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Energie & Klima

Standpunkte Wie eine veränderte Klimakommunikation politische Entscheidungsräume öffnet

Von Carolin Friedemann, Initiative Klimaneutrales Deutschland
Von Carolin Friedemann, Initiative Klimaneutrales Deutschland Foto: IKND/Vogelwild und Andres

Getroffen werden müssen die Entscheidungen zur Transformation sowieso, meint Carolin Friedemann, Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland, in ihrem Standpunkt. Widerstand sei dabei keine Überraschung, sondern Teil der Veränderungskurve. Erleichtert wird der Weg, auch für die Politik, durch positive Botschaften und einen Blick auf die Chancen.

von Carolin Friedemann

veröffentlicht am 24.10.2023

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Aktuell erleben wir, wie die mit Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes zugeschütteten ideologischen Gräben wieder aufgemacht und vertieft werden. Es gibt einen Kulturkampf ums Klima – unter anderem, weil die Wenigsten, auch politische Entscheiderinnen und Entscheider, darüber sprechen, was es in einem klimaneutralen Deutschland zu gewinnen gibt.

Die zunehmende Polarisierung der Debatte um Klimaschutzmaßnahmen ist weder zu übersehen noch zu überhören. Neue Protestformen der Klimabewegung scheiden die Geister. Die durch Politik und Medien stark polarisierte Debatte um das zugegebenermaßen handwerklich mittelmäßige, aber dennoch wichtige Gebäudeenergiegesetz hat bleibende Spuren hinterlassen. Zunehmend wird bei Themen wie Wohnen, Essen, Fortbewegung populistisch argumentiert. Das führt zu mehr Spaltung.

Die Diskussionen um Klimaschutzmaßnahmen werden sich ohnehin verschärfen, weil sich der Klimawandel verschärft. Wir erleben immer häufiger auch bei uns Wetterextreme wie Hitzewellen, Starkregen und Tornados, wo sie niemals zuvor gesehen wurden. Dementsprechend, und im Einklang mit dem Bundesklimaschutzgesetz, arbeitet die Ampelkoalition an notwendigen Gegenmaßnahmen. Diese große gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation geht mit vielen Veränderungen im Kleinen einher. Um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten und die gesellschaftliche Mehrheit dabei mitzunehmen, braucht es eine positive Zukunftserzählung, Mut zur Ehrlichkeit und Kommunikationsgeschick.

Vor der Akzeptanz steht die Verunsicherung

Ein kleiner Exkurs in das Change Management: Die sogenannte Veränderungskurve beschreibt, wie Menschen auf Neuerungen reagieren. Sie durchläuft Phasen wie Begeisterung, Unsicherheit, Widerstand und Anpassung. Ähnlich einer Achterbahn zeigt sie, wie Gefühle und Anpassung an Veränderung sich im Verlauf ändern. Dieses Modell hilft, Veränderungsprozesse besser zu verstehen und zu bewältigen.

Auf unserem Weg hin zu einem klimaneutralen Deutschland sind wir zwischen den Phasen Verunsicherung und Ablehnung. Entsprechend der Theorie der Veränderungskurve geht dies vorüber und schlägt in Akzeptanz und Integration um. Das ist eine ermutigende Erkenntnis. Dennoch gilt zu beachten: Nicht jeder Veränderungsprozess verläuft linear. Es kann Rückschläge und Schwierigkeiten auf dem Weg geben.

Die Geschwindigkeit und der Erfolg des Veränderungsprozesses hängen von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Art der Veränderung, der Unterstützung der Beteiligten sowie der Qualität der Kommunikation und Führung. Wenn weder Kommunikation noch Führung Anschlussfähigkeit finden, dann gerät die Transformation ins Stocken, erzeugt Ängste, Frust und Resignation. Schlechte Nachrichten stärken unsere Vorbehalte, wie etwa Angst vor dem Unbekannten, Bruch mit Gewohnheiten, Verlustangst oder bereits gemachte negative Erfahrungen mit Veränderung. Kurzum: Menschen fällt Veränderung schwer – das gilt auch für Politikerinnen und Politiker, sind doch auch sie nur Menschen.

