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Energie & Klima

Standpunkte LNG-Boom beenden und Trumps Wahlkampfkasse austrocknen

Lisa Badum, grüne Obfrau für Klimaschutz und Energie sowie Vorsitzende des Unterausschusses für Klimaaußenpolitik im Bundestag
Lisa Badum, grüne Obfrau für Klimaschutz und Energie sowie Vorsitzende des Unterausschusses für Klimaaußenpolitik im Bundestag Foto: Büro Badum/Trutschel/Photothek

Alle Zeichen stehen auf den Niedergang von Fracking-Gas – davon ist Lisa Badum, Vorsitzende des Unterausschusses Internationale Klima- und Energiepolitik, überzeugt. Nun müsse Deutschland die Abkehr von dem fossilen Brennstoff entschlossen vorantreiben. Neue Importterminals und Langfristverträge gehörten deshalb der Vergangenheit an.

von Lisa Badum

veröffentlicht am 21.06.2024

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Es mag überraschend klingen, aber der Anfang des Endes von Fracking-Gas ist gekommen. Das zeigen fünf erfreuliche Entwicklungen aus den letzten Monaten. Alles begann mit der COP28-Einigung im Dezember letzten Jahres in Dubai.

Erstmals einigte sich die Weltgemeinschaft auf eine Abkehr von fossilen Brennstoffen. Daran konnten selbst ewige Bremser wie Saudi-Arabien und Russland nichts mehr ändern. Das Zeitalter der Fossilen naht damit seinem unausweichlichen Ende.

Im Januar kam dann US-Präsident Joe Bidens Stopp sämtlicher neuer Exportprojekte für amerikanisches Flüssiggas, welches übrigens zu 85 Prozent aus Fracking gewonnen wird. Damit versetzte das Weiße Haus die Branche in Aufruhr: zum ersten Mal wagte es eine US-Regierung, die Unantastbarkeit der fossilen Lobby in Zweifel zu ziehen.

Wenig später lud Donald Trump zu vertraulichen Gesprächen in sein Anwesen ein und unterbreitete den Öl- und Gas-Bossen ein perverses Angebot. Für nur eine Milliarde US-Dollar könne die fossile Industrie sich von ihm eine Rückkehr zu den „guten alten Zeiten“ des ungebremsten Wachstums erkaufen. Diesen schmutzigen Deal soll nun ein eigens eingerichteter Untersuchungsausschuss im US-Senat aufarbeiten, doch der Vorfall sollte uns lehren, mit wem wir es da zu tun haben.

Fracking hat keine Zukunft

Als drittes kam die Meldung, dass Europa seinen Gasverbrauch seit Russlands großflächiger Invasion der Ukraine um ganze 20 Prozent reduzieren konnte, Tendenz weiter fallend. Mit Europa bricht einer der wichtigsten globalen Absatzmärkte für Fracking-Gas dank Wind und Solar allmählich weg. Das zeigt sich auch an der schon jetzt mäßigen Auslastung unserer Flüssiggas-Import-Infrastruktur – obwohl viele der geplanten Terminals noch gar nicht am Netz sind.

Als viertes gab es den Beschluss der G7-Länder, den weltweiten Methanausstoß durch Förderung, Transport und Nutzung fossiler Brennstoffe bis 2030 um ganze 75 Prozent zu senken. Um diese Reduktion zu schaffen, müssen wir nicht nur schnellstmöglich alle Pipeline-Lecks schließen und uns endgültig von Russlands schmutzigen Energielieferungen lossagen. Wir werden auch nicht umhinkommen, Europas Importe von umweltschädlichem Fracking-Gas, insbesondere aus den USA, zu reduzieren.

Abgerundet wurden diese internationalen Entwicklungen durch die Verabschiedung der neuen EU-Methanverordnung Ende Mai. Denn dieses Gesetz sieht Strafzahlungen für besonders schmutzige Brennstoffe vor – solche also, für deren Förderung viel klimaschädliches Methan in die Atmosphäre geblasen wurde. Gut möglich, dass auch amerikanisches Fracking-Gas, welches nach neuesten Zahlen eine schlimmere Klimabilanz hat als Braunkohle, dadurch bald unbezahlbar wird.

