Eine zentrale Frage für die deutsche Klimapolitik ist, wie der Übergang in den EU-Klimarahmen gestaltet wird. Das zeigte sich deutlich bei der Anhörung des parlamentarischen Ausschusses zur Novelle des Klimaschutzgesetz (KSG). Im Fokus stand dort, welche Bedeutung den Zielen und Gewährleistungsmechanismen der EU-Ebene zugeschrieben werden soll. Konkret: Soll sich Deutschland weiterhin auf die Erreichung der deutschen Ziele und seiner EU-Zielvorgaben durch nationale Maßnahmen fokussieren? Oder möglichst bald einen strategischen Übergang in den EU-Zielrahmen und dessen Instrumente anstreben?
Einen Übergang legen die Green-Deal-Reformen nah: der bestehende EU ETS (ETS1) wurde gestärkt, und ein ETS für Brennstoffe nach deutschem Vorbild (ETS2) soll 2027 starten. Beide legen durch die Cap langfristige Pfade zu null Emissionen fest. Es ist keinesfalls übertrieben, die Einigung darauf als „deal for the biggest climate law ever“ zu bezeichnen. Außerdem wurden die Ziele der EU-Lastenteilung (ESR) für Nicht-ETS1 Sektoren angehoben.
In der Anhörung hat die Sachverständige Roda Verheyen jedoch davor gewarnt, dass man sich nicht auf der „EU Hängematte“ ausruhen darf. Zu Recht: Der ETS1 setzt spätestens seit der Reform robuste Preisanreize, deckt aber nur etwa 40 Prozent der Emissionen ab. Der neue ETS2 umfasst zwar weitere Sektoren (vor allem Gebäude und Verkehr), aber insbesondere die Landwirtschaft fehlt. Die ESR wiederum ist nach 2030 „nicht definiert“. Das kann sich ändern, aber erst in einigen Jahren und mit unklarem Ausgang.
Zudem stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit: Kann die Cap im ETS2 selbst bei sehr hohen, aber durchaus möglichen Preisen von 175 bis 350 Euro pro Tonne schon im Jahr 2030 politisch durchgehalten werden? Zwar gibt es einen Preismechanismus, der mehr Sicherheit schaffen soll, „dass der CO2-Preis in den ersten Jahren 45 EUR nicht übersteigt“. Dessen Wirksamkeit, sehr hohe Preise tatsächlich zu dämpfen, ist jedoch stark eingeschränkt – und eine Überprüfung auch schon angelegt. Eine daraus resultierende preissenkende Intervention, die die Cap aufweicht, ist nicht auszuschließen.
Beton des Klimarahmens ist angerührt, Deutschland kann ihn aushärten
Nicht auf der „EU Hängematte ausruhen“ sollte aber nicht bedeuten, sich auf nationalen Klimaschutz und Instrumente zu kaprizieren. Gerade weil der EU-Klimarahmen noch nicht stabil ist, sollte es Ziel sein, ihn politisch stabiler zu machen. Deutschland kann aufgrund seiner Rolle in der EU dabei eine entscheidende Rolle spielen. Als Devise bietet sich eine andere Metapher an: Der Beton für einen stabilen EU-Klimarahmen ist angerührt, aber bedarf Deutschlands Unterstützung, um möglichst bald auszuhärten. Richtig ausgehärteter EU-Beton ist essenziell für die Erreichung ambitionierten Klimaschutzziele – insbesondere für den Ausstieg aus fossilen Technologien, und dies nicht nur innerhalb der eigenen Grenzen.
Konkret erfordert die Umsetzung, einen anderen Weg zu gehen, als ihn die Bundesregierung für die KSG-Novelle (KSG-E) vorgeschlagen hat: bei der Reform des Brennstoffemissionshandels (BEH) und bei der Nutzung von Flexibilitäten im Rahmen der ESR.
ETS2 stärken durch vorausschauende BEH-Reform
Die Bundesregierung will einen Vorschlag für den Übergang des Brennstoffemissionshandels (BEH) zum ETS2 erst Ende 2024 vorlegen (laut Paragraf 4 Art. 6 KSG-E). Somit bleibt unklar, ob er überhaupt in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden wird. Der Übergang sollte jedoch zügig erfolgen, weil damit die Stabilität des ETS2 verbessert werden kann. Erstens: Das Vorziehen des Handels mit Zertifikaten in einem ausreichend breiten Korridor eröffnet wichtige Lernerfahrungen im Hinblick auf Preisbildung und Marktverhalten in einem in vielerlei Hinsicht neuen Markt. Wichtiger noch ist, dass durch den Übergang signalisiert werden kann, auf welchen perspektivischen Preispfad Deutschland sich unilateral verbindlich festlegt (Commitment). Der BEH könnte beispielsweise ab 2027 einen Mindestpreispfad im ETS2 für Deutschland implementieren, der eine sukzessive Konvergenz zum ETS1-Preis beschreibt.
