Der Krieg Russlands gegen die Ukraine verändert die europäische Politik in vielerlei Hinsicht. Doch sie muss sich auch weiterhin mit der Klimakrise beschäftigen. Im Vorfeld des G7-Gipfels in Elmau Ende Juni kann Deutschland die Führung beim Aufbau breiterer Klimabündnisse übernehmen. Ein Angebot an Entwicklungsländer zum Übergang zu einer kohlenstoffemissionsarmen Wirtschaft wäre ein wichtiger Schritt.
Der ehrgeizige Ampel-Koalitionsvertrag und die Äußerungen von Bundeskanzler Scholz haben große Erwartungen geweckt. Allerdings könnte Gegenwind aufkommen, wenn Vorschläge für einen „Klima-Club“ und Kohlenstoffgrenzausgleiche (CBAM) als unfair für Entwicklungsländer empfunden werden. Denn der EU-Vorschlag zu CBAM würde sich eventuell negativ auf die Exporte aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auswirken – von denen einige in Afrika liegen.
Diese Länder hinken bei Innovationen für einen kohlenstoffarmen Übergang in Sektoren wie Stahl, Aluminium und Düngemittel hinterher. Mit Blick auf eine umfassendere Klima-Diplomatie sollten reiche Länder ihre Zusammenarbeit bei der raschen Verbreitung und Entwicklung beispielsweise von wasserstoffbasierter Stahlerzeugung und kohlenstoffarmen Düngemitteln verstärken.
Noch kein Schwerpunkt auf Zusammenarbeit
Die deutsche Regierung und ihre Behörden sind was dies angeht bereits auf einem guten Weg. Aber es muss noch mehr getan werden – vor allem im Rahmen der G7 und der EU. Die Entwicklung solcher gemeinsamer Initiativen mit wichtigen Ländern des globalen Südens während der deutschen G7-Präsidentschaft ist ein richtiger Schritt nach vorn. Auch ist es ist sehr erfreulich, dass Indien, Indonesien, Senegal und Südafrika zum Elmau-Gipfel eingeladen wurden und Bundeskanzler Scholz persönlich enge Kontakte zu diesen Ländern unterhält. Und dass sich letzte Woche die Klima- und Energieminister der G7-Staaten auf Maßnahmen zur Förderung einer industriellen Klimawende einigen konnten, allerdings ohne Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern.
Doch wie könnte ein umfassendes, EU-gestütztes Angebot der reichen Länder an den globalen Süden aussehen?
Zunächst einmal muss es als Teil einer größeren Strategie zur Bewältigung der derzeit dringendsten Probleme verstanden werden. Zur Unterstützung der von hohen Lebensmittel- und Energiepreisen bedrohten Länder ist mehr Soforthilfe erforderlich. Die G7 müssen sich in Punkto Schuldenerlass bewegen und mehr IWF-Sonderziehungsrechte für Entwicklungsländer bereitstellen. Die Klimafinanzierung sollte jedoch nicht gekürzt werden. Im Gegenteil: Es sollten Wege gefunden werden, die Finanzierung zu erhöhen. Derartige Initiativen sind auch eine Chance, die bestehende Vertrauenslücke zu schließen.
Darüber hinaus muss mehr für die Zusammenarbeit bei der Entwicklung von grünen Technologien getan werden. Der Technologietransfer ist ein anerkannter Grundsatz im globalen Umweltrecht, aber wie er erfolgen soll, ist umstritten. Es könnte zielführender sein, Initiativen als „Innovationskooperationen“ zu konzipieren, wie es kürzlich die Denkfabrik ECFR vorgeschlagen hat. Solche Co-Innovationsprogramme könnten dann mit Finanzmitteln und/oder Zuschüssen aus den G7-Ländern sowie der EU unterstützt werden.
Konkret würde das bedeuten, dass G7-Länder mit anderen Staaten wie Indien, Indonesien und Vietnam Abkommen aushandeln, die eine grüne industrielle Transformation beinhalten, und gleichzeitig sicherstellen, dass das frühere Abkommen mit Südafrika über den Kohleausstieg auch gut umgesetzt wird. Außerdem wären horizontale Alternativen denkbar, zum Beispiel über internationale Entwicklungsbanken. Die derzeitige Zusammenarbeit Deutschlands mit anderen Ländern beim grünen Wasserstoff ist schon vielversprechend, doch müssen solche Bemühungen so gestaltet werden, dass sie der industriellen Entwicklung auch in den Partnerländern selbst zugutekommen.
