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Energie & Klima

Standpunkte Rechtshürden für Elektrolyseure beseitigen

Hartmut Gaßner, Partner der Kanzlei GGSC
Hartmut Gaßner, Partner der Kanzlei GGSC Foto: GGSC

Zehn Gigawatt Elektrolyseur-Kapazität sollen 2030 in Deutschland laufen. Hartmut Gaßner und Georg Buchholz von der Kanzlei GGSC analysieren in ihrem Standpunkt, welche regulatorischen Hemmnisse den Ausbau bremsen – und wie Abhilfe geschaffen werden kann.

von Hartmut Gaßner

veröffentlicht am 26.11.2021

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Für die Klimaneutralität werden wir viel Wasserstoff brauchen. Diskutiert wird, ob er nur grün sein darf oder auch türkis oder blau, ob er nur für die Industrie oder auch für Verkehr und Heizung verwendet werden soll, und woher wir ihn importieren können. Wofür auch immer man plädiert, alle sollten sich einig sein, dass wir möglichst viel grünen Wasserstoff in Deutschland und Europa produzieren sollten. Die Steigerung der angestrebten Elektrolyseur-Kapazität von fünf auf zehn Gigawatt im nun vorliegenden Koalitionsvertrag der Ampelparteien zeigt, dass das erkannt worden ist.

Erstes Augenmerk muss daher auf die Entfesselung dieser Potenziale gerichtet sein. Eine wesentliche Baustelle dafür ist es, attraktive finanzielle Rahmenbedingungen für die Erzeugung zu schaffen. Das betrifft also EEG-Umlage, Netzentgelte, CO2-Preis und anderes. Der Koalitionsvertrag bringt hier einen konkreten Fortschritt: Die EEG-Umlage soll 2023 abgeschafft werden. Ansonsten bleibt es aber bei einem noch nicht näher bestimmten Reformwillen der Rahmenbedingungen.

Genauso wichtig wie der Rechtsrahmen für den Betrieb sind allerdings passende und schlanke Genehmigungsverfahren. Wir kennen diese Diskussion vor allem bei der Windkraft. Bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff stehen wir erst am Anfang.

Grüner Wasserstoff wird durch die bereits genannten Elektrolyseure erzeugt. Das sind typischerweise Module in der Größe eines Schiffscontainers. Sie arbeiten mit Strom und ohne Verbrennungsprozesse. Wichtigstes Umweltrisiko dürfte die hohe Entzündbarkeit von Wasserstoff sein. Diese ist technisch beherrschbar; für Wasserstofflager sind aufwändige Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung erst bei großen Lagermengen ab 30 Tonnen erforderlich.

Falsche Maßstäbe bei der Regulierung

Dennoch halten die Genehmigungsbehörden bisher überwiegend auch für kleine Elektrolyseure mit wesentlich geringeren Wasserstoffmengen ein großes Genehmigungsverfahren für erforderlich. Grund dafür sind unbestimmte Formulierungen in der EU-Industrieanlagenrichtlinie und deren Umsetzung durch die einschlägige Rechtsverordnung der Bundesregierung (4. BImSchV). Diese Genehmigungsanforderungen sind für Dampfreformierungsanlagen formuliert worden, mit denen Wasserstoff bisher zu über 90 Prozent hergestellt wird. Solche Dampfreformierungsanlagen sind mit einem Elektrolyseur nicht vergleichbar. Es handelt sich um große Industrieanlagen, in denen Erdgas mit Hilfe von Verbrennungsprozessen bei hohen Temperaturen in Wasserstoff umgewandelt wird. Mangels spezieller Regelungen werden diese Vorschriften auch für Elektrolyseure angewandt.

Das passt nicht. Am Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft interessierte Verbände wie der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband fordern von der zukünftigen Bundesregierung in einem 100-Tage-Programm eine Genehmigung von Elektrolyseuren mit einer Leistungsaufnahme von bis zu 50 Megawatt im vereinfachten Verfahren. Auch die technischen Vertreter der Genehmigungsbehörden im Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) wollten das vereinfachte Verfahren immerhin für Anlagen bis ein MW zulassen. Der Rechtsausschuss des LAI lehnte das im Herbst 2021 jedoch ab, weil er meinte, erst eine europarechtliche Klärung abwarten zu müssen.

Nicht auf europäische Regelung warten

Hier brauchen wir ein Umdenken. Wir dürfen nicht immer auf das Unionsrecht warten, sondern müssen schneller schon auf nationaler Ebene passende Rahmenbedingungen schaffen. Natürlich muss das Unionsrecht im Blick behalten und auf eine Harmonisierung hingewirkt werden. Das EU-Recht verlangt ein großes Genehmigungsverfahren nur für die Herstellung von Wasserstoff „im industriellen Umfang“ in Anlagen der chemischen Industrie.

Nach Hinweisen der EU-Kommission soll der Begriff des industriellen Umfangs durch verschiedene Kriterien wie den industriellen Charakter der Anlage und Maschinen, das Produktionsvolumen, die Gewerbsmäßigkeit und die Umweltauswirkungen konkretisiert werden. Damit besteht ausreichender Auslegungsspielraum, der jedenfalls für kleinere Elektrolyseure, die der Erzeugung von Wasserstoff als Energieträger außerhalb der chemischen Industrie dienen, eine Verschlankung des Genehmigungsverfahrens in der 4. BImSchV erlaubt.

Uns ist jüngst auch ein Fall eines Stadtwerkes bekannt geworden, in dem ein Projekt zur Wasserstoffproduktion mit einem Elektrolyseur, einer Windkraftanlage und einer Tankstelle gefährdet ist, weil das geforderte förmliche Genehmigungsverfahren eine Realisierung innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraums zum Abruf von zugesagten Fördermitteln nicht ermöglicht.

Weiterer Regelungsbedarf besteht im Bau- und Planungsrecht. Hier im Tagesspiegel Background kann man lesen, dass Elektrolyseure dort gebaut werden sollten, wo der (Wind-) Strom erzeugt wird, weil sich Moleküle effizienter transportieren lassen als Elektronen, jedenfalls wenn es eine geeignete Infrastruktur, also Gasnetze gibt, die Wasserstoff aufnehmen. Es ist absehbar, dass es rechtliche Probleme geben wird, Elektrolyseure an den technisch dafür geeignetsten Standorten zu errichten. Denn regelmäßig handelt es sich um Standorte im Außenbereich, die nach allgemeinen bau- und planungsrechtlichen Grundsätzen von Bebauung freigehalten werden sollen.

Hier sollte der Gesetzgeber kurzfristig regeln, dass und in welchen Fällen Elektrolyseure im Außenbereich privilegiert sind – sowohl unmittelbar bei Windkraft- und Fotovoltaikanlagen als auch in der Nähe der Gasinfrastrukturen. Auch bei der untergesetzlichen Planung sollte auf allen Ebenen frühzeitig darauf geachtet werden, dass für alle Standorte, an denen Elektrolyseure sinnvoll sind, frühzeitig die erforderlichen Planungsgrundlagen geschaffen werden, damit Genehmigungshindernisse gar nicht erst entstehen.

Es gibt also auch hier genug zu tun für die neue Bundesregierung.

Die Rechtsanwälte Prof. Hartmut Gaßner und Dr. Georg Buchholz sind Partner des Anwaltsbüros Gaßner, Groth, Siederer& Coll. in Berlin.

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