Die Gasnetze spielen eine unverzichtbare Schlüsselrolle, um die Klimaziele und insbesondere die Wärmewende mit dekarbonisierten Gasen versorgungssicher, zuverlässig und bezahlbar zu erreichen. Nicht zuletzt aus Resilienzaspekten ist eine leistungsfähige Gasinfrastruktur bei einem deutlich steigenden Anteil von erneuerbaren Energien für eine sichere Energieversorgung unerlässlich.
Die Ausgangsbedingungen dafür sind (noch) gut: Deutschland verfügt über eine dicht ausgebaute Gasinfrastruktur aus 50.000 Kilometer Hochdruckleitungsnetzen, über 500.000 Kilometer Verteilnetzen und Speichern für 225 Terawattstunden (TWh) Energie. Pro Jahr fließen durch die Rohrleitungen über 900 TWh zuverlässig an Haushalte, Gewerbebetriebe und Industrieunternehmen, Kraftwerke und andere Verbraucher.
In jeder Hinsicht eine tragende Säule des Energiesystems
Damit transportieren die Gasnetze etwa doppelt so viel Energie pro Jahr wie die Stromnetze. Der Transport von Gasen über die Gasnetze ist aufgrund des höheren Volumens nicht nur um ein Vielfaches effizienter als über Lkw oder Schiffe, sondern auch deutlich günstiger als das Durchleiten von Energie über die Stromnetze. Rund 27 Prozent beträgt der Anteil von Erdgas am aktuellen Primärenergieverbrauch in Deutschland – dies sollte sich jeder klarmachen, der leichtfüßig einen kurzfristigen Ausstieg aus gasförmiger Energie in der Fläche fordert.
Wir reden hier also über eine tragende Säule unseres Energiesystems. Wer lautstark das Ende der Gasnetze fordert, muss daher konkret sagen, wie das Gas ersetzt werden soll und kann nicht nur einfach darauf hoffen, dass der Zubau von Wärmepumpen es schon richten wird.
Es wäre auch fatal, den Ausstieg aus der Gasversorgung mit dem Rückbau der Gasinfrastruktur zu beginnen. Denn das geht unmittelbar zulasten der Systemsicherheit bei der Gasversorgung. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Gasinfrastruktur ist nicht Bremse des fossilen Gasausstiegs, sie ist das notwendige Vehikel dafür.
Das deutsche Gasverteilnetz hat nach Schätzungen des Gasfachverbandes DVGW einen ökonomischen Wiederbeschaffungswert von mindestens 270 Milliarden Euro. Die Betreiber investieren kontinuierlich in dieses Asset, wie Andreas Jahn von RAP und Barbara Saerbeck von der Agora Energiewende an dieser Stelle in einem Background-Standpunkt ablehnend festgestellt haben. Derzeit belaufen sich die jährlichen Investitionen und Aufwendungen bundesweit auf rund 2,5 Milliarden Euro.
Diese Zahlen allein können sicher nicht den uneingeschränkten Weiterbetrieb der Gasinfrastruktur rechtfertigen, sie belegen aber sehr eindrücklich, mit welchen Größenordnungen wir es hier zu tun haben. Nicht Rückbau der Infrastruktur ist die Lösung, sondern Transformation. So wie der Stromsektor schrittweise dekarbonisiert wird, muss uns auch im Gassektor eine schrittweise Dekarbonisierung gelingen.
Signifikante Wasserstoff-Beimischung schnell möglich
Bereits heute ist die 20-prozentige Beimischung von Wasserstoff mit nur leichten Anpassungen in den Verteil- und Transportnetzen und zu überschaubaren Kosten umsetzbar – auch dafür können die Gasnetzbetreiber ihre jährlichen Investitionen und Aufwendungen nutzen, wenn die Politik hier endlich für einen klaren regulatorischen Rahmen sorgt. Diese Anpassungen stellen eine No-regret-Option dar. Denn durch die Umstellung der Netze wird die Einsparung von CO2 im Wärmemarkt umgehend ermöglicht.
Und Klimaneutralität bis 2045 muss auch in der Wärmeversorgung und im Gebäudesektor verlässlich abgesichert werden. Eine zentrale Herausforderung stellen dabei die künftige Funktion und Transformation der heute noch maßgeblichen Gasversorgung mit der zugehörigen Netzinfrastruktur auf der Ebene der Verteilnetzbetreiber dar. Hierfür ist ein zielgerechter bundesweiter Rahmen mit verbindlichen Planungsverfahren und einer tragfähigen Infrastrukturregulierung notwendig. Beides vermeidet Lock-in-Effekte und die längerfristige Nutzung fossiler Energieträger. Zugleich sollen damit lokale Transformationspfade berücksichtigt, jeweils optimale Emissionsvermeidungswege identifiziert und ermöglicht sowie die Dekarbonisierung der relevanten Erzeugungs- und Netzinfrastrukturen befördert werden.
Die Kommunen gestalten die Wärmewende
Die Wärmewende hängt von den Gegebenheiten vor Ort ab. Sie ist deshalb in den Kommunen zu gestalten. Hierfür müssen unterschiedliche technologische Lösungen von (Groß-)Wärmepumpen über Biomasse, Solar-/Geothermie und Abwärmenutzung bis hin zu klimaneutralen Gasen gepaart mit Gebäudeeffizienzmaßnahmen zum Einsatz kommen. Sie gewährleisten zusammen eine erfolgreiche Dekarbonisierung und Versorgungssicherheit bei Wärme und Strom. Eine Schlüsselrolle erhalten dabei die erstmals in Baden-Württemberg verpflichtend eingeführten kommunalen Wärmepläne.
Dieses Konzept muss fortentwickelt und bundesweit eingeführt und finanziert werden. Im Sinne einer integrierten Energieinfrastrukturplanung schaffen Wärmepläne die nötige Planungs- und Investitionssicherheit für Wärme-, Gas- und Stromnetze sowie für die zugehörige Erzeugungsinfrastruktur (inklusive Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen). Sie ermöglichen damit eine sozialverträgliche Wärmewende.
Ein Rückbau von Gasinfrastruktur kann daher nur
als mögliches Ergebnis am Ende eines derartigen Prozesses stehen, aber niemals
an dessen Anfang. Bei der Vielzahl der Gebäude, die wir auch zukünftig
weder elektrisch noch mit Nah- und Fernwärme wirtschaftlich versorgen können,
brauchen wir einen technologieoffenen Ansatz und keine vorschnellen
Vorfestlegungen. Eine verbindliche kommunale Wärmeplanung mit klaren
Spielregeln schafft hier für alle Beteiligten Planungs- und
Rechtssicherheit.