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Energie & Klima

Standpunkte Unternehmen dürfen Deutschlands Engagement für den Regenwald nicht sabotieren

Tørris Jæger, Direktor der Rainforest Foundation Norway
Tørris Jæger, Direktor der Rainforest Foundation Norway Foto: Rainforest Foundation Norway

Gut, dass Deutschland den neuen brasilianischen Präsidenten beim Amazonas-Schutz unterstützt. Die Vergabe neuer Mittel für Brasilien müsse aber dringend mit einer Regulierung deutscher Unternehmen ergänzt werden, damit diese die Abholzung im Ausland stoppen, fordern Marcio Astrini vom Observatório do Clima und Tørris Jæger von der Rainforest Foundation Norway.

von Tørris Jæger

veröffentlicht am 16.02.2023

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Seit den 1980er Jahren, als Bundeskanzler Helmut Kohl die G7-Staaten zur Einrichtung eines wegweisenden Fonds für brasilianische Tropenwälder bewegte, setzt sich Deutschland für den Schutz der Regenwälder ein. In den 2000er Jahren leistete Deutschland unter Angela Merkel zusammen mit Norwegen einen wesentlichen Beitrag zum Amazonas-Fonds, dem weltweit größten Programm für Maßnahmen gegen die Abholzung. Ende Januar hat die Bundesregierung mit zusätzlichen 200 Millionen Euro ein weiteres starkes Signal für das deutsche Engagement in Brasilien gesetzt.

Dies zeigt, dass Deutschland Präsident Lula das Silvas Initiativen zur Wiederbelebung der brasilianischen Klimaschutzbemühungen anerkennt. Das ist ein Vorbild für reiche Länder: Sie sollten die internationale Dynamik zum Schutz des Regenwaldes nutzen, die durch den politischen Wandel in Brasilien und die Wahl Lulas möglich wird.

Allerdings: Auch wenn die internationale Unterstützung für die Arbeit in Brasilien von unschätzbarem Wert ist, wird sie nicht ausreichen, um der Abholzung ein Ende zu setzen.

Im Februar wurden in der Zeitschrift „Science“ neue Forschungsergebnisse veröffentlicht, die zeigen, dass bereits 38 Prozent des Amazonasgebiets auf verschiedenste Art beschädigt sind. Weitere 20 Prozent sind durch Abholzung verloren gegangen, wodurch sich der Regenwald auf einen gefährlichen Kipppunkt zubewegt, an dem Klimawandel und Waldzerstörung zusammenwirken und den Amazonas in eine verarmte Savanne verwandeln. Das würde Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt werden – und jede Chance auf eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad zunichte gemacht.

Der Alptraum unter Bolsonaro ist vorbei

Die Bolsonaro-Regierung hat sich nach Kräften bemüht, diese Alptraumszenarien wahr werden zu lassen. Sie hat die Institutionen zerschlagen, die den Wald und seine indigene Bevölkerung schützen sollen. Unter Bolsonaro verlor das brasilianische Amazonasgebiet 45.000 Quadratkilometer Wald, eine Fläche halb so groß wie Portugal, und verzeichnete die höchsten Abholzungsraten seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen.

Lula hat sich verpflichtet, die Abholzung und Schädigung des Waldes bis 2030 zu beenden. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand daher in der Wiederbelebung des Amazonas-Fonds, den Bolsonaro eingefroren hatte. Dies und Plan zur Verhinderung und Kontrolle der Abholzung zeugen von Lulas politischem Willen. Der Wiederaufbau hat begonnen, weitere Maßnahmen müssen folgen. Internationale Unterstützung ist dabei entscheidend.

Lula muss zunächst wieder für Recht und Ordnung im Wald sorgen. Der Amazonas-Fond hat die Anmietung von Flugzeugen und Lkw für Umweltinspektoren finanziert. Die Umsiedelung von mehr als 20.000 illegalen Gold- und Erzsuchern aus dem Yanomami-Gebiet wird auch einen hohen logistischen Aufwand erfordern, für den der Amazonas-Fonds genutzt werden könnte. Die internationale politische Unterstützung für die Umweltagenda wird ebenfalls von entscheidender Bedeutung sein, da es Kräfte in der Opposition und sogar innerhalb von Lulas Regierungskoalition gibt, die die Agenda zu untergraben versuchen.