Vorfestlegung bringt auch Risiken mit sich, aber die Chancen überwiegen klar: Ein Commitment in Form eines verbindlichen Mindestpreises kann erheblich zur Erwartungsstabilisierung des Markts beitragen und damit ex-ante Preisverzerrungen und ex-post Intervention verhindern. In der Umweltökonomie herrscht breiter Konsens, dass dies essenziell für die Effizienz von Kohlenstoffmärkten ist. Da sich ökonomische Effizienz und politische Stabilität gegenseitig bedingen, kann so der ETS2 stabilisiert werden.
Kooperation durch Nutzung von ESR-Flexibilitäten
Ein weiterer Aspekt ist die Stärkung von Kooperation. Die Bundesregierung will zukünftig den Ankauf von Emissionszuweisungen (AEA) im Rahmen der ESR-Flexibilität möglichst vermeiden (Paragraf 7 Abs. 3 KSG-E). Ein Ankauf könnte jedoch den EU-Klimarahmen stärken, weil damit sowohl Käufer (Deutschland) als auch Verkäufer Kosten sparen können. Ein funktionierender AEA-Handel kann sogar essenziell sein, um die Lastenteilungsvereinbarung insgesamt einzuhalten. Ob dies auch so kommt, hängt von Angebot und Preisbildung ab.
In der politischen Debatte dominieren diesbezüglich die Risiken: In der Anhörung wurde mehrfach betont, dass ein Zukauf zwischen 10 und 30 Milliarden Euro kosten könnte – und dies sehr teuer sei. Weiterhin wird nach aktuellen Projektionen die EU als Ganze die ESR-Ziele für 2030 um acht Prozentpunkte verfehlen. Zudem gibt es wesentliche Hindernisse bei der Aushandlung von Preisen zwischen Staaten. Es ist also durchaus möglich, dass andere Staaten keine oder nur wenig AEA verkaufen können oder wollen.
Vorausschauender Ankauf und kluge Ausgestaltung ist essenziell
Es könnte schlecht laufen – aber das muss es nicht! Richtig genutzt bietet die ESR-Flexibilität große Chancen. Viele EU-Länder haben relative niedrige Ziele und auch Vermeidungskosten. Nach neusten Daten der EEA hat Griechenland sein ESR-Ziel für 2030 bereits jetzt übererfüllt, perspektivisch werden das unter anderem auch Spanien und Portugal tun. Deutschland kann dazu beitragen, dass noch weitere Länder zum Beispiel in Osteuropa ihre Ziele übererfüllen. Dort mangelt es nicht an günstigen Vermeidungsoption, aber an Geld und administrativer Kapazität. Beides könnte Deutschland bieten, und dafür AEA gutgeschrieben bekommen. Wesentlich ist, diesen Ankauf „vorab“ zu tätigen: Klimaschutz würde in anderen Ländern vorfinanziert (und damit erst ermöglicht), der Bezug von AEA für Deutschland daher sicher und planbar.
In meiner Stellungnahme beschreibe ich, dass solche Vorabkäufe auch Risiken haben. Eine kluge Ausgestaltung ist essenziell, um diese zu minimieren. Vor allem kann erst mittelfristig geklärt werden, wie groß das Potenzial ist – auch weil andere Länder, die ebenfalls zukaufen, vielleicht schon früher tätig werden. Um zu verhindern, dass diese Unsicherheit in ein Aufschieben nationaler Anstrengungen mündet, bietet sich – ergänzend zur Limitierung des Verkaufs im Rahmen der ESR – eine Limitierung für den Ankauf im KSG an. Eine wissenschaftliche Regel für die Menge gibt es nicht, aber zumindest Orientierungspunkte: Gemäß Analysen des IER beträgt die Minderung für 2030 in den deutschen ESR-Sektoren im EU-weit kostenoptimalen Fall 45 Prozent – also fünf Prozentpunkte weniger als das geltende ESR-Ziel für Deutschland. Länder wie Dänemark nutzen zudem eine Flexibilität über das ETS, die auf zwei Prozent ihres ESR-Ziels limitiert ist. Aus pragmatischer Sicht scheint diese Größenordnung (zwei bis fünf Prozent) zielführend.
Michael Pahle leitet die Arbeitsgruppe Klima- und
Energiepolitik am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und das
Arbeitspaket Europa im Kopernikus-Projekt Ariadne. Außerdem berät er die
Bundesregierung zur EU-ETS-Reform und die europäische Kommission zu Fragen der
Ausgestaltung des EU-ETS nach 2030.