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Energie & Klima

Standpunkte H2-Herkunftsnachweise müssen nachhaltig sein

Carolin Dähling, Green Planet Energy
Carolin Dähling, Green Planet Energy Foto: Green Planet Energy

Die Bundesregierung will das System der Herkunftsnachweise auch auf Gase wie erneuerbaren Wasserstoff ausweiten – und so eigentlich für mehr Transparenz sorgen. Doch der Entwurf zur Herkunftsnachweis-Register-Verordnung (HKNRV), den das Kabinett demnächst verabschieden soll, verfehlt dieses Ziel. Um sicherzustellen, dass Wasserstoff erneuerbar produziert wurde, brauche es weitere, schärfere Kriterien, kritisiert Carolin Dähling von Green Planet Energy.

von Carolin Dähling

veröffentlicht am 07.11.2023

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Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger der Energiewende. Damit sich diese Hoffnung erfüllt, muss er aber mit erneuerbarem Strom hergestellt werden. Das nachzuweisen ist allerdings nicht so einfach. Die Bundesregierung will in ihrer jetzt geplanten Verordnung zum Herkunftsnachweis-Register den Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Produktion von Wasserstoff dadurch sicherstellen, dass dessen Produzenten Strom-Herkunftsnachweise entwerten.

Herkunftsnachweise (HKN) sind im Stromsektor bereits etabliert und werden genutzt, um Ökostromprodukte als solche auszuweisen. Die EU und auch die Bundesregierung stellen dabei klar, dass die Herkunftsnachweise lediglich für solche Kennzeichnungen geeignet sind. Denn die Ursprungs-Zertifikate sind nicht an eine tatsächliche Energielieferung geknüpft und werden losgelöst von der physikalischen Stromproduktion europaweit gehandelt. Eine positive Auswirkung auf den Erneuerbaren-Ausbau konnte durch das Herkunftsnachweis-System bislang nicht festgestellt werden.

Dementsprechend ist diese Art des Nachweises auch für Wasserstoff ungenügend. Zertifikate allein können nicht garantieren, dass er tatsächlich mit Ökostrom produziert wurde. Und das könnte nicht nur zum Greenwashing verleiten, sondern würde auch diejenigen schlechter stellen, die ihre grünen Gase tatsächlich mithilfe erneuerbarer Energien produzieren. Außerdem besteht die Gefahr, dass solcher Wasserstoff als „grün“ gelabelt wird, dessen Herstellung in der Realität den Strombezug aus Kohlekraftwerken verstetigt. Das würde nicht nur die Energiewende torpedieren, sondern den Kohlendioxid-Ausstoß sogar noch steigern, statt ihn zu senken. Denn zentral für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff ist der Ausbau und die Produktion von erneuerbaren Energien. Dementsprechend muss die Produktion von grünem Wasserstoff den Ausbau und Einsatz dieser Technologien unterstützen und vorantreiben.

Was es für nachweislich grünes H2 braucht

Damit eine bestimmte Menge an strombasiertem Wasserstoff wirklich als „erneuerbar“ gelten kann und somit den Ausbau der Erneuerbaren unterstützt sowie dem Klimaschutz dient, sind mehrere Faktoren notwendig. So sollte der Betreiber eines Elektrolyseurs durch einen Liefervertrag mit dem Betreiber von Ökostrom-Kraftwerken nachweisen, dass er tatsächlich erneuerbaren Strom für seine Anlage einkauft und die Produktion der Erneuerbaren dadurch finanziell unterstützt.

Auch die Herkunftsnachweise für diesen Strom sollten durch den Elektrolyseur-Betreiber in entsprechender Menge entwertet werden. Für die Erzeugung dieses Stroms sollte keine staatliche Förderung in Anspruch genommen worden sein. Und im besten Fall stammt der Strom aus zusätzlich errichteten Wind- oder Solarparks. In Anlehnung an die Übergangsfrist des delegierten Rechtsakts der EU sollte die genutzte EE-Anlage ab dem Jahr 2028 nicht früher als 36 Monate vor dem Elektrolyseur in Betrieb genommen worden sein.  

