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Energie & Klima

Standpunkte Finanzierung von Klimaschutz und Transformation der Wirtschaft auf eine stabile Basis stellen

Niels Thürigen und Brick Medak, NABU
Niels Thürigen und Brick Medak, NABU Foto: NABU/sevens+maltry

Wie mit der derzeitigen Krise bei der Finanzierung von Klimaschutz und der Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität umgegangen werden könnte und welche Schritte die Bundesregierung jetzt gehen sollte, beschreiben Brick Medak und Niels Thürigen vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in ihrem Standpunkt.

von Niels Thürigen und Brick Medak

veröffentlicht am 12.12.2023

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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) vom 15. November 2023 hat Schockwellen durch die politische Landschaft gesendet, deren Auswirkungen teils noch gar nicht erfasst sind. Dabei wurde lediglich ein Problem offengelegt, das die Bundesregierung in wenigen Jahren ohnehin eingeholt hätte: Die notwendigen Mittel für Klima- und Umweltschutz und für die Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität standen auf wackligen Füßen. Hierfür eine nachhaltige Lösung zu finden, muss für die Bundesregierung oberste Priorität haben. Hieran wird sich rückblickend auch maßgeblich der Erfolg oder Misserfolg ihrer Amtszeit bemessen lassen.  

Die konkreten Finanzbedarfe werden unterschiedlich eingeschätzt. Das Dezernat Zukunft rechnet mit notwendigen Mitteln von etwa 47 Milliarden Euro jährlich beziehungsweise 380 bis 460 Milliarden Euro insgesamt bis 2030. Klar ist: diese Bedarfe gehen über die Kapazitäten des KTF weit hinaus. Vor allem wird der Investitionsbedarf immer größer, je länger die Transformation dauert. Schon jetzt kosten die Versäumnisse der letzten Bundesregierungen die Volkswirtschaft immense Summen. In diesem Sinne beinhaltet das Gerichtsurteil auch eine große Chance. 

Die Bundesbürgerinnen und -bürger erwarten von ihrer Regierung zu Recht, dass sie ihren Beitrag leistet, attraktive Perspektiven für die deutsche Wirtschaft zu schaffen. Und dass sie ein glaubwürdiges Narrativ darlegt, wie sie gleichzeitig die deutschen Klimaziele einhalten wird. Die bloße Existenz eines KTF reicht hierfür nicht. 

Green Budgeting und ein Sondervermögen Klimaschutz und Transformation 

Grundsätzlich dürfen die Finanzierung von Klimaschutz und der Transformation der Wirtschaft nicht nur im Rahmen eines gesonderten Finanzierungstopfes unter der Anwendung von haushalterischen Tricks stattfinden, während andere Teile des Bundeshaushalts dieselben Ziele konterkarieren. Vielmehr müssen Klima- und Transformationsziele im gesamten Haushalt Berücksichtigung finden.

Die konsequente Umsetzung eines Green-Budgeting-Ansatzes würde dieses Problem lösen, indem transparent dargelegt wird, ob ein Haushaltsposten einen erwartbar positiven, negativen oder neutralen Effekt für den Klimaschutz hat. Dadurch kann der Bundeshaushalt als Ganzes auf seine Zukunftsfähigkeit durchleuchtet und zur Finanzierung von Klimaschutz aktiviert werden. Das Bundesfinanzministerium hat bereits erste Ansätze hierfür vorgelegt, die aber unbedingt weiterentwickelt werden müssen. In Europa gibt es verschiedene interessante Vorbilder wie das Budget Vert in Frankreich

Zusätzlich wird für die nächsten Jahre ein Sondervermögen für Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft von mindestens 100 Milliarden Euro, analog zum Sondervermögen Bundeswehr, notwendig sein, um den großen Finanzierungsbedarf zu stemmen und die Finanzierungsperspektiven verfassungskonform zu verankern. Mit Blick auf die Bedrohung für unseren Wohlstand, die von der Klima- und Biodiversitätskrise ausgeht, führt hieran kein Weg vorbei. 

Klimaschutz und Sozialpolitik nicht gegeneinander ausspielen 

Für die gesellschaftliche Akzeptanz der Finanzierung von Klimaschutz und der Transformation der Wirtschaft – gerade falls sie kurzfristig auf Kosten anderer Haushaltsposten durchgesetzt werden sollte – sind zwei Dinge entscheidend: eine umfängliche Wirkungsanalyse der Ausgaben sowie Maßnahmen, den Mittelabfluss signifikant zu verbessern. Aktuell werden selten mehr als 80 Prozent der veranschlagten Mittel abgerufen, häufig ist es sogar wesentlich weniger. 

Bei allen Ausgaben für den Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft darf die Einnahmenseite nicht außen vor bleiben. Während Fördermittel sich stets auf Neues fokussieren, haben CO2-Preis-basierte Einnahmen den Vorteil, dass sie auch auf den Kapitalbestand Einfluss haben.

Derzeit scheint aber eine kurzfristige Erhöhung der CO2-Preise politisch nicht opportun – zumindest so lange nicht, wie nicht mit dem Klimageld auch ein Rückverteilungsmechanismus für die Bürgerinnen und Bürger etabliert ist. Ein Ende der Diesel-Vergünstigungen für Pkw und Lkw könnte laut Berechnungen des Forums für Sozial-Ökologische Marktwirtschaft zu jährlichen Einsparungen von bis zu 2,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr führen. Beim Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen darf man aber nicht stehen bleiben. 

Ein zukunftsfähiger Bundeshaushalt sollte deshalb von Maßnahmen flankiert sein, die die private Finanzierung von Klimaschutz beflügeln. Das sind zum Beispiel eine differenzierte Behandlung von privaten Klimainvestitionen etwa bei Abschreibungsregeln und eine stärkere Integration der Kapitalmärkte. Schließlich machen private Investitionen gesamtwirtschaftlich betrachtet rund 90 Prozent der gesamten Investitionstätigkeit aus. 

Bei alledem muss der Grundsatz gelten, dass die Finanzierung von Klimaschutz und Sozialausgaben niemals gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Dazu gehört es, die sozial-relevanten Wirkungen eines klima- und umweltfreundlicheren Bundeshaushalts, wie etwa höhere Tank- und Heizkosten, durch die Einführung eines Klimageldes auszugleichen. Hierzu hat sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag bereits verpflichtet, ohne dass bisher aber viel passiert ist. Und dazu gehört auch, die Schuldenbremse zu reformieren, damit Investitionen in die Zukunft nicht mit den Sozialausgaben von heute konkurrieren. Dabei gilt: Es gibt auch gute Schulden

Durch ihre Dringlichkeit bei gleichzeitig hoher Komplexität sollte eine solide Finanzierung von Klimaschutz und der Transformation der Wirtschaft in Deutschland ein Ziel für alle demokratischen Parteien gleichermaßen sein. Wie es bereits bei anderen großen Herausforderungen der vergangenen Jahre der Fall war, ist diese Aufgabe zu wichtig, um kurzfristigen parteipolitischen Überlegungen zum Opfer zu fallen. 

Brick Medak leitet das Energie- und Klimapolitikteam beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Niels Thürigen ist dort Senior Referent für Industriepolitik und Nachhaltige Finanzen.

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