Nicht nur Erneuerbare, sondern auch grüne Industrie fördern
Die Programme der Entwicklungszusammenarbeit beinhalten bereits die Förderung erneuerbarer Energien. Jetzt muss auch die Umstellung der Industrie auf kohlenstoffarme Technologien gefördert werden. Um dies zu ermöglichen, sind sowohl der Aufbau von Kapazitäten als auch zweckgebundene Finanzierungen zur Verringerung des Investitionsrisikos erforderlich. Die G7-Länder sollten beispielsweise mehr zum industriellen Teil des Climate Investment Funds beitragen. Die Regierungen können auch mit Unternehmen, die nationale Finanzhilfen erhalten, Verpflichtungen aushandeln – und damit zur Verbreitung von Technologien und Kompetenzentwicklung in Entwicklungsländern beitragen, in denen die Firmen ansässig sind.
Fakt ist, Deutschland und andere G7-Länder sollten auch mehr für die Umsetzung der Kohlenstoffberichterstattung und Festlegung von Kohlenstoffpreisen tun. Insbesondere wenn es um Kohlenstoffgrenzausgleiche geht. Afrikanische Länder und andere Teile des globalen Südens brauchen Unterstützung bei den Anforderungen, die im CBAM-Vorschlag der EU stehen, und bei Systemen zur Überwachung und Überprüfung von Industrieemissionen im Allgemeinen. Und das könnte eigentlich fast sofort durch bestehende Instrumente geschehen.
Ein weiterer Bereich, in dem die G7 eine stärkere Rolle spielen können, ist der Beitrag zu internationalen Standards. Es ist daher begrüßenswert, dass dies bereits Teil der deutschen Überlegungen zu einem „Klima-Club“ ist. Heute aber konkurrieren viele verschiedene Initiativen miteinander, zum Beispiel bei der Definition von „grünem Stahl“ oder „grünem Zement“.
Die G7- und EU-Staaten könnten gemeinsam mit Ländern wie Indien die Bemühungen um die Entwicklung grüner Technologien für den globalen Süden unterstützen. Deshalb sollten in ihrer nationalen Politik Ressourcen für grüne Innovationsnetzwerke mit wichtigen Entwicklungsländern priorisieren. Strategien für widerstandsfähige Lieferketten müssen auf echten Partnerschaften aufbauen, und die G7 sollte den Entwicklungsländern dabei helfen, gut in die globalen kohlenstoffarmen Lieferketten integriert zu werden.
Deutschland in einzigartiger Position
Damit Initiativen wie ein „Klima-Club“ außerhalb der G7 legitim sind, ist es wichtig, diese mit den Prozessen der Vereinten Nationen zu verbinden. Ein kohlenstoffarmer industrieller Wandel kann im Rahmen der Klimakonvention stärker gefördert werden. Das bereits bestehende Climate Technology Center & Network (CTCN) benötigt beispielsweise mehr finanzielle Mittel. Multilaterale Institutionen wie die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) brauchen mehr Engagement von Seiten der G7-Länder und der EU, auch etwa durch Aufstockung der Mittel.
Die G7-Staaten und die EU müssen auch innerhalb der WTO einen konstruktiveren Ansatz für die Anliegen der Entwicklungsländer wählen. Um es Unternehmen im globalen Süden zu erleichtern, die Anforderungen von Kunden im Ausland – wie etwa kohlenstoffarme Produktionsgarantien – zu erfüllen, müsste man die handelsbezogenen Hilfen aufstocken. Auch die Rechte an geistigem Eigentum sollten die rasche Verbreitung neuer kohlenstoffarmer Technologien nicht übermäßig verzögern. Hierfür könnte eine Lizenzierungsstelle für grüne Technologien eingerichtet werden.
Obwohl die russische Aggression gegen die Ukraine jetzt verständlicherweise im Mittelpunkt steht, bleiben die Klimakrise und der Verlust der Biodiversität globale Bedrohungen. Die Bewältigung der weltweiten Herausforderungen erfordert neue Initiativen, einschließlich einer stärkeren Zusammenarbeit mit dem globalen Süden. Deutschland ist jetzt in einer einzigartigen Position, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Industrie zum Bestandteil einer breiteren Kooperationsagenda zu machen.
Der Schwede Mats Engström
ist Visiting Fellow des European Council on Foreign Relations (ECFR).