Bei Großunternehmen und Nachfrage ansetzen

All diese Maßnahmen werden aber nicht ausreichen, wenn nicht gleichzeitig die Nachfrageseite angegangen wird. Die wichtigsten Triebkräfte der Abholzung des Amazonasgebiets sind internationale Großunternehmen. Deshalb müssen der finanziellen Unterstützung auch internationale Regelungen und Maßnahmen folgen.

Ende 2022 einigten sich die EU-Mitgliedstaaten auf ein historisches Gesetz, das erhebliche Auswirkungen auf die globale Abholzung haben könnte, wie auch Tagesspiegel Background berichtete. Es erkennt nicht nur die enormen Auswirkungen der Abholzung auf das globale Klima und den Naturverlust an, sondern nimmt dafür auch Handel und Konsum in rechtliche Verantwortung. Europäische Unternehmen müssen nun sicherstellen, dass ihre Importe nicht zur Abholzung beitragen.

Europa importiert derzeit große Mengen an Waren, bei denen ein hohes Abholzungsrisiko besteht: Soja, Palmöl, Leder, Kaffee, Kakao und Kautschuk. Die Unternehmen müssen nun nachweisen, dass die nach Europa eingeführten Produkte nicht auf Flächen erzeugt wurden, die nach 2020 abgeholzt wurden. Das Gesetz könnte einen strukturellen Wandel im Umgang der Unternehmen mit der Abholzung bewirken, denn im Gegensatz zu multilateralen Klimaverträgen sind Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen: Welche Zukunft hat ein Unternehmen, das unbedacht oder absichtlich eine Strafe in Höhe von bis zu vier Prozent seines Jahresumsatzes riskiert?

EU-Gesetz rasch und vollständig umsetzen
 
Alle wichtigen Agrarrohstoffe, die die Abholzung vorantreiben, werden von dem Gesetz abgedeckt, darunter auch Leder. Das führt zwangsläufig zu längst überfälligen Veränderungen in milliardenschweren Branchen, insbesondere in Deutschland. In einem Bericht aus dem Jahr 2021 deckte die Rainforest Foundation Norway auf, dass die fünf größten europäischen Autokonzerne mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Abholzung des Amazonas-Regenwaldes beitragen.

Auf dieser Liste stehen sowohl Volkswagen als auch BMW – wegen ihrer Leder-Innenausstattung. Keines dieser Unternehmen hat sich bisher verpflichtet, alle Verbindungen zur Abholzung in ihren Lieferketten zu kappen. Auch öffentlich zeigen sie keine echten Anzeichen dafür, dass sie das Thema angehen und sicherstellen, dass ihre Produkte nicht länger zur Zerstörung von Wald beitragen.
 
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die deutsche Regierung das EU-Gesetzes zur Bekämpfung der Entwaldung rasch, effektiv und vollständig umsetzt. Nicht nur, weil der Amazonas auf der Kippe steht und dringend gehandelt werden muss, sondern auch aus Respekt vor den deutschen Steuerzahlern, die den Wiederaufbau des Regenwaldschutzes in Brasilien großzügig unterstützen.

Damit nicht genau die Abholzung importiert wird, für deren Vermeidung Brasilien unterstützt wird, muss Deutschland die Verursacher der Abholzung im eigenen Land regulieren. Nur wenn Deutschland sich zur Bekämpfung der Abholzung durch den Finanzsektor und die Rohstofflieferketten verpflichtet, kann es sein volles Engagement als globaler Verfechter des Klimas und der biologischen Vielfalt unter Beweis stellen.

Marcio Astrini ist geschäftsführender Sekretär von Observatório do Clima, einem Netzwerk von 77 brasilianischen Organisationen der Zivilgesellschaft.

Tørris Jæger ist Direktor der Rainforest Foundation Norway, eine der weltweit größten Regenwaldorganisationen.

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