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Energie & Klima

Standpunkte Klimaziele: Wir dürfen uns nicht an den Gesetzesbruch gewöhnen

Lisa Badum, Obfrau der Grünen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie
Lisa Badum, Obfrau der Grünen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie Foto: Büro Lisa Badum

Die Grüne Fraktion im Bundestag werde verhindern, dass der Bruch des Klimaschutzgesetzes zum Dauerzustand wird, kündigt die Obfrau der Grünen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, Lisa Badum, in ihrem Standpunkt an. Das gelte insbesondere für den FPD-Verkehrsminister, aber auch die SPD. Anlässlich der morgen erwarteten Klimabilanz unterstreicht sie, dass das Gesetz eine aus ihrer Sicht unschätzbare Errungenschaft sei.

von Lisa Badum

veröffentlicht am 14.03.2023

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Morgen wird das Umweltbundesamt die Klimabilanz für 2022 präsentieren und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sollte sich warm anziehen. Bereits jetzt ist absehbar, dass der Verkehrssektor die Klimaschutzziele erneut verfehlen wird, dieses Mal noch dramatischer als im vergangenen Jahr. Andere Sektoren werden ebenfalls Nachbesserungsbedarf haben, aber im Vergleich zum Verkehr gibt es für sie bereits konkrete Pläne, wie die Ziele bis 2030 eingehalten werden sollen.

Der Pflicht zur Vorlage eines Sofortprogramms für den Verkehrssektor, das die zukünftige Einhaltung der Emissionsziele garantiert, ist Wissing bis heute noch nicht nachgekommen. Damit liegt ein Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz (KSG) vor, der für alle Bürgerinnen und Bürger inakzeptabel ist. Jeglicher Versuch der FDP, das Thema auszusitzen, wird scheitern – das haben wir uns als grüne Fraktion im Bundestag vorgenommen.

Wir werden uns nicht daran gewöhnen, dass Gesetze nicht eingehalten werden. Die Strategie, das Thema mit der E-Fuel-Diskussion und mit dem Verweis auf den Strommix für Elektroautos vom Tisch zu räumen, darf nicht gelingen. Das Gesetz mag unbequem sein, weil es mit kurzfristiger Parteilogik nicht übereinstimmt – aber dennoch ist es bindend.

Trotz alter Lasten muss die Trendwende gelingen

Dass das Klimaschutzgesetz nur wenige Jahre nach seiner Verabschiedung von der FDP ignoriert wird, sollte nicht nur die Grünen alarmieren. Zwar kündigte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch im Dezember 2022 an, das Parlament habe die Aufgabe, die Regierung zu treiben. Aber seine eigene Partei, die das Gesetz einst auf den Weg gebracht hat, behandelt es leider allzu stiefmütterlich.

Natürlich wird es immer schwieriger, die Versäumnisse vergangener Regierungen im Verkehr aufzuholen und so viele Emissionen einzusparen, dass die Ziele bis 2030 überhaupt noch erreichbar sind. Emissionsminderungen im Verkehrssektor lassen sich eben nicht so flexibel einsparen wie in anderen Bereichen. Umso wichtiger ist es, jetzt die Trendwende einzuleiten.

Im Gebäudesektor sehen wir, dass es ambitionierte Maßnahmen braucht und dass Lösungen aufwendig und komplex sind. Hier ist mit dem Gebäudeenergiegesetz der erste große Schritt getan, die Herausforderungen wachsen aber gleichermaßen. Laut Expertenrat für Klimafragen reicht es nicht, einen erneuerbaren Kapitalstock aufzubauen. Gleichzeitig muss der fossile Kapitalstock, sprich Verbrennerautos, fossile Heizungen, Kraftwerke und Industrieanlagen, abgebaut werden.

Die 600.000 Haushalte beispielsweise, die 2022 eine neue Gasheizung eingebaut haben, werden für die Lebensdauer dieser Heizung, also die nächsten 20 bis 30 Jahre, nicht klimaneutral heizen. Ein stetiges Weiterso, um den Besitzstand zu wahren, und ein erneuerbares Sahnehäubchen obendrauf, können wir uns mit Blick auf die Klimakrise schlicht nicht leisten.

Eine Solaranlage und ein E-Bike reichen nicht mehr

Eine zusätzliche Solaranlage auf dem alten Firmendach, die gerade einmal für die Lampen eines Bürogebäudes reichen, ist kein Game-Changer. Deswegen ist der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes, der vorschreibt, dass ab 2024 bei Neubau und Sanierung nur erneuerbare Heizungen verbaut werden dürfen, so revolutionär wie unumgänglich. Wenn neu eingebaute Heizungen weiter fossil sind, werden wir nie unabhängig von Gas aus Drittstaaten und wir können die Klimaziele für 2045 gleich an den Nagel hängen.

Im Verkehrssektor ist es ähnlich. Bürgerinnen und Bürgern dazu zu animieren, den hauseigenen Fuhrpark um ein E-Bike zu ergänzen, um auch noch in der Freizeit motorisiert fahren zu können, hilft uns nicht aus der Krise, ebenso wenig werden uns die E-Fuels retten.

Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, die Zahlen dazu in der Schublade. Das Umweltbundesamt beziffert die Einsparwirkung eines Tempolimits auf knapp sieben Millionen Tonnen CO2 jährlich. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat weitere Vorschläge durchgerechnet: Die Anhebung des CO2-Preispfades würde 3,6 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Hinzu könnten kommen:  Einführung einer CO2-basierten Zulassungssteuer (2,8 Millionen Tonnen), Reform der Dienstwagenbesteuerung (0,3 Millionen); Abschaffung des Dieselprivileg (3,7 Millionen) und der Entfernungspauschale (zwei Millionen Tonnen CO2).

Das Klimaschutzgesetz kann die Regierung zusammenschweißen

Ein positiver Nebeneffekt wären Einsparungen im Haushalt in Milliardenhöhe, die wir durch das Ende klimaschädlicher Subventionen und durch die Entrümpelung des Bundesverkehrswegeplans gewinnen würden. Einen wesentlichen Beitrag bei der Einsparung leisten übrigens die Flottengrenzwerte der EU, sprich das Verbrenner-Aus.

Das Klimaschutzgesetz ist eine unschätzbare Errungenschaft. Es gilt für die gesamte Bundesregierung, unabhängig davon, welche Person welches Ministeramt wie für sich interpretiert und welche Parteien miteinander koalieren. Es hat das Potenzial die Bundesregierung im Kampf gegen die Klimakrise zusammenzuschweißen, durch eine gemeinsame Verantwortung und eine gemeinsame Rechenschaftspflicht.

Nicht zuletzt entfaltet das Gesetz seinen Mehrwert auch durch Warnsignale. Es zeigt uns, dass die Klimaziele zur Fiktion werden, wenn wir unsere Art zu leben und zu wirtschaften nicht ändern und dass das Verfehlen der Klimaziele dramatische Folgen für uns und ganz besonders für jüngere Generationen haben wird. Alle Forderungen zu Auflösung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz und der Versuch, Bilanzen hin und her zu verrechnen, sind nichts mehr als Augenwischerei. Gesetze einzuhalten sollte der absolute Mindeststandard für einen Minister sein. Herr Wissing sollte sich an die Arbeit machen.

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