Fokus auf die positiven Effekte

Dennoch darf sich Politik nicht selbst den Boden unter den Füßen wegziehen, der für die noch tiefgreifenderen und unausweichlichen Änderungen unserer Art zu wirtschaften und zu leben nötig ist. Kaum eine Rolle spielt in der öffentlichen Diskussion, dass die anstehenden Veränderungen vor allem positive Effekte für unser Land und uns Menschen nach sich ziehen, wie z. bessere Wohnqualität, Gesundheit, Wohlstand und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Warum sprechen wir denn nicht öfter von Zukunftsinvestitionen anstelle von Kosten? Das würde uns auf der Veränderungskurve weiterhelfen und zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung führen.

Wohin eine Politik der Angst vor Veränderung und der Verweigerung von notwendigen Maßnahmen führt, zeigen einige Beispiele. Windenergie: Seit über zehn Jahren heißt es: „Verspargelung der Landschaft“ oder „die Anlagen machen krank“. Und wo stehen wir heute? In vielen Regionen des Landes muss immer noch mühsam um die Akzeptanz dieser wichtigen Stromerzeugungsart geworben werden. Der Verlauf des Ausbaus der Windkraft ist exemplarisch. Ausbau der Stromnetze? Dieselbe Geschichte. Ausbau von Bahnstrecken? Ebenfalls. Carbon Capture and Storage? Das werden wir wohl demnächst sehen.

Anti-Politik nützt nur den Radikalen

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass Abgeordnete wiedergewählt werden wollen. Das führt oftmals dazu, dass vermeintlich unliebsame Entscheidungen und komplexe Maßnahmen nicht unterstützt oder auf zukünftige Legislaturperioden verschoben werden. Abgeordnete werden aber auch gewählt, um Verantwortung zu übernehmen und für die wirtschaftliche, ökologische und soziale Sicherheit des Volkes zu sorgen – für nachhaltiges Handeln und entsprechende Entscheidungen in allen Dimensionen. Dass die Anti-GEG-Kampagne nur einer Partei aus dem nicht-demokratischen Spektrum genutzt hat, zeigt: Bürgerinnen und Bürger wollen Sachpolitik, Informationen und Lösungen, und sie brauchen Mut statt Angstmacherei. Aufgabe der Politik ist es, die notwendigen Veränderungen anzustoßen und Mehrheiten dafür zu gewinnen.

Welche Lösungen gibt es? Als Gründerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND) bin ich davon überzeugt, faktenbasierte und chancenorientierte Kommunikation ist ein Schlüssel. Mehrheiten lassen sich dauerhaft besser für als gegen etwas organisieren.

Die IKND hat im Frühjahr 2023 eine Umfrage unter bayerischen Wählerinnen und Wählern durchführen lassen, die zeigt: Mit Botschaften zu Erhalt von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit lässt sich die Akzeptanz ebenso steigern wie mit der Aussicht auf sinkende Stromkosten. Die Ergebnisse sind sowohl medial als auch im politischen Raum mit großem Interesse aufgenommen worden.

Ein weiteres Beispiel: Im Vorfeld der bayerischen Landtagswahlen haben Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Freistaat mit der Unterschriftenaktion „Zusammen erfolgreich erneuerbar“ an die Staatsregierung appelliert – für mehr Unterstützung und Vereinfachung der Energiewende, insbesondere des Windkraftausbaus. Die Kernbotschaften: Heimatenergien ausbauen, Arbeitsplätze sichern, Wohlstand erhalten.

Positive Botschaften bringen Anschlussfähigkeit

Diesen Appell hat gut ein Fünftel aller Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Bayern unterschrieben – parteiübergreifend. Auch das zeigt: Positive Zielsetzungen und Botschaften bringen Bewegung in Veränderungsprozesse bringen und erzeugen Anschlussfähigkeit.

In Zeiten von multiplen Krisen und sich rasant verändernden Rahmenbedingungen unseres Lebens durch die Erderhitzung kann es sich die Politik nicht leisten, ihre eigenen Handlungsspielräume mit Zweifeln, Ängsten oder Desinformationen einzuschränken. Entscheidungen, die heute oder in der Vergangenheit schon für eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft unausweichlich sind und waren, werden irgendwann getroffen werden müssen. Begleitet von dem Mut zu ehrlicher Kommunikation sowie faktenbasierter und transparenter Information.

Carolin Friedemann ist Gründerin und Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND). Die IKND ist eine gemeinnützige Organisation, die nach eigenen Angaben die faktenbasierte, parteiübergreifende Klimadebatte mit Mitteln der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt.

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