Die Herstellung von Wasserstoff und dem dafür genutzten Strom sollten außerdem zeitlich aufeinander abgestimmt sein. Dafür müssten Elektrolyseurbetreiber nachweisen, dass ihre Wasserstoff-Erzeugung und die Stromproduktion aus EE-Anlagen vierteljährlich deckungsgleich sind. Diese Nachweisführung ist allerdings herausfordernd.  

Wir schlagen deshalb vor, den zeitlichen Abgleich zunächst auf einen Monat auszuweiten, denn der Produktionsmonat ist bereits als Zeitstempel auf den Strom-HKN ausgewiesen. Dies ist also ein schnell umsetzbares Kriterium. Ab dem Jahr 2030 aber sollte die zeitliche Korrelation dann stündlich nachgewiesen werden.

Mindestunterstützung ist leicht umsetzbar

Die beiden vorgeschlagenen ergänzenden Kriterien für die geplante Verordnung – der Nachweis eines Liefervertrags und der monatliche Abgleich von Strom- und Wasserstoffproduktion – sind leicht umsetzbare Kriterien, die aber dennoch ein Mindestmaß an Unterstützung für die EE-Produktion sicherstellen. Ist dieses Mindestmaß nicht gegeben, verstärkt die Wasserstoffproduktion die Erzeugung aus fossilen Kraftwerken und wird damit zu einem Risiko für die Energiewende.  

Eine angepasste und flexible Fahrweise von Elektrolyseuren verringert die CO2-Intensität hingegen deutlich. Je weniger Volllaststunden (VLS) im Jahr dieser läuft, desto besser kann sein Strombedarf in die wind- und sonnenreichen Stunden verschoben werden. Das reduziert nicht nur die Stromkosten, sondern auch den Gasverbrauch sowie den Ausstoß von Kohlendioxid. Wie das im Detail aussieht, zeigt eine Berechnung aus dem vergangenen Jahr: Wird ein Elektrolyseur 3000 Volllaststunden (VLS) im Jahr gefahren, beträgt die Emissionsintensität 0,22 Tonnen CO2-Äquivalente pro Megawattstunde Stromeinsatz. Bei weniger als 1000 VLS sinkt dieser Wert auf 0,16 Tonnen. Noch stärker reduzieren sich die Strombezugskosten, nämlich von 102 Euro pro Megawattstunde bei 3000 VLS auf 18 Euro.

Es ist also grundsätzlich empfehlenswert, Elektrolyseure mit wenigen Vollaststunden zu betreiben. Politisch folgt daraus, dass es von hoher Relevanz und Priorität wäre, für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff die flexible Elektrolyse anzureizen. Wie eine sinnvolle Produktion und Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff aussehen könnten, zeigt das Reiner Lemoine Institut in seiner neuesten Studie. Entscheidend für die klimafreundliche Herstellung von grünem Wasserstoff ist demnach vor allem der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien.

Der Verordnungsentwurf muss korrigiert werden

Die Bundesregierung sollte also ihren derzeitigen Verordnungsentwurf dringend überarbeiten. Zu den Mindestanforderungen gehört, dass Wasserstoff- und Stromproduktion monatlich korrelieren, und dass die Betreiber von Elektrolyseuren und EE-Anlagen direkte Lieferverträge miteinander schließen. Für die Nutzung von Wasserstoff im Bereich der Mobilität hat der vor kurzem beschlossene delegierte Rechtsakt der Europäischen Union solche Bedingungen bereits festgeschrieben.

Etwas Vergleichbares empfiehlt sich deshalb auch bei der Herkunftsnachweis-Register-Verordnung. Dass der deutsche Entwurf bislang dahinter zurückbleibt, ist unverständlich. Strengere Kriterien würden Transparenz gewährleisten und das Vertrauen in erneuerbare Gase stärken. Und nur dann kann Wasserstoff seiner Rolle als Hoffnungsträger der Energiewende auch gerecht werden.

Carolin Dähling ist Bereichsleiterin Politik und Kommunikation der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy. 

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