Fracking-Gas schadet Mensch und Planet

Neben diesen fünf Trends gibt es zahlreiche weitere Gründe, um unsere Unabhängigkeit von Fracking-Gas proaktiv voranzutreiben und selbst dafür zu sorgen, dass der LNG-Boom endet – ob durch Einsparungen, Energieeffizienz oder Erneuerbare. Denn verflüssigtes Methan ist schlecht für die Umwelt, schlecht fürs Klima und vor allem schlecht für den Menschen.

Das habe ich auf meiner kürzlichen Reise in die USA hautnah miterlebt. Im Nordost-Staat Pennsylvania, einem der wichtigsten Öl- und Gasproduzenten, sollte eigentlich das größte LNG-Terminal der Ostküste entstehen – und zwar ausdrücklich, um Europa mit mehr Fracking-Gas zu versorgen. Und das, obwohl die (größtenteils Schwarzen) Menschen vor Ort bereits jetzt unter grassierendem Umweltrassismus leiden: wegen der industriellen Verschmutzung haben mehr als ein Viertel ihrer Kinder Asthma.

Solange wir am Gashahn hängen, haben wir solche Ungerechtigkeiten mitzuverantworten. Leider sind wir momentan – unter dem Eindruck der Energiekrise und Russlands Angriffskrieg in der Ukraine – immer noch dabei, massive Überkapazitäten für den Import von Fracking-Gas aufzubauen.

Scholz‘ Gasterminals sind überdimensioniert

Diese Überkapazitäten dienen als Absicherung für den Fall, dass beispielsweise unsere Energielieferungen aus Norwegen ausfallen – das sagt auch die Bundesregierung. Nur ist dieser Fall extrem unwahrscheinlich.

Norwegen verlässt sich nicht etwa auf eine einzelne Pipeline nach Europa, die wie damals bei Nord Stream mit einem gezielten Angriff außer Gefecht gesetzt werden könnte. Unser Partner im Norden betreibt ein ganzes Netzwerk aus Versorgungsröhren, die verschiedene Orte in Großbritannien, den Niederlanden und bei uns in Deutschland beliefern.

Mit seinen neuen LNG-Terminals möchte Bundeskanzler Olaf Scholz fast dreimal so hohe Kapazitäten einrichten, wie wir eigentlich brauchen. Das erinnert an einen panischen Bürger, der sich einen Bunker gräbt, falls der globale Atomkrieg ausbricht. Ist das noch vernünftige Energiepolitik oder sollten wir nicht lieber auf Wind und Sonne setzen?

Import von Fracking-Gas nur noch im Notfall

Wenn es wirklich nur um Versorgungssicherheit geht, sollte der Import von zusätzlichem Fracking-Gas nur dann erlaubt werden, wenn ein Notfall auch tatsächlich vorliegt. Und anstatt immer neue Langfristverträge abzuschließen, die uns für Jahrzehnte an fossile Brennstoffe binden, sollten wir in Zukunft auf die Gasplattform der EU setzen, die auch kurzfristigere Einkäufe ermöglicht.

Nur so können wir verhindern, dass wir sehenden Auges die Klimakrise anheizen und dabei auch noch in Trumps Wahlkampfkassen einzahlen. Denn der amerikanische Fracking-Boom kommt nicht von ungefähr: hinter allem steht die Hoffnung, dass Deutschland und Europa noch ein paar Jahre lang für das dreckige Geschäft zu haben sind. Mit unseren Überkapazitäten laufen wir Gefahr, genau das zu ermöglichen.

Als Putins Truppen im Februar 2022 in die Ukraine einmarschierten stand Deutschland mit seiner Abhängigkeit von russischem Gas auf der falschen Seite der Geschichte. Erst danach sahen die meisten ein, dass Nord Stream 2 niemals hätte gebaut werden dürfen.

Jetzt, wo das fossile Zeitalter endlich seinem Ende naht, sollten wir eine führende Rolle in der globalen Gaswende einnehmen und uns auf die richtige Seite stellen. Schluss mit den neuen Importterminals, Schluss mit den Langfristverträgen und Schluss mit all den lebenserhaltenden Maßnahmen für die fossile Branche. Die Entwicklungen der letzten Monate haben es gezeigt: der Anfang des Endes von Fracking-Gas ist ohnehin gekommen. Jetzt müssen wir nur noch das letzte Aufbäumen im Zaum halten.

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