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Energie & Klima

Standpunkte Für die Transformation brauchen Unternehmen mehr Investitionssicherheit

Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft
Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft Foto: Stiftung KlimaWirtschaft

Energiewende, Rezession, Haushaltskrise – die wirtschaftlichen Herausforderungen in Deutschland sind groß. Umso wichtiger ist es, dass sich Unternehmen auf politische Vorgaben bei der Transformation verlassen können. Das gilt vor allem für Infrastrukturausgaben und Förderprogramme, wie über 50 Unternehmen in einem Appell der Stiftung KlimaWirtschaft gefordert haben. Die aktuellen Schuldenregeln sehen sie dabei kritisch, schreibt Vorständin Sabine Nallinger in ihrem Standpunkt.

von Sabine Nallinger

veröffentlicht am 02.02.2024

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Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist schlecht. Überbordende Bürokratie, ein großer Nachholbedarf bei der Energiewende, hohe Zinsen und eine turbulente Weltlage belasten die Unternehmen. Und das zu einem Zeitpunkt, in dem es eigentlich mehr Aufbruchsstimmung und massive Investitionen in die Transformation bräuchte. In einem jüngst veröffentlichten Appell mit über 50 führenden Unternehmen aus Deutschland hat sich die Stiftung KlimaWirtschaft deshalb an die Regierung und die demokratische Opposition gewandt. Unsere Forderung: Klarere Rahmenbedingungen für die Transformation. Insbesondere bei Förderprogrammen und staatlichen Infrastrukturausgaben, da politische Entscheidungen hier unmittelbar auf die Planungen von Unternehmen durchschlagen.

Im Zentrum unseres Appells steht die Forderung nach einem klimapolitischen Leitbild, das das Potential hat, über mehrere Legislaturperioden zu bestehen. Dieses Leitbild muss eine Reihe von grundsätzlichen Fragen beantworten: Welche Technologien und Produktionskapazitäten gilt es aus strategischen Gründen in Deutschland und Europa zu halten? Welche Infrastrukturen für ein klimaneutrales Energiesystem brauchen wir? Welche Instrumente und Förderprogramme sind notwendig, damit klimaneutrale Technologien und Produkte international wettbewerbsfähig sind? In einem Schulterschluss der demokratischen Parteien gilt es über diese Fragen Einigkeit zu finden, um die bestehenden Unsicherheiten bei der Transformation zu beseitigen. Denn Unsicherheiten hemmen private Investitionen.

Diese Investitionen sind jedoch dringend nötig. Im internationalen Vergleich ist Deutschland bei den klimaneutralen Schlüsseltechnologien längst nicht mehr Treiber, sondern Getriebener. Das heißt, dass wir jetzt in unsere wirtschaftliche Zukunft investieren müssen. Andere Wirtschaftsräume machen dies wesentlich strategischer und bieten Unternehmen damit die nötige Planungssicherheit. Gemeint sind hiermit nicht nur die USA, die mit dem Inflation Reduction Act bereits heute über 110 Milliarden Dollar an privaten Investitionen angereizt haben. Auch in China wird die Transformation deutlich langfristiger angegangen. Das Resultat: Riesige Investitionssummen in Batterien, Solarmodule und Elektrolyseure. In der Konsequenz sind viele Wertschöpfungsketten nach China abgewandert.

Was die Wirtschaft von der Politik braucht

Um im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren, gilt es nun die nötige Verlässlichkeit herzustellen. Sie ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Unternehmen ihre Geschäftsmodelle auf ein sicheres Fundament stellen können. Investitionen in Infrastruktur sind dabei genauso entscheidend wie gezielte Förderprogramme, die idealerweise ein Vielfaches an Investitionen aus dem Privatsektor nach sich ziehen. Bei der Infrastruktur spielt die Schiene eine wichtige Rolle. Im Haushalt sind hier zuletzt Milliarden für dringend benötigte Sanierungen gestrichen worden, obwohl das Schienennetz die Basis für wirtschaftliche Aktivität im ganzen Land ist. Auch der wirtschaftliche Schaden durch marode Brücken ist immens und de facto ebenfalls eine Schuldenlast für zukünftige Generationen.

Weitere wichtige Infrastrukturprojekte mit ungeklärter Finanzierung sind das Wasserstoffkernnetz, der Ausbau der Stromnetze und die Reservekraftwerke. Hier ist entscheidend, dass künftige Umsetzungen nicht zu noch höheren Energiepreisen führen. Bei den Förderprogrammen sind die Ereignisse der vergangenen Monate ein Negativbeispiel. So wurde im Zuge der Kürzungen im Haushalt 2024 etwa eine dringend benötigte Entlastung bei den Netzentgelten für die Wirtschaft zurückgenommen. Weitere Projekte der Ampel, wie etwa das Strompreispaket oder das Wachstumschancenpaket, die einen wichtigen Investitionsimpuls setzen könnten, stehen auf der Kippe. So bleiben wichtige Investitionen in die Transformation aus.

Weiterentwicklung der Schuldenbremse nötig

Für uns ist klar: Wenn die Transformation ein Erfolg werden soll, braucht der Staat mehr Handlungsspielräume in der Haushaltspolitik. Die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Fassung steht dem entgegen, wie die Turbulenzen nach dem KTF-Urteil gezeigt haben. Auch wenn es der Ampel diese Woche gelingt, einen verfassungskonformen Haushalt 2024 zu verabschieden, droht bereits für 2025 ein neues Loch von 13 Milliarden Euro. Somit stehen auch weiterhin Investitionen in Infrastruktur und Förderprogramme unter Vorbehalt. Kurz: Die Schuldenbremse in ihrer heutigen Form hängt wie ein Damoklesschwert über der Wirtschaft.

Eine Möglichkeit das zu ändern wäre eine Schuldenregel, die dem Staat mehr Spielräume bei investiven Ausgaben gibt. Auf diese Weise können volkswirtschaftliche Mehrwerte geschaffen werden, ohne konsumtiven Schulden Tür und Tor zu öffnen. Die Lösungen dafür liegen bereits auf dem Tisch. Gerade zu Beginn dieser Woche haben etwa die Wirtschaftsweisen neue Vorschläge für die Reform der Schuldenbremse veröffentlicht. Ebenso hat der unabhängige Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz bereits eine Reform angemahnt. Hier liegt es jetzt an den Parteien im Bundestag, eine verlässliche Finanzarchitektur für die Transformation auszuhandeln. Für den Wirtschaftsstandortort Deutschland hängt viel davon ab.

Sabine Nallinger ist seit 2014 Vorständin bei der Stiftung KlimaWirtschaft, einer Initiative für unternehmerischen Klimaschutz in Deutschland. Darüber hinaus sitzt sie bei der Vattenfall Wärme Berlin AG im Aufsichtsrat.

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