzentriert, ohne die bei einer erheblichen Anzahl von Gebäuden notwendigen Teilsanierungen mitzudenken. Es fehlt noch immer ein überzeugendes Konzept, wie beides in sozial verträglicher Weise organisiert werden kann.

Das wiegt umso schwerer, als im Rahmen der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) zeitnah Mindesteffizienzstandards (MEPS) für die energetisch ineffizientesten Gebäude festgelegt werden sollen. Aufgrund der völlig aus dem Ruder gelaufenen aktuellen Debatte springt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) jetzt aber hinter die eigentlich schon im Kabinett abgestimmte Position zurück und schwächt eine ambitionierte Haltung der Bundesregierung. Die Bundesregierung sollte daher dringend ein integriertes Konzept dafür vorlegen, wie klimafreundliches Heizen und die dafür notwendige Gebäudesanierung sozial verträglich mit genügend Finanzmitteln ermöglicht werden können.

Unser Vorschlag konzentriert sich auf die Herausforderungen für Besitzer:innen von Eigenheimen, die an einer energetischen Teilsanierung ihrer Gebäude nicht ganz vorbeikommen werden und das finanziell nicht alleine stemmen können. Hier bedarf es zusätzlicher Regelungen und Instrumente - während für die bereits wärmegedämmten Häuser ab 1995 das jetzt vorgelegte GEG im Wesentlichen umgesetzt werden kann.

Gebäude mit Baujahr vor 1977 sind entscheidend

Erstens sollte die Bundesregierung die wärmepumpentaugliche Teilsanierung von Häusern (soweit sie nicht mit Fernwärme versorgt werden sollen) mit unterstützen, dafür einen Standard definieren und sich für eine Ausgestaltung von damit im Einklang stehenden europäischen Gebäudestandards einsetzen. Das bedeutet im Regelfall, dass Dach oder Zwischendecken stärker gedämmt und eventuell Fenster erneuert werden müssen. In Räumen, in denen man sich oft aufhält, müssen eventuell einzelne Heizkörper vergrößert werden. Für diesen „Standardfall“ sollte es das Angebot geben, nicht nur die Wärmepumpe, sondern auch die wärmepumpentaugliche Teilsanierung des Hauses finanziell ausreichend zu unterstützen. Oftmals schaffen diese Häuser damit den Sprung in höhere deutsche Effizienzklassen und könnten so auch die künftigen EU-Vorgaben erfüllen.

Zweitens sollte die Bundesregierung einen Fokus auf die Sanierung der ineffizientesten Gebäude legen und dafür die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen (Worst First). Die Gebäude, die zwischen dem Zweiten Weltkrieg und 1977, also vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung, gebaut wurden, sind in der Regel die am wenigsten energieeffizienten Gebäude. Hier lässt sich mit Teilsanierungen am meisten CO2 einsparen. In diesen Gebäuden lebt überwiegend die ärmere Hälfte der Bevölkerung in Deutschland. Das heißt, hier ist die Unterstützung der öffentlichen Hand am wichtigsten. Im Regelfall können hier standardisierte und damit kostengünstige Formen der Wärmesanierung zum Einsatz kommen.

Contracting-Modelle als wichtiges, unterstützendes Element

Drittens sollte die Bundesregierung für alle, die nicht selbst investieren können oder wollen, den Einsatz von Contracting-Modellen ermöglichen und dafür Förderprogramme gezielt anpassen. Die angesprochenen Haustypen gehören oft Menschen, die trotz öffentlicher Förderung der Wärmepumpe das Geld für weitere notwendige Investitionen nicht aufbringen können. Dies sind zum Beispiel junge Familien, die sich für den Hauskauf hoch verschuldet haben. Oder es sind ältere Menschen, die sich in ihrem Leben nicht nochmal neu verschulden wollen oder können.

Contracting-Unternehmen finanzieren die Wärmedämmung und den Einbau sowie Service für die Wärmepumpe mit Geld, das sie für diesen Zweck zinsverbilligt (weil über Jahre gestreckt) etwa von der KfW oder von privaten Baufinanzierern (unterstützt durch die KfW) bekommen. Die Hausbesitzer:innen zahlen an den Contractor in den folgenden 20 bis 30 Jahren die gleichen Heizkosten, wie sie im Durchschnitt der letzten drei Jahre bezahlt haben; der Contractor würde dann durch realisierte Einsparungen bei den Heizkosten sein Geld verdienen. So wäre die wärmepumpentaugliche Teilsanierung auch für diejenigen zu stemmen, deren Einkommens- und Vermögenssituation keine zusätzlichen monatlichen Belastungen mehr zulässt.

Christoph Bals ist bei Germanwatch politischer Geschäftsführer, Kai Bergmann ist Referent für deutsche Klimapolitik.

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